European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020130090.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber beantragte in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2018 u.a. den Alleinverdienerabsetzbetrag, einen Kinderfreibetrag sowie Werbungskosten für Familienheimfahrten (diese in Höhe von 3.672 €).
2 Mit Bescheid vom 14. August 2019 wurde die Einkommensteuer 2018 festgesetzt. Alleinverdienerabsetzbetrag, Kinderfreibetrag sowie Werbungskosten für Familienheimfahrten wurden nicht berücksichtigt.
3 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.
4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 26. September 2019 wurde der Bescheid vom 14. August 2019 dahin abgeändert, dass der Alleinverdienerabsetzbetrag berücksichtigt wurde.
5 Aufgrund eines Antrags des Revisionswerbers hob das Finanzamt die Beschwerdevorentscheidung vom 26. September 2019 mit Bescheid vom 31. März 2020 gemäß § 299 BAO auf und änderte mit Beschwerdevorentscheidung vom 31. März 2020 den Bescheid vom 14. August 2019 dahin ab, dass der Alleinverdienerabsetzbetrag und der Kinderfreibetrag für ein Kind berücksichtigt wurden. Zu den Werbungskosten für Familienheimfahrten führte das Finanzamt aus, der Revisionswerber sei seit Oktober 2015 bei einem österreichischen Bauunternehmen beschäftigt. Seine Frau sei am Familienwohnsitz nicht erwerbstätig. Auch andere Gründe, die eine Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes begründen würden, lägen nicht vor. Kosten für Familienheimfahrten könnten demnach nicht berücksichtigt werden.
6 Der Revisionswerber beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Er machte insbesondere geltend, sein Familienwohnsitz sei in Kroatien. Er sei seit vielen Jahren in Österreich tätig und sei ‑ ebenfalls seit vielen Jahren ‑ unentgeltlich in einem Zimmer im Firmenquartier seines Dienstgebers untergebracht. Eine Mitbenützung durch Familienangehörige sei nicht gestattet. Auch im Jahr 2018 sei der Zugang für kroatische Arbeitskräfte zum österreichischen Arbeitsmarkt beschränkt gewesen. Im Haushalt am Familienwohnsitz habe weiters noch ein zumindest bis Mai 2018 minderjähriges und noch bis Juni 2019 in Kroatien in Schulausbildung befindliches Kind gelebt. Eine Verlegung des Familienwohnsitzes aus Kroatien nach Österreich sei daher im Jahr 2018 unzumutbar gewesen.
7 Im Vorlagebericht vom 28. Mai 2020 führte das Finanzamt insbesondere aus, es sei kein Grund für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes ersichtlich. Sollte das Bundesfinanzgericht aber davon ausgehen, dass diese Voraussetzung erfüllt sei, werde noch vorgebracht, dass bisher kein einziger Nachweis betreffend die Familienheimfahrten erbracht worden sei. Es seien weder Tankrechnungen noch eine Aufstellung über die Familienheimfahrten vorgelegt worden. Aufgrund der derzeitigen Beweislage müsse angezweifelt werden, ob die Familienheimfahrten überhaupt durchgeführt worden seien. Eine Schätzung sei nach Ansicht des Finanzamts aufgrund dieser Beweislage nicht durchzuführen.
8 Das Bundesfinanzgericht wandte sich mit Vorhalt vom 4. Juni 2020 an den Revisionswerber. Es ersuchte um Vorlage eines Einkommensnachweises der Ehefrau, eines Auszugs aus dem kroatischen Melderegister, einer Unterkunftsbestätigung des Dienstgebers und einer Bestätigung des Dienstgebers, dass keine steuerfreien Kostenersätze für die Familienheimfahrten gezahlt worden seien. Weiters wurde der Revisionswerber ersucht, die Kosten betreffend die geltend gemachten Familienheimfahrten in Form von Aufzeichnungen und Belegen nachzuweisen (Aufstellung der Familienheimfahrten mit jeweiligem Datum der Hin- und Rückreise, verwendete Verkehrsmittel; bei Verwendung eines eigenen Kraftfahrzeuges: Vorlage eines Fahrtenbuches, Serviceheftes, Zulassungsscheines, Tankbelege oder Mautabrechnungen; bei Fahrten mit einem öffentlichen Verkehrsmittel: Vorlage von Fahrscheinen).
9 Der Revisionswerber legte mit Eingabe vom 13. Juli 2020 ‑ in welcher er auch auf den Vorlagebericht des Finanzamts vom 28. Mai 2020 verwies ‑ eine Dienstgeberbestätigung und einen (übersetzten) kroatischen Grundbuchsauszug vor. Weiters machte er geltend, dass auch im Jahr 2018 für kroatische Arbeitskräfte Beschränkungen des Zugangs zum österreichischen Arbeitsmarkt bestanden hätten. Vorbringen zu konkreten Familienheimfahrten erstattete er nicht; Urkunden hiezu legte er nicht vor.
10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde im Sinne der Beschwerdevorentscheidung vom 31. März 2020 teilweise Folge und änderte den Einkommensteuerbescheid ab. Es sprach aus, dass eine Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
11 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber erziele seit dem Jahr 1994 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Bauarbeiter. Seine Arbeitsstätte befinde sich in Österreich. Im Jahr 2018 sei der Revisionswerber unentgeltlich in einem Firmenquartier seines Arbeitgebers untergebracht gewesen; eine Mitbenützung durch Familienangehörige sei nicht gestattet. Der Familienwohnsitz des Revisionswerbers befinde sich in Kroatien, der Revisionswerber sei dort Eigentümer einer lastenfreien Liegenschaft. Am Familienwohnsitz lebten die Ehefrau des Revisionswerbers und sein im Mai 2000 geborener Sohn, für welchen der Revisionswerber Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag bezogen habe. Die Ehefrau habe im Streitjahr kein Einkommen bezogen. Betreffend die geltend gemachten Kosten für Familienheimfahrten (3.672 €) habe der Revisionswerber trotz ausdrücklicher Aufforderung weder eine Aufstellung der Familienheimfahrten übermittelt noch mitgeteilt, mit welchem Verkehrsmittel die Familienheimfahrten angetreten worden seien; es seien keine Nachweise für die angefallenen Kosten vorgelegt worden.
12 Es sei unbestritten, dass der Familienwohnsitz des Revisionswerbers von seinem Beschäftigungsort so weit entfernt sei, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht möglich sei bzw. ihm nicht zugemutet werden könne. Der Revisionswerber habe nicht behauptet, dass er am Ort des Familienwohnsitzes eine weitere Erwerbstätigkeit gehabt habe oder seine Ehefrau dort wirtschaftlich bedeutende und steuerlich relevante Einkünfte erziele. Damit liege aber kein Grund mehr vor, welcher die Verlegung des Familienwohnsitzes nach Wien als unzumutbar erscheinen lasse. Die Erziehung und Betreuung minderjähriger Kinder und die Bewahrung deren familiären Umfeldes könnten Gründe darstellen, die für die Beibehaltung des Hauptwohnsitzes sprächen. Da das am Familienwohnsitz lebende Kind des Revisionswerbers im Mai 2018 die Volljährigkeit erreicht habe, sei auch darin keine berufliche Veranlassung für die weitere Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes zu erblicken. Dasselbe gelte für die bloß allgemein gehaltene Behauptung des Revisionswerbers, der Verkauf des Hauses in Kroatien brächte wirtschaftliche und finanzielle Nachteile mit sich. Die Begründung eines zweiten Wohnsitzes am Ort der Erwerbstätigkeit des Revisionswerbers sei somit nicht beruflich bedingt. Die Voraussetzungen für das Vorliegen von Familienheimfahrten seien damit bereits dem Grunde nach nicht erfüllt.
13 Darüber hinaus seien die Kosten für Familienheimfahrten nur insoweit abzugsfähig, als dem Revisionswerber ein Mehraufwand erwachsen sei. Ein solcher Mehraufwand sei generell nachzuweisen. Der Revisionswerber habe einen Betrag von 3.672 € geltend gemacht, ohne die Zusammensetzung dieser Aufwendungen in der Erklärung oder in einer Beilage nachvollziehbar aufzuschlüsseln. Obwohl der Revisionswerber mittels Ergänzungsersuchens vom Bundesfinanzgericht ausdrücklich dazu aufgefordert worden sei, habe er keinerlei Nachweise dafür erbracht, in welcher Höhe ihm bzw. ob ihm überhaupt im Streitzeitraum Aufwendungen in Folge von Familienheimfahrten erwachsen seien. Damit sei auch die Frage nach dem Vorliegen von als Werbungskosten aus dem Titel der Familienheimfahrten anzusehenden Aufwendungen der Höhe nach unbeantwortet geblieben. Es wäre aber am Revisionswerber gelegen gewesen, durch Vorlage geeigneter Aufzeichnungen und/oder von Belegen die geltend gemachten Aufwendungen nachzuweisen. Auf Grund der fehlenden Nachweise seien die Kosten vom Finanzamt nachvollziehbar in Zweifel gezogen worden. Fehle ein Nachweis dem Grunde und der Höhe nach, sei die Abgabenbehörde davon enthoben, Beweise selbst aufzunehmen bzw. die Höhe der Aufwendungen zu schätzen. Es wäre Sache des Revisionswerbers gewesen, Beweismittel für die Aufhellung des zudem auslandsbezogenen Sachverhaltes beizubringen.
14 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision.
15 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die belangte Behörde mitgeteilt, den Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes sei nichts Ergänzendes hinzuzufügen; Aufwandersatz wurde nicht geltend gemacht.
16 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
17 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
18 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
19 Zur Zulässigkeit wird in der Revision geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach restriktive fremdenrechtliche Bestimmungen für die Erteilung von Daueraufenthaltstiteln in Österreich eine Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes aus dem Ausland nach Österreich begründeten; auch das Bestehen eines landwirtschaftlich genutzten Grundbesitzes am Familienwohnsitz im Ausland, der von der Ehefrau des Steuerpflichtigen bewirtschaftet werde, begründe eine derartige Unzumutbarkeit (Hinweis auf VwGH 10.3.2016, 2013/15/0146). Zur Frage, ob es ausländischen Arbeitnehmern, die ihren Familienwohnsitz im Ausland haben und die am Beschäftigungsort in Österreich von ihren Dienstgebern unentgeltlich in einem Firmenquartier untergebracht seien, unzumutbar sei, den Familienwohnsitz nach Österreich zu verlegen, bestehe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
20 Die Revision ist nicht zulässig.
21 Werbungskosten sind gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
22 Wenn dem Arbeitnehmer Mehraufwendungen erwachsen, weil er am Beschäftigungsort wohnen muss und die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes in eine übliche Entfernung zum Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, sind diese Mehraufwendungen Werbungskosten iSd § 16 Abs. 1 EStG 1988 (vgl. VwGH 22.3.2018, Ra 2016/15/0028).
23 Nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 dürfen Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits‑(Tätigkeits‑)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) nicht abgezogen werden, soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs‑)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 angeführten Betrag (3.672 € jährlich) übersteigen.
24 Werbungskosten sind zwar grundsätzlich von Amts wegen zu berücksichtigen. Als Werbungskosten geltend gemachte Aufwendungen sind jedoch über Verlangen der Abgabenbehörde gemäß § 138 BAO nachzuweisen oder, wenn dies nicht möglich ist, wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. VwGH 28.5.2008, 2006/15/0125, VwSlg. 8336/F; 22.12.2011, 2008/15/0164; vgl. auch Zorn/Stanek in Doralt et al, EStG20, § 16 Tz 55).
25 Das Bundesfinanzgericht versagte die Berücksichtigung der im Revisionsverfahren strittigen Aufwendungen für Familienheimfahrten einerseits mit der Begründung, es liege kein Grund vor, welcher die Verlegung des Familienwohnsitzes nach Wien als unzumutbar erscheinen lasse; anderseits aber auch mit der Begründung, der Revisionswerber habe Mehraufwendungen ‑ trotz eines Vorhalts des Bundesfinanzgerichts ‑ weder dem Grunde noch der Höhe nach nachgewiesen.
26 Das Zulässigkeitsvorbringen bezieht sich nur auf die Frage, ob die Verlegung des Familienwohnsitzes zumutbar sei; zur Alternativbegründung enthält die Revision keine Ausführungen.
27 Eine Revision hängt aber nicht von der Lösung der in ihr vorgebrachten Rechtsfragen ab, wenn das angefochtene Erkenntnis auf einer tragfähigen Alternativbegründung beruht, zu der sich die aufgeworfenen Rechtsfragen nicht stellen (vgl. VwGH 27.6.2019, Ra 2019/15/0023, mwN).
28 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 17. Februar 2021
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