Normen
FSG 1997 §7 Abs3 Z3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020110229.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Lenkberechtigung des Revisionswerbers durch Bestätigung des Vorstellungsbescheides der belangten Behörde vom 5. August 2020 für die Dauer von zwölf Monaten (gerechnet ab der Zustellung des Mandatsbescheides vom 28. Mai 2020) gemäß (u.a.) § 7 Abs. 3 Z 3 iVm § 26 Abs. 2a FSG entzogen und begleitende Maßnahmen (Nachschulung und Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens samt verkehrspsychologischer Stellungnahmen) angeordnet.
Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG unzulässig sei.
2 In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht nach durchgeführter Verhandlung (teils unter der Überschrift „Sachverhalt“, teils aber auch unter „Beweiswürdigung“ bzw. „Rechtliche Erwägungen“) ‑ hier auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ fest, der Revisionswerber habe am 17. Mai 2020 als Lenker eines Motorrades „mit dem Vorderrad in der Luft (‚Wheelie‘)“ noch innerhalb des Ortsgebietes (vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit 60 km/h) mit hoher Geschwindigkeit (der Revisionswerber habe 100 km/h zugestanden) einen zivilen Streifenwagen bei gleichzeitigem Überfahren einer Sperrlinie überholt, wobei sich in diesem Bereich auch ein Schutzweg bei einer Freizeitanlage befunden habe.
3 Danach habe der Revisionswerber auf der Bundesstraße bei einem weiteren Überholvorgang die dort (weiterhin) vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit 60 km/h abermals „erheblich überschritten“ und wiederum die Sperrlinie überfahren.
4 Rechtlich qualifizierte das Verwaltungsgericht die genannten Übertretungen von Verkehrsvorschriften durch den Revisionswerber als Verhalten, das an sich geeignet sei, besonders gefährliche Verhältnisse iSd. § 7 Abs. 3 Z 3 FSG herbeizuführen, und welches zwingend zur Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs. 2a FSG führe. Die Dauer der Entziehung wurde vor dem Hintergrund der letztgenannten Bestimmung damit begründet, dass der Revisionswerber mit dem genannten Verhalten innerhalb von fünfzehn Monaten zum zweiten Mal eine Tatsache iSd. § 7 Abs. 3 Z 3 FSG verwirklicht habe (wegen eines entsprechenden Vorfalls am 23. März 2019 sei ihm die Lenkberechtigung bereits für die Dauer von neun Monaten entzogen worden).
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen (VwGH 27.4.2020, Ra 2019/11/0045, mwN). Dem Erfordernis einer gesonderten Zulässigkeitsbegründung wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. aus vielen die Beschlüsse VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0014, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, jeweils mwN).
9 In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Dabei hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt einer der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist, wobei die bloße Wiedergabe von Rechtssätzen zu verschiedenen hg. Entscheidungen nicht ausreicht. Ebenso reicht auch die bloße Nennung von hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl, ohne auf konkrete Unterschiede in dieser Rechtsprechung hinzuweisen, nicht aus (vgl. zum Ganzen den Beschluss VwGH 23.4.2018, Ra 2018/11/0066, mwN).
10 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der hg. Judikatur zur Begründungspflicht ab (Hinweis auf VwGH 14.12.2017, Ra 2017/07/0089), weil das Verwaltungsgericht nicht festgestellt habe, mit welcher Geschwindigkeit der Revisionswerber das Kraftfahrzeug im Ortsgebiet gelenkt habe und ob diese geeignet gewesen sei, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen.
11 Damit wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung schon deshalb nicht aufgezeigt, weil das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis (Seite 12) erkennbar die Angaben des Revisionswerbers in der Verhandlung (dieser habe „zugestanden, in diesem Bereich eine Geschwindigkeit von 100 km/h gefahren sein“) zugrunde legte. Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass der Aufbau der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses (auch wenn er nicht zur Gänze den im zitierten Erkenntnis Ra 2017/07/0089, Rn 25, dargelegten Vorgaben entspricht) zu einer maßgeblichen Beeinträchtigung der Rechtsverfolgung führt.
12 Mit dem weiteren Vorbringen, es sei beim gegenständlichen „Fahren auf dem Hinterrad“ und dem Überfahren der Sperrlinie „nach ständiger Rechtsprechung doch zu hinterfragen, ... welche objektiv möglichen Umstände geherrscht haben“, wird die Zulässigkeit schon mangels konkreter Bezeichnung jener hg. Judikatur, von der das angefochtene Erkenntnis nach Meinung des Revisionswerbers abgewichen sei, nicht gesetzmäßig aufgezeigt.
13 Gleiches gilt für die Benennung jener im angefochtenen Erkenntnis zitierten Erkenntnisse, aus denen nach Meinung des Revisionswerbers für den vorliegenden Fall ‑ gerade nichts ‑ zu gewinnen sei.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Beschluss vom 15. November 2018, Ra 2018/11/0220, die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „besonders gefährliche Verhältnisse“ iSd. § 7 Abs. 3 Z 3 FSG bei einem vergleichbaren Fahrmanöver eines sog. „Wheelie“ (Hochheben des Vorderrads des Motorrades und Fahren auf dem Hinterrad) im Zusammenhang mit den fallbezogenen Begleitumständen als vertretbare Beurteilung angesehen und dazu u.a. ausgeführt:
„20 ... Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Beschluss vom 21. September 2018, Ra 2017/02/0201, den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes beipflichtend, betont, dass die volle Beherrschbarkeit eines Motorrads nur dann gewährleistet ist, wenn beide Räder Kontakt zur Fahrbahn aufweisen, und dass der solcherart vom Gesetzgeber definierten Eigenart des Motorrads das absichtliche Fahren nur auf dem Hinterrad widerspreche. Die bloße Möglichkeit, das Vorderrad während der Fahrt von der Fahrbahn abzuheben, reiche nicht aus, diese Fahrweise gemäß dem KFG 1967 als der Eigenart des Kraftfahrzeugs entsprechend anzusehen.
21 Die Einschätzung des Verwaltungsgerichtes, die Fahrweise des Revisionswerbers stelle ein krasses Fehlverhalten und mithin einen schweren Verstoß gegen Verkehrsvorschriften dar, ist aus diesen Erwägungen nicht als rechtswidrig zu erkennen (vgl. auch OGH 30.7.2013, 2Ob 128/13g).
22 Ein Abweichen von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist auch insofern nicht zu erblicken, als das Verwaltungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, dass eine bestimmte Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z 3 FSG nicht voraussetzt, dass es zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen ist, sondern es vielmehr genüge, dass der Verstoß gegen Verkehrsvorschriften ‑ hier: § 102 Abs. 3 vierter Satz KFG 1967 ‑ unter Umständen erfolgte, die das Verhalten des Lenkers so wie in den in § 7 Abs. 3 Z 3 FSG demonstrativ aufgezählten Fällen als an sich geeignet erscheinen lassen, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen (vgl. VwGH 23.3.2004, 2002/11/0135; daran anknüpfend zB. VwGH 23.1.2007, 2005/11/0023; 21.11.2017, Ra 2017/11/0261).
...“
15 Eine beinahe gleichlautende Begründung bildet den Kern des angefochtenen Erkenntnisses (wenngleich dort ‑ Seite 13 ‑ nicht offengelegt wird, dass diese Begründung dem vorhin zitierten hg. Beschluss entnommen ist).
16 Wenn daher im vorliegenden Fall das als „Wheelie“ ausgestaltete Überholmanöver des Revisionswerbers in Verbindung mit dem Überfahren der Sperrlinie (nach den Feststellungen noch dazu im Bereich eines Schutzweges) und der erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung vom Verwaltungsgericht als Verhalten gewertet wurde, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse iSd. § 7 Abs. 3 Z 3 FSG herbeizuführen, so bewegt sich diese Beurteilung innerhalb der Leitlinien der zitierten hg. Judikatur.
17 Da die Revision somit keine Rechtsfragen aufwirft, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war sie zurückzuweisen.
Wien, am 4. März 2021
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