VwGH Ra 2020/11/0086

VwGHRa 2020/11/008631.7.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofräte Dr. Grünstäudl und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der p GmbH in K, vertreten durch Tautschnig Rechtsanwälte GmbH in 9020 Klagenfurt, Villacher Straße 1A/7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 27. Juni 2019, Zlen. 1. KLVwG‑2533/16/2018 und 2. KLVwG‑2534/15/2018, betreffend Beseitigung von Missständen in Krankenanstalten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Kärnten), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §7
BVergG 2006 §73
B-VG Art7 Abs1
KAKuG 2001 §8 Abs1
KAKuG 2001 §8 Abs1 Z1
KAKuG 2001 §8 Abs1 Z8
KAO Krnt 1999 §31 Abs2
KAO Krnt 1999 §31 Abs2 lita
KAO Krnt 1999 §31 Abs2 lite
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020110086.L00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 1.1. Mit Bescheiden der belangten Behörde vom 2. August 2018 und vom 27. August 2018 wurde gemäß § 61 des Bundesgesetzes über Krankenanstalten und Kuranstalten (KAKuG) angeordnet, dass in den Mini‑Ambulatorien W und S der Revisionswerberin während der Öffnungszeiten der ärztliche Dienst entsprechend § 31 der Kärntner Krankenanstaltenordnung 1999 ‑ K‑KAO jeweils so eingerichtet sein müsse, dass in der Krankenanstalt ärztliche Hilfe jederzeit sofort erreichbar sei, was durch die ständige Anwesenheit eines zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Arztes in der Anstalt sicherzustellen sei. Die Umsetzung dieser Maßnahme habe innerhalb von drei Monaten ab Zustellung des jeweiligen Bescheides zu erfolgen.

2 1.2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten die Beschwerden der Revisionswerberin ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

3 1.2.2. Das Verwaltungsgericht stellte fest, die Revisionswerberin sei eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die zu 50 % vom Land Kärnten und zu 50 % von der GKK finanziert werde. Der Revisionswerberin sei jeweils die sanitätsbehördliche Errichtungs- und Betriebsbewilligung für ein entwicklungsdiagnostisches/therapeutisches Ambulatorium mit der Bezeichnung „Mini-Ambulatorium“ an den Standorten W und S erteilt worden. Das therapeutische Angebot umfasse jeweils medizinische und funktionelle Therapien (Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie), Psychotherapie, klinisch-psychologische Behandlung, sozialarbeiterische Hilfestellungen und beratende Tätigkeiten. Die personelle Ausstattung sehe jeweils einen fachärztlichen Leiter, einen stellvertretenden ärztlichen Leiter, eine Teamleiterin, eine Logopädin, zwei (bzw. einen) Ergotherapeuten, eine Psychologin, eine Physiotherapeutin, zwei (bzw. einen) Sozialarbeiter und eine Sekretärin vor. Gegenstand der Tätigkeit beider Mini-Ambulatorien sei die Betreuung risikogeborener und entwicklungsauffälliger Kinder im Klein-, Vorschul- und Grundschulalter mit dem Ziel, kindliche Entwicklungsstörungen durch deren Früherkennung rechtzeitig und positiv zu beeinflussen.

4 Bei der sanitären Einschau der Amtsärztin im Mini-Ambulatorium W sei festgestellt worden, dass die Anwesenheit des ärztlichen Leiters, der auch die weiteren Mini-Ambulatorien der Revisionswerberin betreue, oder seiner Stellvertretung je nach Bedarf gegeben sei. Es hätten keine fixen Anwesenheitszeiten genannt werden können. Es würden keine invasiven Eingriffe bzw. Blutabnahmen etc. durchgeführt. Es gebe keine medizinischen Geräte, eventuelle Blutdruckgeräte würden von den Ärzten mitgebracht. Eine ständige Anwesenheit eines Arztes im Ambulatorium während der Öffnungszeiten sei aus amtsärztlicher Sicht beim bestehenden Leistungsangebot (Schwerpunkt auf psychologische und ergotherapeutische Behandlung sowie Entwicklungsdiagnostik) nicht zwingend erforderlich. Akut erkrankte Kinder würden üblicherweise nicht vorstellig, sondern von den nahegelegenen niedergelassenen Kinderärzten behandelt.

5 Bei der sanitären Einschau des Amtsarztes im Mini-Ambulatorium S sei festgestellt worden, dass die ärztliche Anwesenheit pro Woche vier Stunden betrage, es jedoch beabsichtigt sei, diese auf zehn Stunden pro Woche auszuweiten. Anwesend sei eine Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Bei Bedarf könnten zusätzlich der ärztliche Leiter oder seine Stellvertreterin angefordert werden. Weiters seien klinische Psychologen, Ergotherapeutinnen und LRS‑Therapeutinnen tätig. Die ärztlichen Tätigkeiten beschränkten sich auf diagnostische Maßnahmen und Medikamentenverschreibungen (Pharmakotherapie). Akut erkrankte Kinder würden nicht vorstellig. Der Amtsarzt habe festgehalten, dass die personelle Ausstattung dem Anstaltszweck und dem Leistungsangebot entspreche und die ständige Anwesenheit eines Arztes während der Betriebszeiten im Hinblick auf das Leistungsangebot nicht erforderlich sei. Bei Notfällen von Klienten erfolge eine Alarmierung der im selben Geschoß unmittelbar neben dem Mini-Ambulatorium praktizierenden praktischen Ärztin bzw. des Notfallteams des nahegelegenen Krankenhauses.

6 In der mündlichen Verhandlung sei von der Revisionswerberin ausgeführt worden, dass „derzeit“ an beiden Standorten eine ärztliche Anwesenheit im Umfang von zehn Wochenstunden gegeben sei.

7 1.2.3. Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, gemäß § 31 Abs. 2 lit. a K‑KAO müsse der ärztliche Dienst so eingerichtet sein, dass in der Krankenanstalt ärztliche Hilfe jederzeit sofort erreichbar sein müsse. Das sei die Grundregel für alle Krankenanstalten, somit auch für selbständige Ambulatorien, wie sie auch von der Revisionswerberin betrieben würden. Ausnahmebestimmungen, insbesondere in Hinblick auf die Rufbereitschaft, seien in § 31 Abs. 2 lit. b bis k K‑KAO vorgesehen, wobei gemäß lit. e leg.cit. eine Ausnahme lediglich für Ambulatorien für physikalische Therapie, in denen keine Turnusärzte ausgebildet würden, bestehe. Sinn und Zweck des § 31 Abs. 2 lit. a K‑KAO sei es, dass bei Auftreten von medizinischen Notfällen jederzeit ein Arzt in einer Krankenanstalt verfügbar sei.

8 Auch wenn der medizinische Amtssachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt habe, dass in den entwicklungsdiagnostischen bzw. therapeutischen Ambulatorien (im Unterschied zu physikalischen Ambulatorien) keine invasiven Therapien durchgeführt würden und es in den vergangenen Jahren niemals einen medizinischen Notfall gegeben habe, entbinde dies nicht von der gesetzlichen Verpflichtung der jederzeitigen ärztlichen Anwesenheit im Ambulatorium während dessen Betriebszeiten.

9 Die gegenständlichen Ambulatorien wiesen nicht die nach § 31 Abs. 2 lit. a K‑KAO erforderlichen ärztlichen Anwesenheiten während der Betriebszeiten auf. Die Maßnahmen zur Behebung dieser Missstände seien daher zu Recht aufgetragen worden. Selbst nach der von der Revisionswerberin angeführten Ausnahmebestimmung des § 31 Abs. 2 lit. e K‑KAO für Ambulatorien für physikalische Therapie, in denen keine Turnusärzte ausgebildet würden, sei der ärztliche Dienst so zu organisieren, dass ärztliche Hilfe jederzeit erreichbar sei und auch durch regelmäßige tägliche Anwesenheit die erforderlichen ärztlichen Anordnungen für das übrige Personal gewährleistet seien. In den gegenständlichen Ambulatorien sei jedoch keine tägliche ärztliche Anwesenheit gegeben.

10 Der Anstaltszweck und das Leistungsangebot seien nicht das entscheidende Kriterium für den Anteil ärztlicher Präsenz an der personellen Ausstattung, da § 15 Abs. 2 lit. d K‑KAO (§ 3b Abs. 1 Z 4 KAKuG) die Betriebsbewilligung eines selbständigen Ambulatoriums regle, während die angefochtenen Bescheide in Anwendung der §§ 60 und 61 KAKuG zur Behebung von Missständen in einer Krankenanstalt bei Verletzung von sanitären Vorschriften erlassen worden seien.

11 Die Revisionswerberin habe zwar mitgeteilt, sie habe eine „Stellungnahme im Nationalrat zur Novelle 2018 des KAKuG“ eingebracht, um per Gesetzesänderung auch für ihre Form der Mini-Ambulatorien eine gesetzliche Ausnahmebestimmung von der ständigen ärztlichen Präsenz zu erwirken. Das Verwaltungsgericht habe jedoch auf Grund der geltenden Rechtslage zu entscheiden. Die gesetzliche Differenzierung zwischen Ambulatorien für physikalische Therapie und solchen für entwicklungsdiagnostische und therapeutische Maßnahmen scheine vom Gesetzgeber bewusst getroffen worden zu sein. Das Verwaltungsgericht könne auf Grund des völlig unterschiedlichen Leistungsangebotes zwischen physikalischer Therapie und entwicklungsdiagnostischen bzw. therapeutischen Maßnahmen auch keine Verfassungswidrigkeit dieser Differenzierung erkennen.

12 Eine durch Analogie zu schließende planwidrige Regelungslücke bestehe nicht. Es träfen auch nicht dieselben Wertungsgesichtspunkte auf ein physikalisches Ambulatorium wie auf ein entwicklungsdiagnostisches bzw. therapeutisches Ambulatorium zu.

13 1.3. Die Revisionswerberin erhob zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 25. Februar 2020, E 2653/2019‑8, ‑ unter Hinweis auf den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ‑ ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

14 1.4. In der Folge erhob die Revisionswerberin die vorliegende, vom Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegte (außerordentliche) Revision.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

16 2.1. Die im Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen der Kärntner Krankenanstaltenordnung 1999 ‑ K‑KAO, LGBl. Nr. 26/1999, in der Fassung LGBl. Nr. 24/2018, lauten (auszugsweise):

„§ 15

Betriebsbewilligung

(1) ...

(2) Der Betrieb eines selbständigen Ambulatoriums bedarf einer Bewilligung der Landesregierung mit schriftlichem Bescheid; eine solche ist zu erteilen, wenn

...

d) ein geeigneter Arzt als verantwortlicher Leiter des ärztlichen oder ein geeigneter Zahnarzt als verantwortlicher Leiter des zahnärztlichen Dienstes namhaft gemacht wurde sowie glaubhaft gemacht wird, dass auch im übrigen die nach dem Anstaltszweck und den in Aussicht genommen Leistungsangebot erforderliche personelle Ausstattung gesichert sein wird;

...

§ 31

Erste Hilfe und ärztliche Behandlung

(1) ...

(2) Der ärztliche bzw. zahnärztliche Dienst muss so eingerichtet sein, dass folgende Anforderungen erfüllt werden:

a) in der Krankenanstalt muß ärztliche Hilfe jederzeit sofort erreichbar sein;

b) in Standardkrankenanstalten muß im Nacht- sowie Wochenend- und Feiertagsdienst jederzeit eine sofortige notfallmedizinische Versorgung durch einen in der Anstalt anwesenden Facharzt aus den Sonderfächern Anästhesiologie und Intensivmedizin, Chirurgie, Innere Medizin oder Unfallchirurgie gewährleistet und eine Rufbereitschaft von Fachärzten der jeweils sonst in Betracht kommenden Sonderfächer gegeben sein; in diesen Sonderfächern muß während der Zeit der Rufbereitschaft von Fachärzten die Anwesenheit eines in Ausbildung zum betreffenden Sonderfach befindlichen Turnusarztes oder eines sonstigen zur selbständigen Berufsausübung befugten Arztes gewährleistet sein, die bereits über die entsprechenden Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen; während des sonstigen Dienstbetriebes müssen Fachärzte aller in Betracht kommenden Sonderfächer in der Anstalt ständig anwesend sein;

c) in Schwerpunktkrankenanstalten und in Standardkrankenanstalten mit mehr als 500 Betten muß, sofern derartige Abteilungen eingerichtet sind, jedenfalls in Abteilungen und sonstigen Organisationseinheiten für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Chirurgie, Innere Medizin, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Kinder- und Jugendheilkunde, Neurochirurgie, Psychiatrie sowie Unfallchirurgie ein Facharzt des betreffenden Sonderfaches ständig anwesend sein; in den sonstigen Abteilungen und Organisationseinheiten kann im Nachtsowie vorübergehend im Wochenend- und Feiertagsdienst von einer ständigen Anwesenheit von Fachärzten der betreffenden Sonderfächer abgesehen werden, wenn für diese Abteilungen und Organisationseinheiten eine Rufbereitschaft eingerichtet ist; in diesen Sonderfächern muß während der Zeit der Rufbereitschaft von Fachärzten die Anwesenheit eines in Ausbildung zum betreffenden Sonderfach befindlichen Turnusarztes oder eines sonstigen zur selbständigen Berufsausübung befugten Arztes gewährleistet sein, die bereits über die entsprechenden Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen;

d) in Zentralkrankenanstalten müssen Fachärzte aller in Betracht kommenden Sonderfächer in der gebotenen Anzahl ständig anwesend sein; in Betracht kommende Sonderfächer sind über die in lit. c genannten hinaus jene, in denen in Hinblick auf ein akutes Komplikationsmanagement eine fachärztliche Anwesenheit erforderlich ist. Im Übrigen kann auch in Zentralkrankenanstalten im Nacht- sowie vorübergehend im Wochenend- und Feiertagsdienst von einer ständigen Anwesenheit von Fachärzten der sonst in Betracht kommenden Sonderfächer abgesehen werden, wenn statt dessen eine Rufbereitschaft eingerichtet ist;

e) in Krankenanstalten in der Betriebsform selbständiger Ambulatorien für physikalische Therapie, in denen keine Turnusärzte ausgebildet werden, kann anstelle einer dauernden ärztlichen Anwesenheit der ärztliche Dienst so organisiert sein, dass ärztliche Hilfe jederzeit erreichbar ist und durch regelmäßige tägliche Anwesenheit die erforderlichen ärztlichen Anordnungen für das Personal nach dem MTD‑Gesetz und für Heilmasseure nach dem MMHmG sowie, neben ärztlichen Anordnungen, auch die erforderliche Aufsicht über medizinische Masseure nach dem MMHmG und Personal nach dem MABG und MTF‑SHD‑G gewährleistet ist;

f) die in der Krankenanstalt tätigen Ärzte und Zahnärzte müssen sich im erforderlichen Ausmaß fortbilden können;

g) in Krankenanstalten bzw. Organisationseinheiten, die als Ausbildungsstätten oder Lehrambulatorien anerkannt sind, muß die Ausbildung der Turnusärzte gewährleistet sein;

h) in Fachschwerpunkten kann außerhalb der Betriebszeiten von einer dauernden ärztlichen Anwesenheit von Fachärzten der in Betracht kommenden Sonderfächer abgesehen werden, wenn statt dessen eine Rufbereitschaft für Fachärzte der in Betracht kommenden Sonderfächer eingerichtet ist;

i) indisloziertenWochenklinikengeltendie Bestimmungen zur Rufbereitschaft gemäß lit. b, c und h sinngemäß; außerhalb der Betriebszeiten kann von einer dauernden Anwesenheit von Fachärzten der in Betracht kommenden Sonderfächer abgesehen werden, wenn im Bedarfsfall die Weiterbetreuung der Pfleglinge durch die Mutterabteilung außerhalb der Betriebszeit sichergestellt ist;

j) in dislozierten Tageskliniken kann außerhalb der Betriebszeiten von einer dauernden Anwesenheit von Fachärzten der in Betracht kommenden Sonderfächer abgesehen werden, wenn die erforderliche postoperative und konservative Nachsorge sichergestellt ist;

k) in Sonderkrankenanstalten müssen während des Dienstbetriebes Fachärzte aller in Betracht kommenden Sonderfächer in der Anstalt ständig anwesend sein; dies gilt nicht im Nacht- sowie Wochenend- und Feiertagsdienst, wenn der Träger der Krankenanstalt eine sofortige notfallmedizinische Versorgung durch einen in der Anstalt anwesenden Arzt im Sinne des § 40 Abs. 1 Ärztegesetz 1998 bei gleichzeitiger Rufbereitschaft je eines Facharztes aller in Betracht kommenden Sonderfächer gewährleistet.

...“

17 2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes (KAKuG), BGBl. Nr. 1/1957, in der Fassung BGBl. I Nr. 13/2019, lauten (auszugsweise):

„ERSTER TEIL

Grundsätzliche Bestimmungen über Krankenanstalten (Art. 12 Abs. 1 Z 2 des Bundesverfasssungsgesetzes).

...

§ 3b. (1) Eine Bewilligung zum Betrieb eines selbstständigen Ambulatoriums ist zu erteilen, wenn insbesondere

...

4. ein geeigneter Arzt als verantwortlicher Leiter des ärztlichen oder ein geeigneter Zahnarzt als verantwortlicher Leiter des zahnärztlichen Dienstes (§§ 7 Abs. 1 und 7a Abs. 1) namhaft gemacht wurde sowie glaubhaft gemacht wird, dass auch im übrigen die nach dem Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot erforderliche personelle Ausstattung gesichert sein wird; und

...

§ 8. (1) Der ärztliche bzw. zahnärztliche Dienst muss so eingerichtet sein, dass

1. ärztliche Hilfe in der Anstalt jederzeit sofort erreichbar ist;

2. in Zentralkrankenanstalten uneingeschränkt eine Anwesenheit von Fachärzten aller in Betracht kommenden Sonderfächer gegeben ist; in Betracht kommende Sonderfächer sind über die in Z 3 genannten hinaus jene, in denen in Hinblick auf ein akutes Komplikationsmanagement eine fachärztliche Anwesenheit erforderlich ist. Dabei ist die gebotene Anzahl anwesender Fachärzte sicherzustellen. Im Übrigen kann auch in Zentralkrankenanstalten im Nacht- sowie vorübergehend im Wochenend- und Feiertagsdienst von einer ständigen Anwesenheit von Fachärzten der sonst in Betracht kommenden Sonderfächer abgesehen werden, wenn statt dessen eine Rufbereitschaft eingerichtet ist,

3. in Schwerpunktkrankenanstalten jedenfalls in Abteilungen und Organisationseinheiten für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Chirurgie, Innere Medizin, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Kinder- und Jugendheilkunde, Neurochirurgie, Psychiatrie Neurologie und Unfallchirurgie bzw. Orthopädie und Traumatologie ein Facharzt des betreffenden Sonderfaches in der Anstalt dauernd anwesend ist; im übrigen kann im Nacht- sowie vorübergehend im Wochenend- und Feiertagsdienst von einer ständigen Anwesenheit von Fachärzten der sonst in Betracht kommenden Sonderfächer abgesehen werden, wenn statt dessen eine Rufbereitschaft eingerichtet ist;

4. in Standardkrankenanstalten im Nacht- und Wochenend- und Feiertagsdienst jederzeit eine sofortige notfallmedizinische Versorgung durch einen in der Krankenanstalt anwesenden Facharzt aus den Sonderfächern Anästhesiologie und Intensivmedizin oder Chirurgie oder Innere Medizin oder Unfallchirurgie gewährleistet ist sowie eine Rufbereitschaft von Fachärzten der jeweiligen sonst in Betracht kommenden Sonderfächer gegeben ist; im übrigen müssen auch in Standardkrankenanstalten Fachärzte der in Betracht kommenden Sonderfächer in der Anstalt dauernd anwesend sein;

5. in Fachschwerpunkten kann außerhalb der Öffnungszeiten während der Betriebszeiten von einer dauernden ärztlichen Anwesenheit von Fachärzten der in Betracht kommenden Sonderfächer abgesehen werden, wenn statt dessen eine Rufbereitschaft eingerichtet ist; im Bedarfsfall ist durch die Partner- oder Mutterabteilung die erforderliche Weiterbetreuung nicht entlassener Patientinnen und Patienten außerhalb der Betriebszeit sicherzustellen;

6. in dislozierten Wochenkliniken gelten die Bestimmung zur Rufbereitschaft gemäß Z 3 und 4 sinngemäß und kann außerhalb der Öffnungszeiten während der Betriebszeiten von einer dauernden Anwesenheit von Fachärzten der in Betracht kommenden Sonderfächer abgesehen werden, wenn im Bedarfsfall die Weiterbetreuung der Pfleglinge durch die Partner- oder Mutterabteilung außerhalb der Betriebszeit sichergestellt ist;

7. in dislozierten Tageskliniken kann außerhalb der Öffnungszeiten während der Betriebszeiten von einer dauernden ärztlichen Anwesenheit von Fachärzten der in Betracht kommenden Sonderfächer abgesehen werden, wenn statt dessen eine Rufbereitschaft eingerichtet ist; im Bedarfsfall ist durch die Partner- oder Mutterabteilung die erforderliche Weiterbetreuung nicht entlassener Patientinnen und Patienten außerhalb der Betriebszeit sicherzustellen;

8. in Krankenanstalten in der Betriebsform selbständiger Ambulatorien für physikalische Therapie, in denen keine Turnusärzte ausgebildet werden, kann an Stelle einer dauernden ärztlichen Anwesenheit der ärztliche Dienst so organisiert sein, dass ärztliche Hilfe jederzeit erreichbar ist und durch regelmäßige tägliche Anwesenheit die erforderlichen ärztlichen Anordnungen für das Personal nach dem MTD‑Gesetz, BGBl. Nr. 460/1992, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2015, und für Heilmasseure nach dem MMHmG, BGBl. I Nr. 169/2002, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2015, sowie, neben ärztlichen Anordnungen, auch die erforderliche Aufsicht über medizinische Masseure nach dem MMHmG und Personal nach dem MABG, BGBl. I Nr. 89/2012, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2015 und MTF‑SHD‑G, BGBl. Nr. 102/1961, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 89/2012, gewährleistet ist;

9. die in der Krankenanstalt tätigen Ärzte und Zahnärzte sich im erforderlichen Ausmaß fortbilden können;

10. in Krankenanstalten bzw. Organisationseinheiten, die als Ausbildungsstätten oder Lehrambulatorien anerkannt sind, die Ausbildung der Turnusärzte gewährleistet ist.

...

ZWEITER TEIL.

Unmittelbar anwendbares Bundesrecht.

...

Sanitäre Aufsicht.

§ 60. (1) Die Bezirksverwaltungsbehörden haben unter Beiziehung der ihnen als Gesundheitsbehörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden Amtsärzte in den Krankenanstalten und Kuranstalten ihres örtlichen Wirkungsbereiches die Einhaltung der sanitären Vorschriften, die auf Grund des Ersten Teiles dieses Bundesgesetzes erlassen wurden, zu überwachen.

...

§ 61. Werden in einer Krankenanstalt oder Kuranstalt sanitäre Vorschriften im Sinne des § 60 Abs. 1 verletzt, so hat der Landeshauptmann dem Rechtsträger die eheste Beseitigung der Missstände mit Bescheid aufzutragen. Im Wiederholungsfall sowie dann, wenn derartige anders nicht zu behebende gesundheitliche Missstände vorliegen, dass die Krankenanstalt oder Kuranstalt den Anforderungen der Gesundheitspflege nicht mehr entspricht, kann der Landeshauptmann die teilweise oder gänzliche Weiterführung des Betriebes einer Krankenanstalt oder Kuranstalt untersagen.“

18 3.1. Die Revision ist zulässig, weil keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Anforderungen des § 31 Abs. 2 K‑KAO an die Einrichtung des ärztlichen Dienstes in Krankenanstalten in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums vorliegt.

19 3.2. Sie ist jedoch nicht begründet.

20 3.2.1. Die Revision macht zusammengefasst geltend, § 31 Abs. 2 lit. a K‑KAO müsse zur Vermeidung einer unsachlichen Ungleichbehandlung der gegenständlichen Mini‑Ambulatorien im Vergleich zu Ambulatorien für physikalische Therapie in Analogie zu § 31 Abs. 2 lit. e K‑KAO teleologisch dahingehend reduziert werden, dass sich die ärztliche Präsenz nach dem Anstaltszweck und dem Leistungsangebot richte.

21 3.2.2. § 31 Abs. 2 K‑KAO (§ 8 Abs. 1 KAKuG) enthält Regelungen über den ärztlichen und zahnärztlichen Dienst in Krankenanstalten. Diese Regelungen betreffen die innere Organisation der Krankenanstalt und ihren laufenden Betrieb, während der von der Revision herangezogene § 15 Abs. 2 lit. d K‑KAO (§ 3b Abs. 1 Z 4 KAKuG), wonach neben der Namhaftmachung eines geeigneten Arztes als verantwortlicher Leiter des ärztlichen Dienstes glaubhaft gemacht werden muss, dass auch im übrigen die nach dem Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot erforderliche personelle Ausstattung gesichert sein wird, eine Voraussetzung für die Bewilligung zum Betrieb eines selbstständigen Ambulatoriums normiert.

22 Gemäß § 31 Abs. 2 lit. a K‑KAO (§ 8 Abs. 1 Z 1 KAKuG) muss der ärztliche Dienst so eingerichtet sein, dass ärztliche Hilfe in der Krankenanstalt jederzeit sofort erreichbar sein muss. Dies setzt die dauernde Anwesenheit eines nach den Vorschriften des Ärztegesetzes 1998 zur Ausübung des ärztlichen Berufes berechtigten Arztes in der Krankenanstalt voraus (vgl. ‑ zum KAKuG [KAG‑Novelle 1996] ‑ RV 379 BlgNR 20. GP  22: „permanente Anwesenheit“; OGH 4.8.2009; 9 ObA 53/08x; VwGH 25.4.1988, 88/18/0035, zum Tiroler Krankenanstaltengesetz 1957, wonach ärztliche Hilfe, die erst durch Funk in die Anstalt herbeigerufen werden muss, nicht ausreicht; Kopetzki, Krankenanstaltenrecht, in Holoubek/Potacs, Öffentliches Wirtschaftsrecht I4 520 f; Stöger in GmundKomm § 8 KAKuG, Rn 1). Dieser Grundsatz gilt ‑ lege non distinguente ‑ für alle Krankenanstalten und daher auch für Krankenanstalten in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums (vgl. OGH 18.5.1999, 4 Ob 128/99y, zum Wiener Krankenanstaltengesetz 1987).

23 § 31 Abs. 2 lit. b bis e und h bis k K‑KAO (§ 8 Abs. 1 Z 2 bis 8 KAKuG) sieht nach der Versorgungsstufe der dort genannten Krankenanstalten differenzierende Sonderregelungen hinsichtlich der Einrichtung des ärztlichen Dienstes vor, die Ausnahmen vom Grundsatz der dauernden ärztlichen Anwesenheit in der Krankenanstalt begründen. So kann nach § 31 Abs. 2 lit. e K‑KAO (§ 8 Abs. 1 Z 8 KAKuG) in Krankenanstalten in der Betriebsform selbständiger Ambulatorien für physikalische Therapie, in denen keine Turnusärzte ausgebildet werden, an Stelle einer dauernden ärztlichen Anwesenheit der ärztliche Dienst so organisiert sein, dass ärztliche Hilfe jederzeit erreichbar ist und durch regelmäßige tägliche Anwesenheit die erforderlichen ärztlichen Anordnungen für bzw. die erforderliche Aufsicht über das Personal nach näher genannten Gesundheitsberufegesetzen gewährleistet sind. Eine Ausnahme vom Grundsatz der dauernden ärztlichen Anwesenheit in der Krankenanstalt für andere selbständige Ambulatorien als solche für physikalische Therapie enthält § 31 Abs. 2 K‑KAO (§ 8 Abs. 1 KAKuG) nicht.

24 Die Revision weist selbst darauf hin, dass der (Grundsatz-)Gesetzgeber in Reaktion auf Kritik am Grundsatz der dauernden ärztlichen Anwesenheit in der Krankenanstalt (vgl. RV 379 BlgNR 20. GP  22) mehrfach Ausnahmen von diesem Grundsatz erlassen und diese Ausnahmen in der Folge weiter adaptiert hat, wobei auch die Bestimmung betreffend die Einrichtung des ärztlichen Dienstes in Krankenanstalten in der Betriebsform selbständiger Ambulatorien für physikalische Therapie mehrfach geändert wurde (vgl. - das Grundsatzgesetz betreffend - die Novellen BGBl. Nr. 801/1993, BGBl. Nr. 751/1996, BGBl. I Nr. 80/2000, BGBl. I Nr. 35/2004, BGBl. I Nr. 3/2016). Weitere Arten selbständiger Ambulatorien wurden aus diesen Anlässen vom Grundsatz des § 8 Abs. 1 Z 1 KAKuG bzw. § 31 Abs. 2 lit. a K‑KAO allerdings nicht ausgenommen. Es ist daher davon auszugehen, dass es dem Willen des (Grundsatz‑)Gesetzgebers entspricht, dass ‑ übereinstimmend mit dem Wortlaut des Gesetzes ‑ vom Grundsatz der dauernden ärztlichen Anwesenheit in der Krankenanstalt abweichende Regelungen nur für selbständige Ambulatorien für physikalische Therapie, nicht aber auch für andere Arten selbständiger Ambulatorien bestehen.

25 Angesichts des klaren Wortlautes, der Systematik und der Entwicklung des § 31 Abs. 2 K‑KAO (§ 8 Abs. 1 KAKuG) liegen fallbezogen die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion (vgl. zu dieser etwa VwGH 28.2.2017, Ra 2017/11/0002; 27.7.2017, Ro 2017/07/0003; jeweils mwN) des Grundsatzes der dauernden ärztlichen Anwesenheit in der Krankenanstalt um selbständige Ambulatorien der Art, wie sie von der Revisionswerberin betrieben werden, nicht vor.

26 3.2.3. Die Revision zeigt auch nicht auf, dass das Fehlen einer Ausnahme vom Grundsatz der dauernden ärztlichen Anwesenheit in der Krankenanstalt für selbständige Ambulatorien der Art, wie sie von der Revisionswerberin betrieben werden, eine durch Analogie zu schließende planwidrige Lücke darstellt:

27 Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Analogie ist das Bestehen einer echten (dh. planwidrigen) Rechtslücke. Sie ist dort anzunehmen, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig, also ergänzungsbedürftig, ist, und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Da das öffentliche Recht, im Besonderen das Verwaltungsrecht, schon von der Zielsetzung her nur einzelne Rechtsbeziehungen unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses zu regeln bestimmt ist, muss eine auftretende Rechtslücke in diesem Rechtsbereich im Zweifel als beabsichtigt angesehen werden. Eine durch Analogie zu schließende Lücke kommt nur dann in Betracht, wenn das Gesetz anders nicht vollziehbar ist oder wenn das Gesetz in eine Regelung einen Sachverhalt nicht einbezieht, auf welchen ‑ unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und gemessen an den mit der Regelung verfolgten Absichten des Gesetzgebers ‑ ebendieselben Wertungsgesichtspunkte zutreffen wie auf die im Gesetz geregelten Fälle und auf den daher - schon zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung - auch dieselben Rechtsfolgen angewendet werden müssen (vgl. etwa VwGH 10.10.2018, Ra 2018/08/0189, mwN).

28 Dass das Gesetz nicht vollziehbar wäre („technische Lücke“), wenn die gegenständlichen selbständigen Ambulatorien nicht vom Grundsatz der dauernden ärztlichen Anwesenheit in der Krankenanstalt ausgenommen sind, wird in der Revision nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich.

29 Die Revision zeigt aber fallbezogen auch nicht auf, dass die Beschränkung der Ausnahmen vom Grundsatz der dauernden ärztlichen Anwesenheit in der Krankenanstalt auf selbständige Ambulatorien für physikalische Therapie verfassungsrechtliche Bedenken ob der Gleichheitskonformität dieser Regelungen begründen würde. Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, auf den der Verfassungsgerichtshof in seinem Ablehnungsbeschluss vom 25. Februar 2020, E 2653/2019-8, hinweist, wenn dieser bei sämtlichen selbständigen Ambulatorien, abgesehen von denen nach § 31 Abs. 2 lit. e K‑KAO, von der Notwendigkeit einer dauernden ärztlichen Anwesenheit in der Krankenanstalt selbst ausgeht.

30 4. Da schon der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Revision ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 31. Juli 2020

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