VwGH Ra 2020/05/0079

VwGHRa 2020/05/007925.6.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision des C W in P, vertreten durch Ing. Dr. Joachim Stock, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Museumstraße 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 6. April 2020, LVwG‑2019/26/1825‑11, betreffend Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Reutte), zu Recht erkannt:

Normen

AWG 2002 §2 Abs5 Z9
AWG 2002 §2 Abs6 Z3
AWG 2002 §24a Abs1
AWG 2002 §79 Abs2 Z6
VStG §44a Z1
VwGG §42 Abs2 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020050079.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Abweisung der Beschwerde des Revisionswerbers gegen Spruchpunkt 3. des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 4. März 2019 (II.2. hinsichtlich Spruchpunkt 3.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Spruchpunkt 3. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 4. März 2019 wurde der Revisionswerber der Übertretung des § 79 Abs. 2 Z 6 iVm § 24a Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG) schuldig erkannt, weil er es zu verantworten habe, seit Oktober 2017, jedenfalls jedoch am 23. Oktober 2017, die Tätigkeit eines Sammlers und Behandlers von nicht gefährlichen Abfällen ausgeübt zu haben, ohne im Besitz der dafür gemäß § 24a Abs. 1 AWG erforderlichen Erlaubnis des Landeshauptmannes zu sein, indem er auf näher bezeichneten Grundparzellen im Bereich F am P‑See Murmaterial, das als Abfall iSd § 2 Abs. 1 AWG zu betrachten sei, gesammelt und behandelt habe. Über ihn wurde eine Geldstrafe in der Höhe von € 2.100,‑ ‑ (für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen) verhängt. Weiters wurde er verpflichtet, 10 % des Strafbetrages als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu tragen.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) ‑ soweit hier relevant ‑ die gegen Spruchpunkt 3. vom Revisionswerber erhobene Beschwerde als unbegründet ab und bestätigte das Straferkenntnis in diesem Spruchpunkt mit der Maßgabe, dass nach dem Wort „Murmaterial“ die Wortfolge „im Ausmaß von 300 m³“ und vor dem Wort „behandelt“ die Wortfolge „mittels eines Wurfgitters und einer Brecheranlage“ eingefügt würden. Weiters verpflichtete es den Revisionswerber, einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von € 420,‑ ‑ zu leisten und sprach aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

3 Begründend ging das Verwaltungsgericht im Wesentlichen davon aus, dass die Firma S von der E AG nach einem Murereignis im Jahr 2016 beauftragt worden sei, ein näher bezeichnetes Murgerinne zu räumen, um im Murgerinne Platz für nachfolgende Ereignisse zu schaffen. Das Murmaterial im Ausmaß von ca. 300 m³ sei zu einem Holzlagerplatz einer Agrargemeinschaft gebracht worden. Beim Murmaterial handle es sich um nicht kontaminiertes Bodenaushubmaterial, das von der E AG in Entledigungsabsicht auf den Holzlagerplatz der Agrargemeinschaft gebracht worden sei. Im Jahr 2017 habe die E AG die Errichtung eines Zufahrtsweges geplant, wofür das immer noch auf dem Lagerplatz befindliche Murmaterial hätte verwendet werden sollen. Für diesen Zweck sei dem Revisionswerber der Auftrag zur Aufbereitung des Murmaterials erteilt worden. Der Revisionswerber habe die Aufbereitung mittels Wurfgitter und Brecheranlage vorgenommen, wobei er verschiedene Fraktionen gebildet habe, nämlich feineres und gröberes Material. Die Brecheranlage habe der Zerkleinerung von größerem Gesteinsmaterial gedient. Der Revisionswerber habe das Material auf dem Holzlagerplatz entgegengenommen bzw. übernommen, sodann die Aufbereitung durchgeführt und schließlich das aufbereitete Material wiederum der E AG überlassen. Die Aufbereitung habe nur einen vorübergehenden kurzen Zeitraum im Oktober 2017 beansprucht. Im Zeitpunkt der Aufbereitung habe der Revisionswerber über keine Erlaubnis durch den Landeshauptmann zur Sammlung und Behandlung von Abfällen nach dem AWG verfügt. Erst seit Februar 2019 verfüge er über eine derartige Erlaubnis.

4 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht zur Übertretung des § 79 Abs. 2 Z 6 iVm § 24a AWG aus, das Murmaterial sei als Abfall im Sinne des AWG einzustufen, da der in § 2 Abs. 1 Z 1 AWG beschriebene subjektive Abfallbegriff verwirklicht sei. Der Revisionswerber hätte für die Behandlung und Sammlung eine Erlaubnis des Landeshauptmannes gebraucht. Über eine solche Erlaubnis habe er zum damaligen Zeitpunkt nicht verfügt.

5 Zur Konkretisierung des Spruches führte das Verwaltungsgericht aus, die konkrete Tathandlung, nämlich die Aufbereitung von Murmaterial im Ausmaß von 300 m³ mittels eines Wurfgitters und einer Brecheranlage sei dem Revisionswerber in der Anlastung zum (mit dem angefochtenen Erkenntnis aufgehobenen) Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses vorgeworfen worden, und zwar bereits im Rahmen der Aufforderung zur Rechtfertigung. Das Verwaltungsgericht sei daher zu einer Spruchpräzisierung berechtigt gewesen.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vorliegende Revision ‑ soweit sie sich gegen die Abweisung der Beschwerde des Revisionswerbers gegen Spruchpunkt 3. des Straferkenntnisses richtet ‑ erwogen:

8 Die Revision erweist sich angesichts des aufgezeigten Abweichens von der hg. Judikatur zu den Anforderungen an die Konkretisierung der Tat als zulässig.

9 Der Revisionswerber bringt in der Revision im Wesentlichen vor, es fehle jegliche Tatumschreibung bezüglich des Tatbestandsmerkmals „Abfall“. Es wäre im Spruch zu präzisieren gewesen, warum es sich bei Murmaterial um Abfall handle und ob und aufgrund welcher Umstände die subjektive oder objektive Abfalleigenschaft vorliege. Weiters fehle die Tatumschreibung des Tatbestandsmerkmals „Sammeln“ bzw. „Abfallsammler“. Auch sei im Spruch zu umschreiben, durch welche konkreten Handlungen eine „Sammlung“ verwirklicht worden sei (Abholen, Entgegennehmen, rechtlich über Abholung oder Entgegennahme verfügen). Dies gelte auch für das Tatbestandsmerkmal des „Behandelns“ (Verwerten oder Beseitigen). Damit sei das Verwaltungsgericht von näher dargestellter Judikatur zu den Anforderungen an die Konkretisierung der Tat abgewichen; es liege ein Verstoß gegen § 44a VStG vor.

10 Nach ständiger hg. Judikatur sind maßgebliche Gesichtspunkte bei der Konkretisierung der Tat ‑ und der Frage, ob eine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt wurde ‑ die Wahrung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und die Vermeidung der Gefahr einer Doppelbestrafung. § 44a Z 1 VStG ist ‑ unter Rechtsschutzüberlegungen ‑ dann entsprochen, wenn im Spruch des Strafbescheides dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. etwa VwGH 26.2.2020, Ra 2019/05/0305, mwN).

11 Im Revisionsfall wird weder in der Aufforderung zur Rechtfertigung noch im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses ausgeführt, durch welche Handlung der Revisionswerber die Tätigkeit eines Sammlers nicht gefährlicher Abfälle verwirklicht habe.

12 Nach § 2 Abs. 5 Z 9 AWG 2002 ist „Sammlung“ das Einsammeln von Abfällen durch Abholung, Entgegennahme oder rechtliches Verfügen über die Abholung oder Entgegennahme durch einen beauftragten Dritten. Die Sammlung schließt die vorläufige Sortierung und vorläufige Lagerung der Abfälle zum Zwecke des Transports zu einer Behandlungsanlage ein. Nach § 2 Abs. 6 Z 3 leg. cit. ist ein „Abfallsammler“ jede Person, die von Dritten erzeugte Abfälle selbst oder durch andere abholt, entgegennimmt oder über deren Abholung oder Entgegennahme rechtlich verfügt.

13 Im konkreten Fall findet sich im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses allerdings kein Hinweis darauf, dass der Revisionswerber von Dritten erzeugte Abfälle selbst oder durch andere abgeholt, entgegengenommen oder über deren Abholung oder Entgegennahme rechtlich verfügt habe. Der Tatvorwurf entspricht daher insofern nicht den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG.

14 Dagegen vermag der Revisionswerber mit dem weiteren Vorbringen zur fehlenden Konkretisierung in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal „Abfall“ und „Behandeln“ keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufzuzeigen. Was das Tatbestandselement des „Abfalls“ betrifft, genügt der Hinweis darauf, dass der vom Verwaltungsgericht bestätigte Spruch des Straferkenntnisses die Abfallart durch die Angabe der Schlüsselnummer und Spezifikation bestimmt hat. Es ist auch nicht erkennbar, weshalb die Umschreibung der Tathandlung des „Behandelns“ durch die Angabe, der Revisionswerber habe Murmaterial mittels eines Wurfgitters und einer Brecheranlage aufbereitet, nicht als für den Zweck der Verteidigung und zur Hintanhaltung einer Doppelbestrafung ausreichend angesehen werden könnte. Unter dem hier angesprochenen Aspekt der ausreichenden Umschreibung der Tathandlung spielt es auch keine Rolle, ob die angelastete Behandlung nun rechtlich als Verwertung oder als Beseitigung zu qualifizieren ist.

15 Dadurch, dass das Verwaltungsgericht den Spruch des angefochtenen Erkenntnisses in Bezug auf die dem Revisionswerber angelastete Tätigkeit eines „Sammlers“ von nicht gefährlichen Abfällen nicht ausreichend konkretisiert hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 25. Juni 2021

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte