Normen
BauO Wr §60 Abs1 litd idF 2018/037
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020050006.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (in der Folge: Magistrat) vom 2. Juli 2018 wurde gegenüber dem Revisionswerber als Bauherr und Grundeigentümer gemäß § 127 Abs. 8a iVm § 127 Abs. 8 lit. a der Bauordnung für Wien (in der Folge: BO für Wien) angeordnet, die Bauführung zum Abbruch eines Gebäudes auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien einzustellen. Es liege keine Bestätigung des Magistrates gemäß § 62a Abs. 5a BO für Wien vor, gegenständlich handle es sich daher um einen gemäß § 60 Abs. 1 lit. d leg. cit. bewilligungspflichtigen Abbruch. Eine solche Bewilligung sei bislang nicht erteilt worden.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (in der Folge: Verwaltungsgericht) die vom Revisionswerber gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde ab (I.) und erklärte eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig (II.).
3 Dazu führte es, soweit hier relevant, aus, die Bewilligung für das gegenständliche Haus sei vermutlich vor dem 1. Jänner 1945 erteilt worden. Das Haus sei als Amtsgebäude der Polizei in Verwendung gewesen und durch den Revisionswerber im Jahr 2015 von der Bundesimmobilienverwaltung erworben worden. Der Revisionswerber habe vor Inkrafttreten des Landesgesetzblattes Nr. 37/2018, also vor dem 30. Juni 2018, den nach damaliger Rechtslage für das gegenständliche Gebäude noch bewilligungsfreien Abbruch angezeigt und auch vor dem 30. Juni 2018 mit den Abbrucharbeiten rechtmäßig begonnen. Eine Bescheinigung des Magistrates gemäß § 62a Abs. 5a BO für Wien darüber, dass an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse bestehe, habe der Revisionswerber nicht eingeholt. Eine weitere Ausnahme vom Bewilligungserfordernis der Abbrucharbeiten für solche Abbrucharbeiten, die vor dem 30. Juni 2018 rechtmäßig begonnen worden seien, sehe das Gesetz nicht vor. Sofern der Revisionswerber daher nicht eine Bescheinigung des Magistrates gemäß § 62a Abs. 5a BO für Wien erlangen sollte, obliege es ihm, gemäß § 60 Abs. 1 lit. d BO für Wien in der Fassung LGBl. Nr. 37/2018 die Bewilligung des Abbruches des Gebäudes zu beantragen und im Rahmen dieses Bewilligungsverfahrens ins Treffen zu führen, dass er mit den Abbrucharbeiten bereits rechtmäßig nach alter Rechtslage begonnen habe. Aus den Grundrechten auf Eigentum und Erwerbsausübungsfreiheit lasse sich nicht ableiten, dass es dem Landesgesetzgeber verwehrt wäre, ab einem bestimmten Stichtag Abbrucharbeiten, auch wenn diese bereits begonnen worden seien, einem Bewilligungserfordernis zu unterstellen. Warum es dem Gebäudeeigentümer nicht zumutbar sein solle, seinen behaupteten Anspruch auf Abbruch des Gebäudes in einem solchen Bewilligungsverfahren durchzusetzen und der vorgesehene Rechtszug eines Bewilligungsverfahrens bereits eine Verletzung in Grundrechten sein solle, sei für das Verwaltungsgericht nicht nachvollziehbar.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 3. Oktober 2019, E 4946/2018‑8, E 4997/2018-7, E 5087/2018-8, ablehnte. Mit weiterem Beschluss vom 6. November 2019, E 4946/2018-12, E 4997/2018‑11, E 5087/2018-12, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
5 Nunmehr richtet sich gegen dieses Erkenntnis die vorliegende Revision.
6 Der Magistrat erstattete eine Revisionsbeantwortung, in welcher er (u.a.) ausdrücklich ausführt, aufgrund des unstrittig feststehenden Sachverhaltes, der jenem, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Mai 2019, Ro 2019/05/0012, zugrundelag, gleicht, werde dem Revisionsvorbringen nicht entgegengetreten.
7 Die Revision ist in Anbetracht der in der Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) aufgeworfenen Rechtsfrage, ob vor dem Inkrafttreten des LGBl. für Wien Nr. 37/2018 bereits rechtmäßig begonnene Abbrucharbeiten an vor dem 1. Jänner 1945 errichteten Gebäuden, wenn eine Bestätigung des Magistrates im Sinne des § 62a Abs. 5a BO nicht vorgelegt wurde, einer Bewilligungspflicht unterlägen und mit einem Auftrag zur Baueinstellung vorgegangen werden dürfe oder ob die rechtmäßig begonnenen Abbrucharbeiten ohne Bewilligung weitergeführt werden dürften, zulässig; zutreffend verweist die Revision auf einen Widerspruch zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Mai 2019, Ro 2019/05/0012. Ihr kommt aus diesem Grund auch Berechtigung zu.
8 Mit der Neufassung des § 60 Abs. 1 lit. d BO durch die am 30. Juni 2018 in Kraft getretene Novelle LGBl. für Wien Nr. 37/2018 wurde normiert, dass für den Abbruch von Gebäuden, die vor dem 1. Jänner 1945 errichtet wurden, dann eine Baubewilligungspflicht gegeben ist, wenn der Anzeige des Abbruches gemäß § 62a Abs. 5a leg. cit. keine Bestätigung des Magistrates angeschlossen ist, dass an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse besteht. Auf dem Boden dieser Rechtslage erging der gegenständliche Auftrag zur Baueinstellung wegen fehlender Baubewilligung. Der Feststellung des Verwaltungsgerichtes im angefochtenen Erkenntnis, dass das verfahrensgegenständliche Gebäude vor dem 1. Jänner 1945 errichtet wurde, trat keine Verfahrenspartei entgegen; auch aus den vorgelegten Verfahrensakten ergeben sich keine gegenteiligen Anhaltspunkte.
9 Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem nach dem angefochtenen Erkenntnis erlassenen Erkenntnis vom 28. Mai 2019, Ro 2019/05/0012, in einem gleichgelagerten Fall, in dem mit Abbrucharbeiten bereits vor Inkrafttreten der Novelle LGBl. für Wien Nr. 37/2018 begonnen worden war und diese auch im Zeitpunkt der Erlassung des Baueinstellungsbescheides des Magistrates noch nicht abgeschlossen waren, ausgesprochen hat, ist für die Frage, ob eine Baubewilligung erforderlich ist, die Rechtslage, die bei Beginn der Ausführung des Bauvorhabens (hier: des Abbruches) gegolten hat, heranzuziehen. Zur weiteren Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen.
10 Im vorliegenden Revisionsfall, in dem unbestritten mit den Abbrucharbeiten bereits vor dem 30. Juni 2018 begonnen worden war und diese bei Erlassung des genannten Bescheides nicht abgeschlossen waren, bestand im Zeitpunkt des maßgeblichen Beginnes des Abbruches aufgrund des § 60 Abs. 1 BO iVm § 62a leg. cit. in der Fassung vor Inkrafttreten der genannten Novelle keine Baubewilligungspflicht, sodass für den genannten Auftrag zur Baueinstellung keine rechtliche Grundlage bestand (vgl. zum Ganzen nochmals das Erkenntnis VwGH 28.5.2019, Ro 2019/05/0012).
11 Das angefochtene Erkenntnis war daher - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
12 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 15. Februar 2022
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