Normen
SPG 1991 §2 Abs2
SPG 1991 §88 Abs2
StPO 1975 §47
StPO 1975 §47 Abs1 Z2
StPO 1975 §47 Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020010229.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (Verwaltungsgericht) wurde die Verhaltensbeschwerde des Revisionswerbers nach § 88 Abs. 2 SPG gegen die Entscheidung von Organen der Landespolizeidirektion Steiermark, mit der das Vorliegen eines Befangenheitsgrundes nach § 47 Abs. 3 StPO verneint wurde, gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen (I.), der Revisionswerber gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG zu näher bezeichnetem Aufwandersatz verpflichtet (II.)und eine ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt (III.).
2 Die Zurückweisung begründete das Verwaltungsgericht zusammengefasst damit, dass gemäß § 47 StPO das Vorliegen von Befangenheitsgründen (ausschließlich) vom Leiter der jeweiligen Behörde im (internen) Dienstaufsichtsweg zu beurteilen sei und dem Revisionswerber nach dieser Bestimmung kein subjektives Recht erwachse.
3 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision bringt in ihrer (alleine maßgeblichen) Zulässigkeitsbegründung zusammengefasst vor, die Frage, ob ein Beschuldigter in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren die Möglichkeit habe, die Entscheidung des Behördenleiters in der Frage der Befangenheit (§ 47 Abs. 3 StPO) einer gerichtlichen Kontrolle (gemeint: nach § 88 Abs. 2 SPG) zu unterziehen, sei noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gewesen und habe weit über den Einzelfall hinaus Bedeutung.
8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verhaltensbeschwerde nach § 88 Abs. 2 SPG eine solche, die sich auf Verwaltungsakte im Bereich der Sicherheitsverwaltung bezieht und kommt damit nur innerhalb der Sicherheitsverwaltung in Frage. Die danach eingeräumte Beschwerdemöglichkeit umfasst jene Fälle, in denen ein Eingriff in Rechte Dritter durch Maßnahmen der Sicherheitsverwaltung weder durch eine Verordnung, einen Bescheid noch durch die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt erfolgt. Anfechtungsgegenstand sind sohin schlicht-hoheitliche Handlungen im Rahmen der Sicherheitsverwaltung. Die Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung sind in § 2 Abs. 2 SPG taxativ aufgezählt. Die Aufgaben der Sicherheitsbehörden und der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Rahmen der StPO, namentlich bei der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, gehören nicht dazu; das Behördenhandeln im Dienste der Strafjustiz („Kriminalpolizei“) zählt nicht zur Sicherheitspolizei bzw. Sicherheitsverwaltung (vgl. zu allem VwGH 28.3.2017, Ra 2017/01/0059, mwN; vgl. zwischenzeitlich zum Gegenstand einer Verhaltensbeschwerde nach § 88 Abs. 2 auch VwGH 25.6.2019, Ra 2017/19/0261, mwN).
9 Die Entscheidung des Leiters der Behörde nach § 47 Abs. 3 StPO stellt Behördenhandeln im Dienste der Strafjustiz („Kriminalpolizei“) dar:
10 So spricht bereits der Wortlaut des § 47 StPO vom „Organ der Kriminalpolizei“ und regelt (wie bereits die Überschrift erkennen lässt) die „Befangenheit von Kriminalpolizei“. In diesem Sinne stellt § 47 StPO (in Abs. 1 Z 2) auf die Funktion als solche ab (vgl. Lässig in Fuchs/Ratz, Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung [181. Lieferung 2012], Rz. 2 zu § 47). Die im Dienstaufsichtsweg zu treffenden Veranlassungen durch den jeweiligen Behördenleiter (vgl. Lässig aaO, Rz. 7 zu § 47) erfolgen sohin in dieser Funktion (vgl. zur „Veranlassung“ der Vertretung im kriminalpolizeilichen Bereich über einen Vorgesetzten Lässig aaO, Rz. 5 zu § 47).
11 Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG vor; das selbst dann, wenn zu einer Frage der Auslegung der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. VwGH 15.5.2019, Ro 2019/01/0006, mwN).
12 Daher kann in der vorliegenden Revisionssache ‑ ungeachtet der Frage, ob nach § 47 StPO ein diesbezüglicher Anspruch des Beschuldigten überhaupt besteht (vgl. auch hiezu VwGH 28.3.2017, Ra 2017/01/0059) ‑ auf die bestehende, oben angeführte Rechtsprechung verwiesen werden, nach der in einem solchen Fall die Beschwerdemöglichkeit nach § 88 Abs. 2 SPG nicht gegeben ist.
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 2. September 2020
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