VwGH Ra 2020/01/0177

VwGHRa 2020/01/01776.7.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Gnilsen, über die Revision des Z R, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7‑11/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. April 2020, Zl. W153 2183668‑1/18E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020010177.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Sache den Antrag des Revisionswerbers, eines afghanischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz vollinhaltlich ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei, setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest und sprach aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

2 Begründend verneinte das BVwG eine asylrelevante Verfolgungsgefahr und führte aus, dem Revisionswerber sei eine Rückkehr in seine Herkunftsstadt Kabul möglich. Aufgrund der allgemeinen Gegebenheiten und der persönlichen Umstände des Revisionswerbers stehe ihm darüber hinaus eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative (IFA) in Mazar‑e Sharif und Herat zur Verfügung.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Dem Zulässigkeitsvorbringen, das BVwG habe sich „mit keinem Wort“ mit den Auswirkungen der aktuellen Covid‑19‑Pandemie auseinandergesetzt, ist entgegen zu halten, dass das BVwG entsprechende Feststellungen getroffen hat. Es traf weiters die Feststellung, dass der junge, gesunde Revisionswerber keine maßgeblichen Vorerkrankungen aufweise und daher nicht zur Risikogruppe zähle.

7 Davon ausgehend legt die Revision mit ihren pauschalen Zulässigkeitsausführungen nicht dar, dass solche exzeptionellen Umstände vorlägen, die eine Verletzung der nach Art. 3 EMRK garantierten Rechte des Revisionswerbers darstellten (vgl. zur Covid‑19‑Pandemie VwGH 23.6.2020, Ra 2020/20/0188, sowie den Beschluss vom heutigen Tag VwGH Ra 2020/01/0176, jeweils mwN).

8 Soweit sich die Revision gegen die vom BVwG angenommene Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative wendet, hängt das Schicksal der Revision nicht von dieser Frage ab, weil das BVwG auch eine Rückkehr des Revisionswerbers in die Herkunftsstadt Kabul für möglich erachtete. Die vom BVwG zusätzlich herangezogene Möglichkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative ist somit lediglich eine Alternativbegründung (vgl.etwa VwGH 13.11.2019, Ra 2019/01/0326, mwN).

9 Schließlich ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen ‑ wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG. Die durch das BVwG durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist nur dann vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifen, wenn das BVwG die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien bzw. Grundsätze nicht beachtet und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen hat (vgl. für viele VwGH 5.11.2019, Ro 2019/01/0008 mwN). Dass das BVwG die Interessenabwägung in derart unvertretbarer Weise vorgenommen hätte, zeigt die Revision in ihrer diesbezüglichen Zulässigkeitsbegründung nicht auf.

10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 6. Juli 2020

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