Normen
B-VG Art133 Abs4
NAG 2005 §47 Abs3 Z3 lita
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019220119.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein ukrainischer Staatsangehöriger, verfügte zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung "Studierender" mit einer Gültigkeit bis zum 13. Mai 2017. Am 25. April 2017 beantragte er zunächst die Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung, am 3. Dezember 2017 stellte er dann einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung
- Angehöriger" nach § 47 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).
2 Mit Bescheid vom 25. Juli 2018 wies der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde) den Zweckänderungsantrag des Revisionswerbers als unbegründet ab, weil die Voraussetzungen für den beantragten Aufenthaltszweck nicht erfüllt seien. Begründend ging die belangte Behörde davon aus, dass keine glaubhaften Nachweise dafür erbracht worden seien, dass dem Revisionswerber durch seinen als Zusammenführenden anzusehenden österreichischen Stiefvater im Herkunftsstaat Unterhalt geleistet worden sei. 3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 27. Februar 2019 wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt.
Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Relevanz - folgenden Sachverhalt zugrunde: In seinen Anträgen auf Erteilung bzw. Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung "Studierender" habe der Revisionswerber zum Nachweis der erforderlichen Unterhaltsmittel auf Eigenmittel bzw. eigene Einkünfte in jeweils näher angeführter Höhe verwiesen. Der Revisionswerber sei auch derzeit geringfügig beschäftigt. Die Mutter des Revisionswerbers habe seit Beginn ihres Aufenthaltes in Österreich im Dezember 2011 den Lebensunterhalt des Revisionswerbers in der Ukraine durch einen Geldbetrag von EUR 100,- monatlich finanziert. Anfang 2014 habe die Mutter des Revisionswerbers ihren späteren Ehemann (den nunmehrigen Zusammenführenden), einen österreichischen Staatsbürger, kennengelernt; die Hochzeit erfolgte im August 2016. Eine Unterhaltsleistung des Zusammenführenden an den Revisionswerber sei ebenso wenig festgestellt worden wie ein Unterhaltsbedarf des Revisionswerbers seit seinem Aufenthalt in Österreich.
Zu den nicht festgestellten Unterhaltsleistungen des Zusammenführenden hielt das Verwaltungsgericht in seinen beweiswürdigenden Überlegungen - auf das Wesentliche zusammengefasst - Folgendes fest: Die Angaben zu den Geldzahlungen durch den Zusammenführenden seien (hinsichtlich der Häufigkeit und der Zeitpunkte der Geldübergaben) widersprüchlich gewesen. Es sei weder glaubhaft, dass der Zusammenführende Unterhaltszahlungen im Wege von ihm unbekannten Damen geleistet habe (während die Mutter des Revisionswerbers Geldbeträge im Wege eines Busfahrers geschickt habe), noch, dass er bereits seit März 2014 Unterhalt an den ihm damals noch unbekannten Revisionswerber gezahlt habe. Auch die Angaben zu den Unterhaltszahlungen durch den Zusammenführenden an den Revisionswerber nach dessen Einreise in Österreich seien widersprüchlich gewesen.
Selbst wenn man aber von den behaupteten Geldübergaben ausgehen würde, wären diese als fallweise Geldgeschenke anzusehen, weil der Revisionswerber in der Ukraine - nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung - von seiner Mutter monatlich regelmäßige Unterhaltszahlungen in der Höhe von EUR 100,- erhalten und (nur) einen Betrag von EUR 40,- bzw. von EUR 48,- bis EUR 63,-
benötigt habe. Zudem habe der Revisionswerber in den Verfahren zur Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung "Studierender" stets ausreichende finanzielle Eigenmittel in Form von Kontoguthaben nachgewiesen, wobei diese Mittel von seiner Mutter stammten. Der Zusammenführende sei in diesen Verfahren niemals (etwa als "Financier") in Erscheinung getreten.
In seinen rechtlichen Erwägungen verwies das Verwaltungsgericht zunächst auf (näher zitierte) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der zufolge die Familienzusammenführung nach § 47 Abs. 3 NAG jene Angehörigen im Blick habe, die auf die Unterhaltsmittel des Zusammenführenden angewiesen seien, und der zufolge Unterhaltsleistungen von freiwilligen Zuwendungen abzugrenzen seien. Unterhaltsleistungen des Zusammenführenden an den Revisionswerber seien nicht festgestellt worden. Selbst wenn man aber von Geldübergaben ausgehen würde, wären diese als freiwillige Zuwendungen anzusehen, weil der Revisionswerber seine Grundbedürfnisse in der Ukraine durch die regelmäßigen Unterhaltsleistungen seiner Mutter abdecken habe können. Während seines Aufenthaltes in Österreich wäre der Revisionswerber nicht auf Unterhaltsmittel des Zusammenführenden angewiesen gewesen, weil er in den Verfahren betreffend die Aufenthaltsbewilligung "Studierender" (der Höhe nach näher dargestellte) ausreichende eigene finanzielle Mittel nachgewiesen habe und zudem seit Februar 2016 mit zwei kurzen Unterbrechungen erwerbstätig gewesen sei. Ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem aktuellen "Nachzug" des Revisionswerbers und dem Unterhaltsbedarf könne nicht hergestellt werden. Die Angehörigeneigenschaft nach § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG sei daher zu verneinen, weshalb es an der besonderen Erteilungsvoraussetzung nach § 47 Abs. 3 NAG mangle.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 6 Gemäß § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG kann einem sonstigen Angehörigen, der vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen hat, eine "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" erteilt werden.
7 Das Verwaltungsgericht stützte sich bei der Abweisung des Antrags des Revisionswerbers darauf, dass keine Unterhaltsleistungen des Zusammenführenden an den Revisionswerber festgestellt hätten werden können. Selbst wenn man von Geldübergaben ausgehen würde, wären diese Zahlungen aber nur freiwillige Zuwendungen gewesen; jedenfalls seit seinem Aufenthalt in Österreich habe der Revisionswerber keinen Unterhaltsbedarf mehr.
8 Der Revisionswerber bringt in seiner Zulässigkeitsbegründung vor, das Verwaltungsgericht habe im Zusammenhang mit den von ihm nicht festgestellten Unterhaltszahlungen des Zusammenführenden an den Revisionswerber nicht alle im Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt und sei somit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Zu den "Unschärfen" in den Aussagen zum zeitlichen Ablauf verweist der Revisionswerber darauf, dass sich die Geldübergaben bereits vor rund fünf Jahren zugetragen hätten. Unberücksichtigt geblieben sei, dass der Zusammenführende den Revisionswerber vor Beginn der Zahlungen "per Skype" kennengelernt habe und dass der Mutter des Revisionswerbers die "Geldbotinnen" sehr gut bekannt gewesen seien.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG im Zusammenhang mit der Überprüfung der Beweiswürdigung nur dann vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Die Beweiswürdigung ist nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorgangs, nicht aber um die konkrete Richtigkeit handelt, sowie wenn es darum geht, ob die in diesem Denkvorgang gewürdigten Beweisergebnisse in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind (vgl. VwGH 20.5.2019, Ra 2018/22/0011, mwN).
10 Eine derartige vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit vermag der Revisionswerber mit seinem Vorbringen fallbezogen nicht aufzuzeigen. Auch wenn einzelnen vom Verwaltungsgericht angeführten Umständen - wie etwa dem einmal erstatteten Vorbringen, Unterhalt nach Georgien (und nicht in die Ukraine) geleistet zu haben - für sich genommen keine entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen mag, zeigt die Revision nicht auf, dass die auf eine Mehrzahl von Aspekten und auf den in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck gestützte Beweiswürdigung unvertretbar wäre. So enthält die Revision zu dem vom Verwaltungsgericht begründend herangezogenen Umstand, in den bisherigen Verfahren betreffend die Aufenthaltsbewilligung "Studierender" seien allfällige Unterhaltszahlungen des Zusammenführenden nicht angegeben worden, kein Vorbringen. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers lässt sich dem angefochtenen Erkenntnis nicht entnehmen, dass das Verwaltungsgericht maßgebliche Aspekte nicht berücksichtigt habe; vielmehr hat das Verwaltungsgericht diese Umstände - in einer von der Auffassung des Revisionswerbers abweichenden Weise - gewürdigt. Soweit das Verwaltungsgericht einzelne Aussagen als nicht glaubwürdig erachtet hat, ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung in der Regel nicht revisibel (vgl. VwGH 12.2.2019, Ra 2019/22/0031, Rn. 8, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, die einer Überprüfung unter den eingangs genannten Gesichtspunkten standhält, mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (VwGH 8.11.2018, Ra 2018/22/0211, Rn. 8, mwN).
11 Der Revisionswerber moniert weiters, das Verwaltungsgericht hätte - im Zusammenhang damit, ob die Geldleistungen des Zusammenführenden als Unterhaltszahlungen oder Geldgeschenke anzusehen gewesen seien - Feststellungen zum Existenzminimum in der Ukraine und zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Revisionswerbers treffen müssen. Hätte das Verwaltungsgericht diese Feststellungen getroffen, wäre es zum Ergebnis gelangt, dass der Revisionswerber von den Zahlungen des Zusammenführenden finanziell abhängig gewesen sei und diese Zahlungen daher nicht als freiwillige Geschenke, sondern als Unterhaltszahlungen einzustufen gewesen wären.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zum Ausdruck gebracht, dass für die Beurteilung der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Antragstellers von Zahlungen durch den Zusammenführenden Feststellungen zum Existenzminimum im Herkunftsstaat erforderlich sein können (siehe VwGH 17.11.2015, Ro 2015/22/0005, Pkt. 4.4.).
13 Es kann allerdings dahingestellt bleiben, ob derartige Feststellungen - im Hinblick darauf, dass das Verwaltungsgericht für die fehlende Abhängigkeit des Revisionswerbers auch seine Aussage in der mündlichen Verhandlung zu dem von ihm benötigten Geldbetrag heranziehen konnte - im vorliegenden Fall erforderlich gewesen wären. Da das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung gestützt auf eine (wie dargestellt) nicht als unschlüssig zu erkennende Beweiswürdigung zugrunde gelegt hat, es seien keine Unterhaltszahlungen des Zusammenführenden an den Revisionswerber in dessen Herkunftsstaat feststellbar gewesen, kommt es auf die Höhe des Existenzminimums in der Ukraine und auf die Selbsterhaltungsfähigkeit des Revisionswerbers insoweit nicht an. 14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
15 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 17. September 2019
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