VwGH Ra 2019/21/0323

VwGHRa 2019/21/032320.4.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24. September 2019, W152 2105318‑1/29E, betreffend Feststellung der dauernden Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung und Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: S D in B V, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z8
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019210323.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte nach seiner Einreise in das Bundesgebiet am 21. Juli 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 17. März 2015 zur Gänze ab (Spruchpunkte I. und II.). Unter einem sprach es aus, dass dem Mitbeteiligten ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß den §§ 57 und 55 AsylG 2005 (von Amts wegen) nicht erteilt werde. Es erließ gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA‑VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Schließlich setzte es gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt III.).

2 Die dagegen erhobene Beschwerde zog der Mitbeteiligte in der vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 12. September 2019 durchgeführten Verhandlung in Bezug auf die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides des BFA vom 17. März 2015 wieder zurück.

3 Hinsichtlich des übrigen, aufrecht erhaltenen Teils der Beschwerde erkannte das BVwG sodann mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 24. September 2019, dass der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und festgestellt werde, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Mitbeteiligten gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA‑VG auf Dauer unzulässig sei. Demzufolge erteilte es dem Mitbeteiligten gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 den Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ (Spruchpunkt A II.).

Unter einem wurde das Beschwerdeverfahren zu den Spruchpunkten I. und II. des eben genannten Bescheides vom 17. März 2015 beschlussmäßig eingestellt (Spruchpunkt A. I.) und insgesamt ausgesprochen, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B).

4 Zur Integration des unbescholtenen, seit Juli 2014 ohne Unterbrechung in Österreich lebenden Mitbeteiligten verwies das BVwG darauf, dass er gute Deutschkenntnisse erworben und ein Sprachzertifikat auf dem Niveau A1 abgelegt habe. Am 16. Juli 2015 sei ihm ein Führerschein (der Klassen AM, A und B) ausgestellt worden. Seit Mai 2018 beziehe er keine Leistungen aus der Grundversorgung und verdiene als vollzeitbeschäftigter Zusteller monatlich € 1.540,‑ ‑ brutto (netto € 1.246,86). Seine Selbsterhaltungsfähigkeit sei daher gewährleistet. Daneben führe er gemeinnützige Tätigkeiten aus, habe einen Freundeskreis in Österreich gewonnen und pflege eine enge Beziehung zu seiner in Wien als anerkannter Flüchtling lebenden Cousine. Bindungen zum Heimatstaat Afghanistan seien dagegen nahezu abgebrochen. Auf Grund des langen, der Dauer des Asylverfahrens geschuldeten Aufenthalts in Österreich überwögen die privaten Interessen des Mitbeteiligten die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung. Die Rückkehrentscheidung sei daher als auf Dauer unzulässig festzustellen. Im Übrigen bejahte das BVwG das Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG 2005.

5 Die dagegen erhobene außerordentliche Amtsrevision des BFA, über die der Verwaltungsgerichtshof ein Vorverfahren durchgeführt hat, in dessen Rahmen der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete, erweist sich als unzulässig:

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

8 Insoweit führt die Amtsrevision aus, hätte der Mitbeteiligte seinen „Antrag auf internationalen Schutz“ (gemeint wohl: die Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II. des Bescheides vom 17. März 2015) zurückgezogen, weil er bewusst, also mit einem unwahren Fluchtvorbringen, einen von vornherein unbegründeten Antrag gestellt hatte, wären die für ihn sprechenden integrationsbegründenden Umstände durch den Missbrauch des Asylwerbern für die Dauer ihres Verfahrens eingeräumten Aufenthaltsrechts maßgeblich relativiert. Da das BVwG nicht aufgeklärt habe, warum der Mitbeteiligte seine Beschwerde zurückgezogen habe, beruhe seine Interessenabwägung auf einem ungeklärten Sachverhalt im Hinblick auf § 9 Abs. 2 Z 8 BFA‑VG. Sein Verfahren erweise sich daher als mangelhaft und weiche „von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes“ ab.

9 Dem ist zu entgegnen, dass das BFA, das an der vom BVwG durchgeführten Beschwerdeverhandlung nicht teilgenommen hat, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kein Vorbringen hinsichtlich einer missbräuchlichen Stellung des (einzigen) durch den Mitbeteiligten eingebrachten Antrages auf internationalen Schutz erstattet hat. Auch sonst können den vorgelegten Verwaltungsakten keine Hinweise für eine missbräuchliche Antragstellung entnommen werden, die für das BVwG Anlass geboten hätten, Überlegungen in diese Richtung anzustellen. Gründe für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs werden im Übrigen auch in der Revision nicht inhaltlich konkretisiert.

10 Mit dem dargestellten Vorbringen zeigt die Revision daher nichts auf, was das Vorliegen einer wesentlichen Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG begründen könnte, sodass sie gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen war.

11 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014. Das darin nicht gedeckte Mehrbegehren war abzuweisen.

Wien, am 20. April 2020

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