VwGH Ra 2019/20/0089

VwGHRa 2019/20/008912.8.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des N D K, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116/17-19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. September 2018, Zl. W258 2144207-1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §8
B-VG §133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200089.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 21. Februar 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte er zusammengefasst aus, er sei aus Afghanistan geflohen, weil sein Vater 30 Jahre als General für das afghanische Militär gearbeitet habe. Deswegen sei sein Vater als Christ angesehen und von den Paschtunen angefeindet worden. Auch seine Verwandten würden seine Familie verachten. Seit einem Bombenanschlag, der seinen Vater zur Aufgabe seiner Tätigkeit für das afghanische Militär bringen sollte, arbeite sein Vater nicht mehr. Der Revisionswerber selbst sei wegen der Arbeit seines Vaters in der Schule gemobbt und geschlagen worden. 2 Mit Bescheid vom 13. Dezember 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei und legte eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. 3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Mit Beschluss vom 12. Dezember 2018, E 4346/2018-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde ab und trat diese mit Beschluss vom 15. Jänner 2019, E 4346/2018-9, über nachträglichen Antrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das BVwG lasse bei der Prüfung, ob dem Revisionswerber im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 bzw. 3 EMRK drohe, eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob sich aufgrund der (früheren) Tätigkeit des Vaters bei der afghanischen Nationalarmee sowie aufgrund des gelebten westlichen Lebensstils des Revisionswerbers Gefährdungsmomente ergeben, die in der persönlichen Situation des Revisionswerber begründet seien, gänzlich vermissen und sei zudem seiner amtswegigen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen.

9 Damit macht die Revision Verfahrensmängel geltend, die schon deshalb nicht relevant sind, weil sich das BVwG mit dem Vorbringen zu den Fluchtgründen des Revisionswerbers in einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung auseinandergesetzt hat. Es ist dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers nicht gefolgt und damit von der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens ausgegangen. Zudem verkennt die Revision, dass das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, unter näheren beweiswürdigenden Überlegungen festgestellt hat, dass sich der Revisionswerber zwar westlich kleide, einen westlichen Haarschnitt trage und ab und zu Alkohol trinke, er abgesehen davon jedoch keine westlichen Werte übernommen habe.

10 Das BVwG setzte sich auch mit dem vom Revisionswerber erstatteten Vorbringen zu seiner Glaubensüberzeugung auseinander und kam letztlich in einer nicht unvertretbaren Weise zum Ergebnis, dass der Revisionswerber weder vom Islam abgefallen noch zum Christentum konvertiert sei und dies auch nicht von Dritten in Afghanistan angenommen werde. Daran könne auch das Tragen einer Halskette sowie ein Antrag auf Feststellung der Nichtzugehörigkeit zur islamischen Glaubensgemeinschaft nichts ändern. 11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 31.1.2019, Ra 2019/20/0028, mwN). Einen derart krassen Fehler des BVwG vermag die Revision nicht darzulegen.

12 Auch mit dem Hinweis auf die in der Provinz herrschende "Rekorddürre" gelingt es der Revision nicht, die Einschätzung des BVwG, wonach dem Revisionswerber eine innerstaatliche Fluchtalternative (IFA) in Mazar-e Sharif offen stehe, zu entkräften. Das BVwG setzte sich mit der in der Revision thematisierten Problematik betreffend das als zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefasste Gebiet (Mazare Sharif) auseinander und traf konkrete, sowohl die persönliche Situation des Revisionswerbers als auch die allgemeine Lage (Sicherheits- und Versorgungslage) im Herkunftsstaat betreffende Feststellungen. Es hat in weiterer Folge eine auf den Einzelfall Bedacht nehmende Zumutbarkeitsprüfung der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Mazar-e Sharif durchgeführt. Vor dem Hintergrund der fallbezogenen, die individuelle Situation des Revisionswerbers näher beleuchtenden Feststellungen des BVwG vermag die Revision keine besonderen Umstände aufzuzeigen, weshalb dem Revisionswerber ein Leben in Mazar-e Sharif als innerstaatliche Fluchtalternative nicht zumutbar wäre (vgl. VwGH 7.5.2019, Ra 2019/20/0144 sowie 29.4.2019, Ra 2019/20/0154, jeweils mwN).

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. August 2019

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