VwGH Ra 2019/15/0144

VwGHRa 2019/15/014425.6.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der Mag. D G in K, vertreten durch Mag. Julia Eckhart, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 15. Juli 2019, Zl. VGW‑002/085/11102/2018, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), zu Recht erkannt:

Normen

GSpG 1989 §2 Abs2
GSpG 1989 §2 Abs4
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019150144.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 27. Juni 2018 wurde die Revisionswerberin der zweifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt. Es wurden über sie zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils 5.000 € (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Sie habe ein näher genanntes Lokal gegen Entgelt einem näher genannten Glücksspielveranstalter zur Verfügung gestellt, um fortgesetzt Einnahmen aus verbotenen Ausspielungen zu erzielen.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und bestätigte das Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass die Tatanlastung laute:

„Sie haben sich an zur Teilnahme vom Inland aus verbotenen Ausspielungen unternehmerisch beteiligt, indem Sie der Firma [...] die Räumlichkeiten des Lokals [...] in Wien [...], gegen Entgelt zur Verfügung gestellt haben, um fortgesetzt Einnahmen aus den mit den Eingriffsgegenständen veranstalteten Glücksspielen zu erzielen, wobei der Betrieb der Glücksspielgeräte

1) Memory Skill ohne Seriennummer (FA Nr. 1)

2) Memory Skill ohne Seriennummer (FA Nr. 2)

und des dazugehörenden Ein- und Auszahlungsgerätes ohne Seriennummer (FA Nr. 3) im Zuge der Kontrolle durch Kontrollorgane der Finanzpolizei Team 22 am 28.11.2017 im Zeitraum von 12:15 Uhr bis 13:15 festgestellt wurde.

Die Räumlichkeiten wurden gegen Entgelt dem Glücksspielveranstalter zur Verfügung gestellt, um fortgesetzt Einnahmen aus den verbotenen Ausspielungen, vor allem Walzenspiele in unterschiedlichen Einsatzhöhen, zu erzielen, an denen vom Inland aus teilgenommen werden konnte.“

3 Das Verwaltungsgericht Wien zitierte die Strafsanktionsnorm mit „§ 52 Abs. 2 2. Strafsatz GSpG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Einleitungssatz GSpG“, ergänzte die Fundstellen der gesetzlichen Bestimmungen und verpflichtete die Revisionswerberin zur Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 2.000 €. Weiters sprach es aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, welche zu ihrer Zulässigkeit u.a. vorbringt, es fehle nähere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum Tatbild der unternehmerischen Beteiligung an verbotenen Ausspielungen durch die bloße Untervermietung eines Lokals. Zudem habe das Verwaltungsgericht in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs keine nachvollziehbaren Feststellungen getroffen, aus denen ableitbar wäre, dass die Revisionswerberin Kenntnis davon gehabt habe, dass im revisionsgegenständlichen Lokal Glücksspiele angeboten würden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne allein aus der Aufforderung zur Rechtfertigung der Landespolizeidirektion Wien, welche der Revisionswerberin am 19. September 2017 (und somit nach Abschluss des gegenständlichen Untermietvertrags) zugestellt worden sei und die sich auf die Untervermietung eines anderen Lokals beziehe, nicht geschlossen werden, dass die Revisionswerberin die gegenständlichen Räumlichkeiten gegen Entgelt zur Verfügung gestellt habe, um fortgesetzt Einnahmen aus den mit den Eingriffsgegenständen veranstalteten Glücksspielen zu erzielen. Darüber hinaus sei aus dem Umstand, dass die Geräte nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts in einem Raum mit der Aufschrift „Privat“ aufgestellt und nicht eingeschaltet gewesen seien, zu schließen, dass die Revisionswerberin auch bei Aufgebot der notwendigen Sorgfalt nicht hätte feststellen können, dass im untervermieteten Lokal verbotene Ausspielungen betrieben würden. Das Gericht bleibe eine Erklärung schuldig, weshalb die Revisionswerberin davon gewusst habe bzw. hätte wissen müssen, dass ihre Untermieterin am revisionsgegenständlichen Standort verbotene Ausspielungen veranstalte.

5 Die belangte Behörde verzichtete auf die Erstattung einer Revisionsbeantwortung.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Die vorliegende Revision ist zulässig und begründet.

8 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach erkannt hat, kommt als Täter, der im Sinne des ersten Tatbildes des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG veranstaltet, in Betracht, wer das Spiel auf seine Rechnung und Gefahr ermöglicht, also das Risiko des Gewinns und Verlusts in seiner Vermögenssphäre trägt. Dagegen ist mit dem vierten Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG eine Person gemeint, die nicht Veranstalter ist, sondern sich nur in irgendeiner Weise an der Veranstaltung unternehmerisch im Sinn des § 2 Abs. 2 GSpG beteiligt (vgl. VwGH 14.7.2017, Ra 2016/17/0264, mwN).

9 Zur Erfüllung dieses Tatbestandes bedarf es weder einer unmittelbaren Rechtsbeziehung zwischen den Spielern und dem an den Ausspielungen Beteiligten im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 letzte Variante GSpG, noch einer sonstigen „Ausübungshandlung“ bei der konkreten Durchführung der einzelnen Ausspielung des nach dieser letzten Variante zur Verantwortung gezogenen Beteiligten (vgl. VwGH 22.8.2018, Ra 2017/17/0442, sowie 27.6.2019, Ra 2019/15/0021 bis 0022).

10 Von diesem Tatbild ist ‑ wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits ausgesprochen hat ‑ beispielsweise die unternehmerische Vermietung von mit den Glücksspielgeräten fest verbundenen Banknotenlesegeräten erfasst. Dabei hat der Gerichtshof jedoch auch festgehalten, dass eine Ausuferung der Reichweite des Straftatbestandes der unternehmerischen Beteiligung im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG derart, dass etwa sämtliche Versorgungsunternehmen für Strom und Internet von einer Strafbarkeit erfasst würden, bei rechtsrichtiger Auslegung nicht zu befürchten sei, weil diese Unternehmer regelmäßig nicht mit Glücksspielgeräten fest verbaute Banknotenlesegeräte vermieten bzw. Verträge über die Weiterleitung von Spielaufträgen abschließen, sondern keine Kenntnis von der Tätigkeit ihres Auftragnehmers haben (VwGH 14.7.2017, Ra 2016/17/0264).

11 Auch das entgeltliche Überlassen von Räumlichkeiten kann das vierte Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG erfüllen (vgl. VwGH 15.12.2017, Ra 2017/17/0012; 14.8.2018, Ra 2017/17/0357; 14.11.2018, Ra 2017/17/0488). Dies setzt aber insbesondere entsprechende Feststellungen zur subjektiven Tatseite der die Räumlichkeiten überlassenden Person voraus.

12 Um dies beurteilen zu können, sind im Allgemeinen Feststellungen zum Kenntnisstand der sich unternehmerisch beteiligenden Person betreffend die Tätigkeit der Person erforderlich, die unmittelbar zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht (vgl. VwGH 30.8.2019, Ra 2018/17/0162) oder bedarf es der Feststellung anderer Anhaltspunkte ‑ etwa aus der konkreten Ausgestaltung der (Unter)Mietverhältnisse ‑ für eine subjektiv vorwerfbare unternehmerische Beteiligung iSd vierten Tatbildes des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG (vgl. VwGH 15.12.2017, Ra 2017/17/0012, Rz 13). Dies zeigt sich gerade bei der entgeltlichen Überlassung von Räumlichkeiten, wo ‑ anders als bei mit Glücksspielgeräten fest verbauten Banknotenlesegeräten ‑ für den Überlasser eine mögliche unternehmerische Beteiligung an verbotenen Ausspielungen nicht ohne besondere Indizienlage hinsichtlich der Nutzung des von ihm überlassenen Objektes erkennbar und somit subjektiv vorwerfbar ist.

13 Im Revisionsfall stellte das Verwaltungsgericht fest, dass die Revisionswerberin selbst Mieterin und in der Folge Untervermieterin des verfahrensgegenständlichen Lokales gewesen sei. Ihr Hauptmietverhältnis sei auf unbestimmte Dauer abgeschlossen worden, wobei als monatlicher Mietzins 1.462,99 € vereinbart worden sei. Die Untermiete sei ebenfalls auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden, wobei der Untermietzins 1.501,99 € betrage. Ein Sonderkündigungsrecht im Falle der Nichteinholung behördlicher Bewilligungen - wie im Hauptmietvertrag - sei nicht vereinbart worden.

14 Weiters traf das Verwaltungsgericht die Feststellung, dass von der Landespolizeidirektion Wien gegen die Revisionswerberin bereits ein Verwaltungsstrafverfahren wegen einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG in einem anderen Lokal, das ebenfalls von ihr an dieselbe Untermieterin vermietet worden sei, geführt worden sei. Das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion vom 6. März 2018 sei jedoch in der Folge vom Verwaltungsgericht Wien aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt worden, weil es letztlich nicht als erwiesen angesehen worden sei, dass die Revisionswerberin vom Betrieb der Glücksspielgeräte im gegenständlichen Lokal gewusst habe oder - bei gebotener Sorgfalt - hätte wissen müssen.

15 Daraus folgerte das Verwaltungsgericht, dass die Revisionswerberin spätestens mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 19. September 2017 in diesem ‑ später eingestellten ‑ Verfahren gewusst habe bzw. zumindest habe wissen müssen, dass durch die Untervermietung von Räumlichkeiten an die gegenständliche Untermieterin die Veranstaltung von verbotenen Glücksspielen durch diese ermöglicht und die verfahrensgegenständlichen Geräte zum Zweck von verbotenen Ausspielungen verwendet worden seien. Sie habe dennoch den Untermietvertrag nicht gekündigt oder die Untermieterin auf Unterlassung geklagt.

16 In seiner Beweiswürdigung erwog das Verwaltungsgericht, dass die Revisionswerberin aufgrund der sie als Untervermieterin treffenden erhöhten Sorgfaltspflichten auch eine Rechtsauskunft der zuständigen Behörde über die Zulässigkeit der von der Untermieterin ausgeübten Tätigkeit einholen bzw. die Vorlage einer Bewilligung nach glücksspiel- oder wettrechtlichen Vorschriften hätte fordern müssen, zumal ihr auch aus den Medien hätte bekannt sein müssen, dass das „kleine“ Glücksspiel in Wien verboten sei. Diesen Vorwürfen sei die Revisionswerberin trotz ordnungsgemäßer Ladung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht entgegengetreten. Sie sei auch nicht zu einer Befragung vor der Landespolizeidirektion Wien erschienen.

17 Wie die Revision zutreffend aufzeigt, reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Erkenntnis fallbezogen jedoch nicht aus, um die Annahme einer subjektiv vorwerfbaren Erfüllung des vierten Tatbilds des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG nachvollziehbar zu begründen. Es ist nämlich nicht ersichtlich, inwiefern allein eine Aufforderung zur Rechtfertigung in einem später eingestellten Verwaltungsstrafverfahren zu einem anderen Vermietungsobjekt bereits hinreichend geeignet sein soll, eine unternehmerische Beteiligung der Revisionswerberin an der Veranstaltung von verbotenen Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG im revisionsgegenständlichen Lokal zu begründen.

18 Darüber hinaus weist die Revision zu Recht auf einen Widerspruch im angefochtenen Erkenntnis zwischen Spruch und Begründung in Bezug auf die angewendete Strafsanktionsnorm hin, in dem das Verwaltungsgericht ‑ zwar bei gleichem Strafrahmen ‑ als Strafsanktionsnorm „§ 52 Abs. 2 2. Strafsatz in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Einleitungssatz GSpG“ im Spruch ergänzt hat, aber in der Begründung des Erkenntnisses ausführt, dass der Bestrafung der dritte Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG zugrunde gelegt werde.

19 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb es aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben war.

20 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und 5 VwGG abgesehen werden.

21 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 25. Juni 2020

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