Normen
ABGB §6
B-VG Art18
EStG 1988 Bewertung bestimmter Sachbezüge 2002 §4 Abs7
EStG 1988 §24 Abs4
EStG 1988 §30a Abs2
EStG 1988 §37 Abs2
EStG 1988 §97 Abs2
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019150133.L00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Bei der mitbeteiligten Partei wurde eine gemeinsame Prüfung der lohnabhängigen Abgaben für die Jahre 2009 bis 2011 durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass einem Arbeitnehmer ein Firmenfahrzeug mit Anschaffungskosten in Höhe von 54.747 € zur Verfügung gestellt worden war. Für die Möglichkeit der Privatnutzung des Kfz leistete der Arbeitnehmer der mitbeteiligten Partei einen monatlichen Kostenbeitrag in Höhe von 384,50 €. Die mitbeteiligte Partei errechnete für die Privatnutzung des Firmenfahrzeuges einen monatlichen Sachbezug in Höhe von 212,50 €, indem sie vom Höchstbetrag von 600 € laut Sachbezugswerteverordnung in der im Prüfungszeitraum geltenden Fassung den Kostenbeitrag abzog.
2 Der Prüfer vertrat hingegen die Ansicht, dass der Kostenbeitrag des Arbeitnehmers vor Berücksichtigung des Höchstbetrages laut Sachbezugswerteverordnung abzuziehen sei, und errechnete solcherart einen monatlichen Sachbezug von 436,50 € (1,5% der Anschaffungskosten von 54.747 € ergibt 821 € abzüglich 384,50 €).
3 Das revisionswerbende Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers und erließ für die Differenz zum bereits angesetzten Sachbezug entsprechende Haftungsbescheide für Lohnsteuer 2009 bis 2011 sowie Abgabenbescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages samt Zuschlag für die genannten Jahre.
4 Gegen diese Bescheide erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, dass nach den anerkannten Auslegungsmethoden § 4 Abs. 1 iVm Abs. 7 Sachbezugswerteverordnung nur so verstanden werden könne, dass ein allfälliger Kostenbeitrag des Arbeitnehmers vom maximal möglichen Sachbezugswert abzuziehen sei. Auch die Finanzverwaltung selbst sei im Lohnsteuerprotokoll 2000 zu diesem Ergebnis gelangt.
5 Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung und Vorlageantrag der mitbeteiligten Partei gab das Bundesfinanzgericht (BFG) der Beschwerde statt und hob die angefochtenen Haftungs- und Abgabenbescheide ersatzlos auf.
6 Das BFG gelangte zur Auffassung, dass ausgehend von einer Wortinterpretation die Kostenbeiträge des Arbeitnehmers gemäß § 4 Abs. 7 der Sachbezugswerteverordnung gegen den (maximal möglichen) Sachbezugswert zu verrechnen seien. Dies ergebe sich eindeutig aus dem Verordnungstext. Die Regelung des § 4 Abs. 7 Sachbezugswerteverordnung sei abschließend. Eine Lücke, die durch andere Interpretationsmethoden zu füllen wäre, liege nicht vor, was auch nach dem sonstigen Verordnungstext schlüssig erscheine. Die Vorteile für den Arbeitnehmer seien nach den üblichen Endpreisen des Abgabeortes, allenfalls durch die Verordnung pauschal und mit dem Höchstwert gedeckelt, zu berechnen. Damit sei der maximal mögliche Vorteil des Arbeitnehmers definiert. Wenn Kostenbeiträge des Arbeitnehmers diesen Vorteil minderten, so könne dies nur den maximal möglichen Vorteil betreffen. Die vom Finanzamt gewählte Berechnung würde dazu führen, dass Kostenbeiträge des Arbeitnehmers entweder im vollen Umfang berücksichtigt werden (sofern die Anschaffungskosten des Kfz 40.000 € nicht überstiegen) oder bei gleichen Kostenbeiträgen des Arbeitnehmers und höheren Anschaffungskosten des Fahrzeuges im Extremfall überhaupt keine Berücksichtigung finden könnten. Eine derartige unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern, die die gleichen Kostenbeiträge leisteten, könne weder dem EStG 1988 noch der Sachbezugswerteverordnung entnommen werden.
7 Eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ließ das BFG mit der Begründung nicht zu, dass sich die Antwort auf die Frage, wie Kostenbeiträge des Arbeitnehmers zu behandeln seien, direkt aus den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 7 Sachbezugswerteverordnung ergebe.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des Finanzamtes. Das Bundesfinanzgericht legte die Akten vor. Die mitbeteiligte Partei erstattete nach Einleitung des Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung, in der keine Kosten beantragt wurden.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
10 Die Revision ist zulässig, da ‑ wie in der Revision aufgezeigt ‑ keine Judikatur zur Frage vorliegt, ob die Deckelung durch den Höchstbetrag des § 4 Abs. 1 Sachbezugswerteverordnung vor oder nach Verrechnung des Sachbezugswertes mit den monatlichen Kostenbeiträgen des Arbeitnehmers zu erfolgen hat.
11 § 4 der Sachbezugswerteverordnung in der Fassung BGBl. II Nr. 467/2004 (im Folgenden kurz: VO) lautete:
„(1) Besteht für den Arbeitnehmer die Möglichkeit, ein arbeitgebereigenes Kraftfahrzeug für nicht beruflich veranlasste Fahrten einschließlich Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu benützen, dann ist ein Sachbezug von 1,5% der tatsächlichen Anschaffungskosten des Kraftfahrzeuges (einschließlich Umsatzsteuer und Normverbrauchsabgabe), maximal 600 Euro monatlich, anzusetzen. Die Anschaffungskosten umfassen auch Kosten für Sonderausstattungen. Selbständig bewertbare Sonderausstattungen gehören nicht zu den Anschaffungskosten.
(2) Beträgt die monatliche Fahrtstrecke für Fahrten im Sinne des Abs. 1 im Jahr nachweislich nicht mehr als 500 km, ist ein Sachbezugswert im halben Betrag (0,75% der tatsächlichen Anschaffungskosten, maximal 300 Euro monatlich) anzusetzen. Unterschiedliche Fahrtstrecken in den einzelnen Lohnzahlungszeiträumen sind unbeachtlich.
(3) Ergibt sich bei Ansatz von 0,50 Euro (Fahrzeugbenützung ohne Chauffeur) bzw. 0,72 Euro (Fahrzeugbenützung mit Chauffeur) pro Kilometer Fahrtstrecke im Sinne des Abs. 1 ein um mehr als 50% geringerer Sachbezugswert als nach Abs. 2, ist der geringere Sachbezugswert anzusetzen. Voraussetzung ist, dass sämtliche Fahrten lückenlos in einem Fahrtenbuch aufgezeichnet werden.
(4) Bei Gebrauchtfahrzeugen ist für die Sachbezugsbewertung der Listenpreis im Zeitpunkt der erstmaligen Zulassung des Fahrzeuges maßgebend. Sonderausstattungen bleiben dabei unberücksichtigt. Anstelle dieses Betrages können die nachgewiesenen tatsächlichen Anschaffungskosten (einschließlich allfälliger Sonderausstattungen und Rabatte) im Sinne des Abs. 1 des ersten Erwerbes des Kraftfahrzeuges zu Grunde gelegt werden.
(5) Bei geleasten Kraftfahrzeugen ist der Sachbezugswert von jenen Anschaffungskosten im Sinne des Abs. 1 zu berechnen, die der Berechnung der Leasingrate zu Grunde gelegt wurden.
(6) Bei Vorführkraftfahrzeugen sind die um 20% erhöhten tatsächlichen Anschaffungskosten im Sinne des Abs. 1 anzusetzen.
(7) Kostenbeiträge des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber mindern den Sachbezugswert. Bei einem einmaligen Kostenbeitrag besteht ein Wahlrecht, diesen auf acht Jahre verteilt vom laufend ermittelten Sachbezugswert abzuziehen [im Folgenden: Variante 1] oder den Sachbezugswert von den um den Kostenbeitrag geminderten Anschaffungskosten zu berechnen [im Folgenden: Variante 2]. Trägt der Arbeitnehmer Treibstoffkosten selbst, so ist der Sachbezugswert nicht zu kürzen.“
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist, maßgebend (vgl. VwGH 20.11.1997, 95/15/0012). Es ist zu fragen, welche Bedeutung einem Ausdruck oder Satz nach allgemeinem Sprachgebrauch des Gesetzgebers (hier des Verordnungsgebers) zukommt (vgl. VwGH 28.6.2006, 2002/13/0156).
13 Im Revisionsfall bestreitet auch das revisionswerbende Finanzamt nicht, dass der Wortlaut der anzuwendenden Verordnungsstelle für den Standpunkt des Verwaltungsgerichtes spricht. Es wendet dagegen jedoch ein, bei einer reinen Wortinterpretation würde man bei teureren Fahrzeugen bei laufendem Kostenbeitrag bzw. bei einem auf acht Jahre verteilten einmaligen Kostenbeitrag zu einem anderen Ergebnis als bei Anwendung der Alternativvariante der Kürzung der Anschaffungskosten kommen. Während laufende Kostenbeiträge iSd Ausführungen des BFG eine Kürzung des Höchstbetrages zur Folge hätten, sei bei der Alternativvariante (Variante 2) für einmalige Kostenbeiträge der Sachbezugswert von den um den Kostenbeitrag geminderten Anschaffungskosten zu berechnen, was eine Kürzung der tatsächlichen Anschaffungskosten bedeuten würde, und sei erst in der Folge die Berücksichtigung eines allfälligen Höchstbetrages wahrzunehmen. Dass die Berücksichtigung von Kostenbeiträgen des Arbeitnehmers im Ergebnis zu derartigen Unterschieden führe, könne vom Verordnungsgeber nicht intendiert gewesen sein und sei auch sachlich nicht zu rechtfertigen. Daher müsse der objektivierte Wille des Verordnungsgebers in § 4 der VO in einem systematischen Gesamtkontext ermittelt werden. Dieser könne nur darin bestanden haben, dass § 4 Abs. 7 VO gedanklich unmittelbar nach Anordnung des § 4 Abs. 1 VO („... dann ist ein Sachbezug von 1,5% der tatsächlichen Anschaffungskosten des Kraftfahrzeuges ...“ und vor dem Einschub „maximal 600 Euro monatlich“ zu lesen sei.
14 Wie die mitbeteiligte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung zu Recht aufzeigt, führen die beiden alternativen Berechnungsvarianten, die § 4 Abs. 7 VO im Falle von einmaligen Kostenbeiträgen vorsieht, auch dann zu unterschiedlichen Berechnungsergebnissen, wenn man der Ansicht des revisionswerbenden Finanzamtes folgen würde. Unterschiede ergeben sich nämlich bereits daraus, dass in Variante 1 die Verteilung des Kostenbeitrages auf acht Jahre erfolgt, in Variante 2 der einmalige Kostenbeitrag aber mit einem (monatlichen) Prozentsatz von 1,5% (jährlich somit 18%) zum Ansatz gelangt, was einer Verteilung auf rund fünfeinhalb Jahre entspricht.
15 Welche der beiden alternativen Berechnungsmethoden im Einzelfall für den Arbeitnehmer insgesamt betrachtet zu einem günstigeren Besteuerungsergebnis führt, hängt daher insbesondere auch davon ab, wie lange das jeweilige Fahrzeug als privates Firmenfahrzeug Verwendung finden soll. So kann sich beispielsweise bei einer unter acht Jahren liegenden Verwendung und Verteilung des einmaligen Kostenbeitrages auf acht Jahre der Kostenbeitrag nicht zur Gänze sachbezugsmindernd auswirken, während bei einer über sechsjährigen Nutzung und einer Berechnung nach Variante 2 der Kostenbeitrag im Ergebnis mit einem höheren Betrag als dem tatsächlich geleisteten Berücksichtigung erlangt (vgl. auch Hayden/Varro, Widersprüche beim Pkw‑Sachbezug, RdW 6/2017, 318).
16 Dass dem Steuerpflichtigen eingeräumte Wahlrechte zu unterschiedlichen Besteuerungsergebnissen führen, je nach dem für welche der gesetzlich vorgesehenen Varianten sich der Steuerpflichtige entscheidet, ist allerdings keine Besonderheit der gegenständlichen Sachbezugsbesteuerung (vgl. z.B. die wahlweisen Begünstigungen für Veräußerungsgewinne gemäß § 24 Abs. 4 oder § 37 Abs. 2 EStG 1988; die Regelbesteuerungsoptionen in § 30a Abs. 2 EStG 1988 oder § 97 Abs. 2 EStG 1988). Ein „objektivierter Wille“ des Verordnungsgebers lässt sich daher aus dem Auftreten unterschiedlicher Besteuerungsergebnisse in Abhängigkeit von der Wahl der Berechnung des Sachbezugswertes nicht ableiten. Davon abgesehen ließe sich das vom Finanzamt intendierte Ergebnis einer Berücksichtigung des Höchstbetrages bei beiden Berechnungsvarianten auch dadurch (allerdings zu Gunsten des Arbeitnehmers) erzielen, dass man bei der Berechnung nach Variante 2 nicht von den „tatsächlichen“ (dieses Wort findet sich in der gegenständlich zur Anwendung gelangenden Fassung des Verordnungstextes nämlich gar nicht), sondern von „angemessenen“ Anschaffungskosten (von 40.000 €) ausginge, von denen der einmalige Kostenbeitrag abgezogen wird.
17 Das revisionswerbende Finanzamt bringt weiters vor, auch aus der Änderung der Sachbezugswerteverordnung mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 2016 zeige sich deutlich, dass keine unterschiedliche Behandlung von laufenden und einmaligen Kostenbeiträgen seitens des Verordnungsgebers gewollt gewesen sei. Die Sachbezugswerteverordnung in der Fassung BGBl. II Nr. 243/2015 sehe kein Wahlrecht des Steuerpflichtigen mehr vor, sondern bestimme, dass bei einem einmaligen Kostenbeitrag der Sachbezugswert von den um den Kostenbeitrag geminderten Anschaffungskosten zu berechnen sei. Die Erläuterungen zur Änderung der Sachbezugswerteverordnung führten dazu aus, dass als Beitrag zur Vereinfachung der Lohnverrechnung und zur Verwaltungsökonomie auch die Berücksichtigung von einmaligen Kostenbeiträgen des Arbeitnehmers vereinfacht werden und daher das Wahlrecht entfallen solle.
18 Einer Verordnung darf allerdings keine Rückwirkung zukommen, es sei denn ‑ was gegenständlich nicht der Fall ist ‑, im Gesetz wäre eine diesbezügliche ausdrückliche Ermächtigung enthalten (vgl. die bei Mayer/Muzak, B‑VG5Art. 18 B‑VG V., zitierte Rechtsprechung des VfGH). Eine Rückwirkung kann auch nicht dadurch bewirkt werden, dass der Verordnungsgeber seine eigene Verordnung erläutert.
19 Erst mit dem BGBl. II Nr. 314/2019 wurde § 4 Abs. 7 Sachbezugswerteverordnung ‑ mit Wirksamkeit ab 1. November 2019 ‑ derart geändert, dass dieser nunmehr lautet:
„(7) Kostenbeiträge des Arbeitnehmers mindern den Sachbezugswert. Bei einem einmaligen Kostenbeitrag ist dieser zuerst von den tatsächlichen Anschaffungskosten (Abs. 1) abzuziehen, davon der Sachbezugswert zu berechnen und dann erst der Maximalbetrag gemäß Abs. 1 Z 1 oder 2 zu berücksichtigen. Bei einem laufenden Kostenbeitrag ist zuerst der Sachbezugswert von den tatsächlichen Anschaffungskosten (Abs. 1) zu berechnen, davon ist der Kostenbeitrag abzuziehen und dann erst der Maximalbetrag gemäß Abs. 1 Z 1 oder 2 zu berücksichtigen. Trägt der Arbeitnehmer Treibstoffkosten selbst, so ist der Sachbezugswert nicht zu kürzen.“
20 Anhaltspunkte dafür, dass dieser Neufassung des § 4 Abs. 7 der Sachbezugswerteverordnung mit BGBl. II Nr. 314/2019 lediglich klarstellende Bedeutung zukäme und die Berechnung schon für den Streitzeitraum 2009 bis 2011 auf diese Weise vorzunehmen gewesen wäre, finden sich ‑ wie oben ausgeführt ‑ in der für den Streitzeitraum anzuwendenden Sachbezugswerteverordnung BGBl. II Nr. 467/2004 nicht.
21 Die Revision erweist sich daher als unbegründet und war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Wien, am 12. November 2020
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