Normen
BFA-VG 2014 §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140452.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige der Ukraine, stellte am 28. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie brachte dabei vor, dass sie in der Westukraine geboren sei, jedoch in Lugansk gewohnt habe. Das Haus, in dem sie gewohnt habe, sei im Krieg zerstört worden. Auf Grund ihrer westukrainischen Herkunft habe sie auch kleinere Auseinandersetzungen mit Bekannten gehabt. Sie leide an Brustkrebs, der nunmehr in Österreich behandelt worden sei. 2 Mit Bescheid vom 2. August 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag der Revisionswerberin zur Gänze ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Ukraine zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Es stellte dabei unter anderem fest, dass die Revisionswerberin gesund sei, ihr Brustkrebs scheine überwunden. Ihre (medizinische und ökonomische) Versorgung in der Ukraine sei auf Basis der zum Herkunftsland getroffenen Feststellungen gewährleistet.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Es stellte zum Gesundheitszustand der Revisionswerberin fest, dass ihr Brustkrebs in Österreich operativ und mittels Chemotherapie behandelt worden sei und keine Tumorsymptomatik mehr bestehe. Sie werde derzeit mit einem näher genannten Medikament nachbehandelt. Da es sich dabei um eine übliche Hormontherapie nach Brustkrebserkrankung handle, sei diese in der Ukraine auch verfügbar.
4 Gegen dieses Erkenntnis - der Sache nach ausschließlich gegen die Nichtgewährung des Status der subsidiären Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 - wendet sich die Revision, die zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vorbringt, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es einerseits die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterlassen habe und andererseits nicht hinreichend beachtet habe, dass eine "existenzbedrohende Notlage" unter den Gesichtspunkten des Art. 3 EMRK zur Gewährung von subsidiären Schutz führen könne.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind zur Beurteilung, ob der Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG geklärt erscheint und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach dieser Bestimmung unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, sowie aus der ständigen Rechtsprechung etwa 28.8.2019, Ra 2018/14/0384, mwN).
9 Dass das Verfahren der Verwaltungsbehörde mangelhaft geblieben sei, wird in der Revision lediglich begründungslos behauptet.
10 Die Revisionswerberin bringt weiters vor, das BVwG habe durch Anführung weiterer - näher genannter - ergänzender Argumente und Aspekte eine wesentliche Ergänzung der Beweiswürdigung vorgenommen. Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH löst das Aufzeigen weiterer, von der Verwaltungsbehörde nicht aufgegriffener und somit erstmals thematisierter Aspekte die Verhandlungspflicht jedoch nur dann aus, wenn damit die tragenden verwaltungsbehördlichen Erwägungen nicht bloß unwesentlich ergänzt werden (vgl. VwGH 8.8.2017, Ra 2017/19/0082-0085, mwN). 11 Das BFA hielt zum Gesundheitszustand der Revisionswerberin fest, dass bei dieser keine lebensbedrohliche Erkrankung festgestellt werden könne, sie an Brustkrebs gelitten habe, der jedoch überwunden scheine, stütze diese Feststellungen auf die Einvernahme der Revisionswerberin und die vorgelegten Befunde und gelangte - gestützt auf Länderberichte - zu dem Ergebnis, dass die medizinische und ökonomische Versorgung in der Ukraine grundsätzlich gewährleistet sei. In der Beschwerde wurde gerügt, dass Feststellungen zur Nachbehandlung sowie benötigten Medikation der Revisionswerberin fehlen würden. Das BVwG schloss sich den beweiswürdigenden Überlegungen der Verwaltungsbehörde an, ergänzte diese in seiner Beweiswürdigung lediglich hinsichtlich der medizinischen Versorgung in der Ukraine insoweit, als eine medikamentöse Hormontherapie nach einer Brustkrebserkrankung in der Ukraine verfügbar sei.
12 Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin teilte das BVwG sohin die tragenden Erwägungen der behördlichen Beweiswürdigung und ergänzte diese nur in unwesentlichen Aspekten. Vor diesem Hintergrund ist das BVwG in vertretbarer Weise von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgegangen, sodass keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Verletzung der Verhandlungspflicht vorliegt.
13 Soweit in der Revision - mit dem Vorbringen, wonach sich das BVwG zum Entscheidungszeitpunkt in unzulässiger Weise auch auf ein Jahr alte medizinische Befunde und die Behandlungssituation der Revisionswerberin zur Krebserkrankung gestützt habe - eine fehlende Aktualität des entscheidungswesentlichen Sachverhalts im Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG angesprochen wird, zeigt die Revision nicht auf, welche Feststellungen zu einer günstigeren Entscheidung für die Revisionswerberin hätten führen können. 14 Zur erforderlichen Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erkennt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass dabei eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 2.8.2019, Ra 2019/19/0150-0153, mwN). 15 Dabei hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in Österreich zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung in seinem Herkunftsstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, soweit der Betroffene tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung hat. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt eine Abschiebung in den Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Herkunftsstaat oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. etwa VwGH 17.10.2019, Ra 2019/20/0311, mwN).
16 Die Revision vermag vor dem Hintergrund dieser Rechtslage nicht aufzuzeigen, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Beurteilung, ob der Revisionswerberin die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung drohe, die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien missachtet hätte. 17 Soweit die Revision in diesem Zusammenhang Verfahrensmängel - wie hier Feststellungs-, Ermittlungs- und Begründungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen führt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben (vgl. VwGH 30.4.2019, Ra 2018/14/0341, mwN). Derartiges lässt sich dem Zulässigkeitsvorbringen jedoch nicht entnehmen.
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 18. Dezember 2019
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