Normen
AsylG 2005 §19 Abs2
AsylG 2005 §24 Abs3
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AVG §68
BFA-VG 2014 §21 Abs3
BFA-VG 2014 §21 Abs6a
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019140405.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 18. Februar 2019 wurde dem Revisionswerber, einem Staatsangehörigen Afghanistans, der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) aberkannt und ihm die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen. Weiters sprach die Behörde aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt werde, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Zudem legte es die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
2 Dieser Bescheid erwuchs unbekämpft in Rechtskraft. Die Zustellung der dem Revisionswerber persönlich zuzustellenden Ausfertigung dieses Bescheides nahm das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl infolge des unbekannten Aufenthaltes des Revisionswerbers gemäß §§ 8 und 23 ZustG durch Hinterlegung bei der Behörde ohne vorausgehenden Zustellversuch vor.
3 Am 22. Mai 2019 wurde der Revisionswerber im Zuge einer Ausweiskontrolle auf Grundlage eines bestehenden Festnahmeauftrags angehalten. Am 23. Mai 2019 stellte er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und erfolgte die Erstbefragung. Den Antrag begründete er zusammengefasst damit, dass er im Herkunftsstaat von drei Männern vergewaltigt worden sei. Aufgrund der damit verbundenen Schande erwarte er, dass ihn seine Eltern töten würden, wenn sie davon erfahren. Im Fall der Rückkehr würde er einen Konflikt mit den Tätern beginnen. Er habe sich bei seiner ersten Antragstellung für die Vergewaltigung geschämt, weshalb er diese nicht angegeben habe.
4 Das BFA wies diesen Antrag mit Bescheid vom 5. Juni 2019 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Es sprach ferner aus, dass kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werde. Weiters erließ die Behörde eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei. Es sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe und erließ ein auf zwei Jahre befristetes Einreiseverbot.
5 Das BFA hielt unter anderem fest, dass dem Revisionswerber infolge unbekannten Aufenthaltes eine Ladung zur Einvernahme nicht habe zugestellt werden können. Der Revisionswerber habe sich dem Verfahren entzogen (Verweis auf § 24 Abs. 1 AsylG 2005). Allerdings stehe der entscheidungsrelevante Sachverhalt fest, weshalb § 24 Abs. 3 AsylG 2005 Anwendung finde.
6 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde. Er brachte vor, aufgrund des Prinzips der materiellen Wahrheit habe die Behörde die Pflicht jeglichen entscheidungsrelevanten Sachverhalt (so auch betreffend Gesundheitszustand, Privat- und Familienleben) festzustellen. Aus diesem Grund hätte die Behörde eine Einvernahme durchführen müssen, dessen Vornahme sie jedoch unterlassen habe.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ohne Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 30.3.2020, Ra 2019/14/0318, mwN).
11 Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterlassen habe. Die Einvernahme des Revisionswerbers wäre erforderlich gewesen, um ihn zu seinen konkreten Befürchtungen im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan sowie zu seinem Familienleben und privaten Verhältnissen in Österreich zu befragen. Es wäre erforderlich gewesen, dass sich das Bundesverwaltungsgericht vor Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber und dessen Integration verschafft. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt sei nicht vollständig ermittelt worden, zumal sich das BFA nicht hinreichend mit dem Vorbringen des Revisionswerbers zum „Vergewaltigungsvorwurf“ auseinandergesetzt habe. In der Beschwerde sei ein über das Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens hinausgehender relevanter Sachverhalt behauptet worden. Darüber hinaus habe nur eine Befragung durch die Landespolizeidirektion stattgefunden. Es sei kein Grund für das Unterbleiben einer Einvernahme durch das BFA vorgelegen. Es sei nur die Adresse des Revisionswerbers nicht bekannt gewesen.
12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt die Verhandlungspflicht im Verfahren über Beschwerden gegen im Zulassungsverfahren erlassene Entscheidungen, wozu auch Beschwerden gegen eine vor Zulassung des Verfahrens ausgesprochene Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 68 AVG zählen, besonderen Verfahrensvorschriften, nämlich § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA‑Verfahrensgesetz (vgl. VwGH 29.3.2019, Ra 2018/20/0539, mwN).
13 Der Revision gelingt es nicht aufzuzeigen, dass das Bundesverwaltungsgericht von den in der Rechtsprechung dazu aufgestellten Leitlinien abgewichen wäre. Sie legt nicht dar, warum das Bundesverwaltungsgericht nicht von einem geklärten Sachverhalt ausgehen hätte dürfen, zumal die Beschwerde kein substantiiertes Vorbringen enthält und den vom BFA getroffenen Feststellungen nicht konkret entgegentritt. In der Beschwerde wurden auch keine neuen relevanten Umstände betreffend das Privatleben des Revisionswerbers und dessen Integrationsbemühungen vorgebracht. Angesichts dessen durfte das Bundesverwaltungsgericht auch von einem eindeutigen Fall in Bezug auf die Erlassung der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbotes ausgehen (vgl. VwGH 30.10.2019, Ra 2019/14/0245, mwN).
14 Insofern die Revision einen Verstoß gegen § 19 Abs. 2 AsylG 2005 ins Treffen führt, ist ihr zwar zuzustimmen, dass danach ein Asylwerber grundsätzlich im Zulassungsverfahren zumindest einmal vom BFA einzuvernehmen ist. Allerdings steht gemäß § 24 Abs. 3 AsylG 2005 der Umstand, dass der Asylwerber vom BFA bisher nicht einvernommen wurde, einer Entscheidung nicht entgegen, wenn der entscheidungswesentliche Sachverhalt feststeht und sich der Asylwerber ‑ so wie hier unstrittig durch Verletzung seiner Mitwirkungs- und Meldeverpflichtungen ‑ dem Verfahren entzogen hat.
15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.
16 Gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG konnte von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichthof abgesehen werden.
Wien, am 29. Mai 2020
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)