Normen
AVG §69 Abs2
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140261.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, stellte am 3. September 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 18. Mai 2018 zur Gänze ab, sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde, erließ gegen die Revisionswerberin eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Russische Förderation zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Dieser Bescheid erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.
2 Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2018 begehrte die Revisionswerberin beim BFA die Wiederaufnahme des Verfahrens. Ihren Antrag begründete sie damit, dass im Entlassungsbericht des Hanusch-Krankenhauses vom 11. Juli 2019 erstmals ein Rezidiv des bereits bekannten persistierenden Vorhofflimmerns attestiert worden sei. Dadurch ergebe sich eine deutlich schlechtere Beurteilung ihres Gesundheitszustandes als zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung. Der Entlassungsbericht beziehe sich primär auf eine "alte" Tatsache im Sinn des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG, nämlich das persistierende Vorhofflimmern.
3 Das BFA wies diesen Antrag mit Bescheid vom 26. September 2018 gemäß § 69 Abs. 2 AVG als unzulässig zurück. Begründend führte die Behörde aus, dass der Antrag verspätet eingebracht worden sei. Die Revisionswerberin habe bereits am 9. Juli 2018 Kenntnis vom geltend gemachten Wiederaufnahmegrund gehabt. Die stationäre Aufnahme zur Durchführung einer Elektrokardioversion sei geplant erfolgt.
4 Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurück. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG habe in denkumöglicher Weise das Gesetz angewendet und eine Fehlbeurteilung bei der Auslegung des Begriffes "Kenntnis" in Bezug auf den Wiederaufnahmegrund vorgenommen. Nicht die geplante und durchgeführte Elektrokardioversion, sondern das Rezidiv des persistierenden Vorhofflimmerns sei als Wiederaufnahmegrund geltend gemacht worden. Von diesem habe sie erst durch den Entlassungsbericht am 11. Juli 2018 Kenntnis erlangt. 9 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die (hier: in § 69 Abs. 2 AVG geregelte) subjektive Frist bereits mit der Kenntnis der Antragstellerin von dem Sachverhalt, der den Wiederaufnahmegrund bilden soll, beginnt; entscheidend ist die Kenntnis von einem Sachverhalt, nicht aber die rechtliche Wertung dieses Sachverhalts. Für den Fristenlauf ist daher nicht maßgebend, ob der Antragstellerin die mögliche Qualifizierung eines Sachverhalts als Wiederaufnahmegrund bewusst ist (vgl. VwGH 20.9.2018, Ra 2018/09/0050, mwN).
10 Die Revisionswerberin tritt den Feststellungen nicht substantiiert entgegen, wonach ihre stationäre Aufnahme am 9. Juli 2018 zur Durchführung einer Elektrokardioversion geplant und sie darüber in Kenntnis war. Nachdem es sich dabei um ein therapeutisches Verfahren der Kardiologie zur Wiederherstellung eines regelmäßigen Herzrhythmus handelt, ist die vom BVwG vorgenommene Beurteilung nicht unvertretbar, dass die Revisionswerberin spätestens am 9. Juli 2018 Kenntnis von dem erneuten (synonym: rezidiven) Vorhofflimmern hatte und damit der Antrag auf Wiederaufnahme verspätet war.
11 Insoweit die Revisionswerberin ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter Verweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. April 2013, 2011/11/0051, geltend macht, ist darauf hinweisen, dass in den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen ist, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Dabei hat die Revisionswerberin konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt dem Sachverhalt der von ihr ins Treffen geführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in entscheidungswesentlicher Hinsicht gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist (vgl. VwGH 22.2.2018, Ra 2017/09/0050, mwN). Fallbezogen erfüllt die Zulässigkeitsbegründung diese Anforderungen nicht. Entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin weist der zugrunde liegende Sachverhalt der ins Treffen geführten Entscheidung darüber hinaus keinerlei Bezug auf einen "geplanten Arztbesuch" auf. 12 Die Revisionswerberin macht weiters geltend, dass das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht von gerichtlichen Entscheidungen abweiche. Es ist im vorliegenden Fall aber ausreichend erkennbar, von welchen Tatsachenfeststellungen das BVwG auf Grund welcher Erwägungen ausgegangen ist und wie es diesen Sachverhalt rechtlich beurteilt hat, sodass weder die Rechtsverfolgung durch die Parteien noch die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird (vgl. VwGH 11.5.2017, Ra 2016/21/0298, mwN).
13 Schließlich begründet die Revision ihre Zulässigkeit mit dem Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung. Die Revision zeigt aber nicht auf, dass das BVwG die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG und § 21 Abs. 7 BFA-VG missachtet hätte (vgl. zu diesen Leitlinien grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018).
14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
15 Auf die Frage, ob mit dem Vorbringen der Revisionswerberin im Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, dass sich aufgrund des Rezidivs des Vorhofflimmers eine deutlich schlechtere Beurteilung des Gesundheitszustandes der Revisionswerberin als zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung ergebe, überhaupt ein Wiederaufnahmegrund dargetan wird, braucht somit nicht eingegangen werden.
Wien, am 1. Juli 2019
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