Normen
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs3
AVG §68
AVG §68 Abs1
FrPolG 2005 §52
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2
FrPolG 2005 §53
FrPolG 2005 §59 Abs5
FrPolG 2005 §59 Abs6
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019140209.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Spruchpunkt A.III., soweit damit der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte III., IV., V. und VII. des beim Bundesverwaltungsgericht bekämpften Bescheides Folge gegeben und diese Spruchpunkte ersatzlos aufgehoben wurden, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 15. November 2017 wurde der Antrag des Mitbeteiligten, eines iranischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) vom 28. November 2015 abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen den Mitbeteiligten eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. 2 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit dem am 21. März 2018 mündlich verkündeten und 4. April 2018 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) abgewiesen.
3 Mit Schreiben vom 12. Juni 2018 setzte das BFA den Mitbeteiligten darüber in Kenntnis, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht fristgerecht nachgekommen sei, weshalb die Behörde die Verhängung eines Einreiseverbotes gegen ihn beabsichtige. Dem Mitbeteiligten wurde dazu die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt.
4 Mit Bescheid des BFA vom 23. Juni 2018 wurde dem Mitbeteiligten ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (I.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (II.), festgestellt, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei (III.), gegen ihn ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (IV.), einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt (V.), und ausgesprochen, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (VI.).
5 Am 24. August 2018 stellte der Mitbeteiligte einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 (Folgeantrag).
6 Der gegen die Spruchpunkte II. bis VI. des Bescheides des BFA vom 23. Juni 2018 erhobenen Beschwerde gab das BVwG mit Erkenntnis vom 24. September 2018 statt und behob die genannten Spruchpunkte ersatzlos. Das Erkenntnis wurde rechtskräftig. 7 Mit Bescheid des BFA vom 22. Februar 2019 wurde der Folgeantrag des Mitbeteiligten sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (II.) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (III.), gegen den Mitbeteiligten eine Rückkehrentscheidung erlassen (IV.), festgestellt, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei (V.), ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (VI.), und ausgesprochen, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (VII.).
8 Dagegen erhob der Mitbeteiligte Beschwerde und beantragte, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
9 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis des BVwG vom 20. März 2019 wurde der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als unzulässig zurückgewiesen (A.I.) und die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides vom 22. Februar 2019 richtete, abgewiesen (A.II.). Die Spruchpunkte III. bis VII. des Bescheides wurden ersatzlos behoben (A.III.). Unter einem wurde ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
10 Begründend führte das BVwG - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - aus, die Spruchpunkte IV. bis VII. des Bescheides vom 22. Februar 2019 entsprächen den Spruchpunkten II. bis IV. und VI. des Bescheides vom 23. Juni 2018. Die zuletzt genannten Spruchpunkte seien mit dem Erkenntnis des BVwG vom 24. September 2018 rechtskräftig ersatzlos behoben worden. Die Behörde habe im angefochtenen Bescheid nicht dargelegt, wieso sie über diese bereits rechtskräftig entschiedenen Punkte erneut abgesprochen habe, oder in welcher Hinsicht sich die maßgebliche Sach- oder Rechtslage geändert hätte, zumal der Mitbeteiligte seinen das gegenständliche Verfahren auslösenden Antrag bereits am 24. August 2018, somit vor Erlassung des Erkenntnisses des BVwG vom 24. September 2018, gestellt habe. Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergebe sich, dass bei unveränderter Sach- und Rechtslage kein "Nachfolgebescheid" zulässig sei, wenn ein Bescheid durch ein Erkenntnis ersatzlos aufgehoben worden sei. Die Behörde habe mit den Spruchpunkten IV. bis VII. des Bescheides vom 22. Februar 2019 in einer vom BVwG bereits rechtskräftig entschiedenen Sache nochmals entschieden und den Bescheid daher in diesem Umfang mit Rechtswidrigkeit belastet, weshalb auch diese Spruchpunkte ersatzlos zu beheben gewesen seien.
11 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision, in der beantragt wird, Spruchpunkt A.III. des Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.
12 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit bringt die Amtsrevision vor, das BVwG sei durch die ersatzlose Aufhebung der Spruchpunkte IV. bis VII. des Bescheides vom 22. Februar 2019, die es damit begründe, dass die Behörde hinsichtlich der Spruchpunkte in einer vom BVwG bereits rechtskräftig entschiedenen Sache nochmals entschieden habe, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
13 Der Verwaltungsgerichtshof habe bereits klargestellt, dass der in § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 angeführte Tatbestand dahingehend zu interpretieren sei, dass dieser auch Entscheidungen nach § 68 AVG mitumfasse. Aus der höchstgerichtlichen Entscheidung lasse sich keine Ausnahme ableiten, nach der die Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung bei einer Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz zu unterbleiben hätte. Nach § 10 Abs. 1 AsylG 2005 und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG sei die Anordnung einer Rückkehrentscheidung in den dort genannten Fällen verpflichtend vorgesehen. In Verbindung mit der näher genannten Judikatur habe die Behörde dieser Verpflichtung nur durch die Verbindung der Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz mit einer Rückkehrentscheidung samt Nebenabsprüchen gerecht werden können. Die Bindungswirkung einer ersatzlosen Aufhebung einer Rückkehrentscheidung bestehe auch nur soweit, als ohne maßgebliche Sachverhaltsänderung von der aus welchem Grund auch immer gegebenen Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gegen den Mitbeteiligten auszugehen sei. Angesichts dessen, dass zum Zeitpunkt der vorherigen Entscheidung des BVwG ein Asylverfahren anhängig und nunmehr aufgrund des § 10 Abs. 1 AsylG 2005 eine neue Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen sei, liege durch die Zurückweisung des Folgeantrages eine maßgebliche Sachverhaltsänderung vor, die das BFA zur neuerlichen Rückkehrentscheidungserlassung unter einem berechtigt und verpflichtet habe.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet wurde, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
15 Einleitend ist festzuhalten, dass sich die vorliegende Amtsrevision erkennbar nur gegen die ersatzlose Behebung der Rückkehrentscheidung und der damit rechtlich zusammenhängenden Absprüche wendet und - mangels darauf Bezug nehmenden Ausführungen - nicht gegen die ebenfalls ersatzlose Behebung des Einreiseverbotes (Spruchpunkt VI. des Bescheides vom 22. Februar 2019).
16 In diesem Umfang erweist sich die Revision als zulässig. Sie ist auch begründet.
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis vom 22. März 2018, Ra 2017/01/0287, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, zum Ausdruck gebracht, dass auch eine (negative) Entscheidung über einen Folgeantrag grundsätzlich mit einer Entscheidung über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG stellt auch für den Fall der Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG die Rechtsgrundlage für die Verbindung dieser Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung dar. 18 Der Verwaltungsgerichtshof hat im genannten Erkenntnis auch klargestellt, dass es im Hinblick auf § 59 Abs. 5 FPG dem Willen des Gesetzgebers entspricht, dass im Sinne der Verfahrensökonomie rechtskräftige Rückkehrentscheidungen mit Einreiseverbot gerade bei Folgeanträgen weiter als Rechtsgrundlage für die Außerlandesbringung dienen können. Für diesen Fall sind diese Rückkehrentscheidungen lediglich gemäß § 59 Abs. 6 FPG vorübergehend undurchführbar.
19 Anderes gilt, wie vom Verwaltungsgerichtshof (im asylrechtlichen Zusammenhang) bereits festgehalten, bei Rückkehrentscheidungen ohne Einreiseverbot: Ist die Rückkehrentscheidung von vornherein nicht mit einem Einreiseverbot verbunden, fällt sie nicht in den Anwendungsbereich von § 59 Abs. 5 FPG und es stellt § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG auch für den Fall der Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG die Rechtsgrundlage für die Verbindung dieser Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung dar (vgl. VwGH 22. März 2018, Ra 2017/01/0287, mit Hinweis auf richtungsweisend VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082 bis 0087).
20 In der vorliegenden Fallkonstellation wurde mit Bescheid des BFA vom 15. November 2017 eine Rückkehrentscheidung (ohne Einreiseverbot) rechtskräftig erlassen. Die mit weiterem Bescheid vom 23. Juni 2018 erlassene Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot wurde vom BVwG mit Erkenntnis vom 24. September 2018 ersatzlos behoben.
21 Nunmehr hat das BFA im Rahmen der negativen Entscheidung über den Folgeantrag mit Bescheid vom 22. Februar 2019 eine Rückkehrentscheidung (samt einem auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbot) erlassen sowie über die im Zusammenhang mit den aufenthaltsbeendenden Maßnahmen stehenden Aussprüche entschieden.
22 Nach Maßgabe der oben dargestellten Judikatur zu § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erweist sich der neuerliche Abspruch über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auch als zutreffend und das BFA hatte folgerichtig die Zurückweisung des Folgeantrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG an sich mit einer Entscheidung über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (samt der damit in Zusammenhang stehenden Aussprüchen) zu verbinden. Da gemäß § 58 Abs. 3 AsylG 2005 über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung, ob nach § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen ist (vgl. VwGH 28.1.2015, Ra 2014/20/0121), hatte das BFA in den Bescheid vom 22. Februar 2019 (mit dem das Verfahren über den Folgeantrag abgeschlossen wurde) auch diesen Abspruch aufzunehmen (vgl. zur Frage der "Unwiederholbarkeit" im Zusammenhang mit einem Ausspruch nach § 57 AsylG 2005, jüngst VwGH 12.11.2019, Ra 2019/21/0209, mwN).
23 Da das BVwG dies verkannte, war das in Revision gezogene Erkenntnis im angefochtenen Umfang in seinem Spruchpunkt A.III. - mit Ausnahme der nicht in Revision gezogenen ersatzlosen Behebung des Einreiseverbotes - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 31. März 2020
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