VwGH Ra 2019/14/0131

VwGHRa 2019/14/013130.4.2019



Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Galesic, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Jänner 2019, W123 2190668-1/17E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §41

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140131.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 16. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, Mitglieder der Taliban hätten ihm mit Gewalt sein Auto weggenommen, seien auf der Fahrt jedoch von der Regierung getötet worden. Er würde deshalb von den Taliban verfolgt werden, die ihn für die Tötung ihrer Kameraden verantwortlich machten, bei einer Rückkehr aber auch von der Regierung verhaftet werden, die ihn der Zusammenarbeit mit den Taliban beschuldige.

2 Mit Bescheid vom 20. Februar 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. 3 Mit Erkenntnis vom 27. September 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 4 Mit Erkenntnis vom 12. Dezember 2018, E 4342/2018-10, hob der Verfassungsgerichtshof dieses Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde des Revisionswerbers gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und die damit zusammenhängenden Aussprüche abgewiesen wurden, wegen Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander auf. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof im Wesentlichen aus, das BVwG habe bei der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 gänzlich außer Acht gelassen und den Sachverhalt nicht mit der in diesen Richtlinien dargestellten Sicherheitslage in Bezug gesetzt. Im Übrigen - also hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten - lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie insoweit dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. 5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die Beschwerde des Revisionswerbers im fortgesetzten Verfahren hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und der damit zusammenhängenden Aussprüche neuerlich als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber wiederum Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 26. Februar 2019, E 142/2019-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG habe sich im Zusammenhang mit der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul bzw. Herat und Mazar-e Sharif nicht ausreichend mit den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 auseinandergesetzt und keine "Sicherheitsprognose" getroffen, ob überhaupt eine langfristig sichere Fluchtalternative in Afghanistan vorhanden sei. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei auch deshalb ausgeschlossen, weil der Revisionswerber das Risikoprofil der "Verwestlichung" erfülle. Auch sei die Annahme eines Automatismus, wonach die Erteilung eines Aufenthaltstitels bei Vorliegen einer Aufenthaltsdauer von nur drei Jahren abzuweisen sei, verfehlt. Die Integration des Revisionswerbers sei so fortgeschritten, dass eine Rückkehrentscheidung nicht hätte erlassen werden dürfen. 11 Insoweit die Revision die mangelnde Auseinandersetzung mit den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 rügt, macht sie einen Verfahrensfehler geltend. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 31.1.2019, Ra 2018/14/0300, mwN). 12 Eine solche Relevanzdarstellung enthält die Zulassungsbegründung der vorliegenden Revision, die jedes Vorbringen dazu vermissen lässt, zu welchen anderen Feststellungen das BVwG bei der gebotenen Auseinandersetzung mit den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 kommen hätte können, nicht. 13 Die erstmals in der Revision enthaltenen Ausführungen im Zusammenhang mit der "Verwestlichung" des Revisionswerbers unterliegen dem im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof aus § 41 VwGG abgeleiteten Neuerungsverbot und sind bereits aus diesem Grund nicht geeignet, die Zulässigkeit der Revision im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG zu begründen (vgl. VwGH 20.3.2019, Ra 2019/20/0056, mwN).

14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 20.12.2018, Ra 2018/14/0284, mwN).

15 Entgegen dem Vorbringen in der Revision ist das BVwG hinsichtlich der Aufenthaltsdauer des Revisionswerbers keineswegs von einem "Automatismus" ausgegangen, sondern hat im Rahmen seiner Interessenabwägung vielmehr ausgeführt, im Hinblick auf die bisherige Aufenthaltsdauer des Revisionswerbers könne selbst unter Miteinbeziehung integrativer Merkmale wie etwa Deutschkenntnissen und Arbeitstätigkeit eine Aufenthaltsverfestigung nicht angenommen werden. Die Revision zeigt nicht auf, dass diese Interessenabwägung fallbezogen unvertretbar wäre.

16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 30. April 2019

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