VwGH Ra 2019/14/0091

VwGHRa 2019/14/009128.8.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y in Z, vertreten durch Dr. Christian Schmaus, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Chwallagasse 4/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Jänner 2019, I409 2204226-2/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §68 Abs1
AVG §69 Abs1 Z2
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140091.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte erstmals am 10. Februar 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Als Fluchtgrund gab er an, dass er an einer Erbkrankheit leide. Zudem hätten ihn seine Freunde dazu zwingen wollen, einem Kult beizutreten und einen Lokalpolitiker zu töten. Da er dies verweigert habe, sei er mit dem Tod bedroht worden und geflohen.

2 Diesem Antrag wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. August 2018 im Instanzenzug keine Folge gegeben und es wurden (u.a.) gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen. Dieses Erkenntnis erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

3 Am 11. Oktober 2018 stellte der Revisionswerber einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er halte seine Gründe aus dem vorangegangenen Verfahren vollinhaltlich aufrecht. Da er aber Gedächtnisstörungen habe, habe er einen Teil seiner Gründe vergessen.

4 Mit Bescheid vom 11. Dezember 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Folgeantrag des Revisionswerbers sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache zurück und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.). 5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis behob das BVwG den Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides und wies die Beschwerde im Übrigen als unbegründet ab. Zudem sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vor, das BVwG habe sich nicht ausreichend mit der aktuellen Situation im Herkunftsland des Revisionswerbers auseinandergesetzt bzw. veraltete Länderberichte verwendet. Des Weiteren fehle es an Rechtsprechung zu der Frage, ob die Regelungen zum Folgeantrag nach dem innerstaatlichen Recht mit den entsprechenden Vorgaben aus der Verfahrensrichtlinie in Einklang zu bringen seien. Zudem sei dem BVwG eine Verletzung der Pflicht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes vorzuwerfen. Im Übrigen würden die Begründung und der Aufbau des Erkenntnisses das vom Verwaltungsgerichtshof geforderte Mindestmaß unterschreiten. 10 Insoweit die Revision eine mangende Auseinandersetzung mit der aktuellen Situation im Herkunftsland des Revisionswerbers rügt, ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach es nicht ausreicht, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies gelingt der Revision nicht.

11 Soweit in der Revision als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung ein Fehlen von Rechtsprechung zu der Frage, ob die Regelungen zum Folgeantrag nach dem innerstaatlichen Recht mit den entsprechenden Vorgaben aus der Verfahrensrichtlinie in Einklang zu bringen seien, aufgeworfen wird, ist zu entgegnen, dass der Revisionswerber konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzeigen muss, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt. Dazu enthält die Revision allerdings kein substantiiertes fallbezogenes Vorbringen. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht berufen (VwGH 17.12.2018, Ra 2018/14/0135 bis 137; vgl. im Übrigen zu unzulässigen Folgeanträgen Art. 33 Abs. 2 lit. d RL 2013/32/EU ). 12 Im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt.

13 "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG war die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrages durch das BFA gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgte. Das BVwG hatte dementsprechend zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist. Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags auf Grund geänderten Sachverhalts hat - von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen - im Beschwerdeverfahren nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen (vgl. zum Gesamten VwGH 28.11.2018, Ra 2018/14/0213, mwN).

14 Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Folgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft der über den Erstantrag absprechenden Entscheidung entgegensteht (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2019/01/0008 bis 0010, mwN).

15 Behauptete Tatsachen, die bereits zur Zeit des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die der Asylwerber jedoch in diesem nicht vorgebracht hat, sind von der Rechtskraft der über den Erstantrag absprechenden Entscheidung erfasst (vgl. VwGH 27.5.2019, Ra 2018/14/0292, mwN).

16 Der Revisionswerber bringt vor, dass er aufgrund seiner psychischen Belastung (Erinnerungslücken) und seiner Erkrankung nicht in der Lage gewesen wäre, seine Fluchtgründe im ersten Verfahren umfänglich anzuführen. Erst nach Erlassung der rechtskräftigen Erstentscheidung hervorkommende Umstände, die eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung dartun, stellen nach dem Gesagten aber keine Änderung des Sachverhalts dar, sondern können lediglich einen Grund zur Wiederaufnahme eines Verfahrens darstellen (vgl. wiederum VwGH 28.2.2019, Ra 2019/01/0008 bis 0010, mwN).

17 Der Beurteilung des BVwG, der Revisionswerber habe im Folgeverfahren keine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes dargetan, insbesondere keine neu entstandenen Fluchtgründe ins Treffen geführt, und auch ein "Abgleich" der allgemeinen Lage in Nigeria zeige, dass es in Bezug auf den Revisionswerber seit dem rechtskräftigen Abschluss seines ersten Asylverfahrens zu keiner wesentlichen Sachverhaltsänderung gekommen sei, hält die Revision nichts Stichhaltiges entgegen.

18 Zudem gelingt es der Revision nicht, eine Verletzung der Pflicht zur Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Revisionswerbers darzutun.

19 Soweit der Revisionswerber zudem vorbringt, es läge ein Begründungsmangel vor, der die Rechtsverfolgung mindere und die Überprüfbarkeit der angefochtenen Entscheidung unmöglich mache, so trifft dies schon nach den obigen Ausführungen - auch wenn die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses Schwächen aufweist - nicht zu.

20 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen.

Wien, am 28. August 2019

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