VwGH Ra 2019/06/0143

VwGHRa 2019/06/014327.7.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofrätin Mag. Rehak und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der R GmbH in W, vertreten durch die K‑B‑K Hirsch Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Erzabt‑Klotz‑Straße 4/2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 22. Mai 2019, Zl. 405‑3/524/1/2‑2019, betreffend Untersagung der Benützung einer baulichen Anlage (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau), den Beschluss gefasst:

Normen

BauPolG Slbg 1997 §17 Abs1
BauPolG Slbg 1997 §19 Abs2 Z2
BauPolG Slbg 1997 §23 Abs1 Z25 idF 2019/033
BauPolG Slbg 1997 §9 Abs1 Z1
BauRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019060143.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau (belangte Behörde) vom 19. Dezember 2016 wurde der Revisionswerberin die baupolizeiliche Bewilligung für die Errichtung einer gastgewerblichen Betriebsanlage, bestehend aus einem Hauptgebäude und 17 Einzelobjekten (Chalets) auf einem näher genannten Grundstück der KG V. erteilt. Das genannte Grundstück ist im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde W. als Bauland in der Kategorie Gebiet für Beherbergungsgroßbetriebe ausgewiesen.

2 Mit Eingabe vom 10. Dezember 2018 teilte die Revisionswerberin mit, dass die Betriebsanlage zum Teil, nämlich hinsichtlich der Objekte 8, 9, 12, 14, 15 und 16, fertiggestellt sei. Diese Chalets weisen insgesamt 54 Gästezimmer auf.

3 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 25. Jänner 2019 wurde der Revisionswerberin die Benützung der baulichen Anlage untersagt, bis ein Beherbergungsgroßbetrieb mit zumindest 120 Gästezimmern fertiggestellt sei, weil in der gegebenen Widmungskategorie ein Teilbetrieb mit weniger als 120 Gästezimmern nicht zulässig sei.

4 Die gegen diesen Bescheid von der Revisionswerberin erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg (LVwG) als unbegründet abgewiesen. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

5 In seinen rechtlichen Erwägungen hielt das LVwG fest, gemäß § 17 Abs. 1 Baupolizeigesetz 1997 (BauPolG) sei bei Bauten die Aufnahme ihrer Benützung bzw. ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ die Benützung einzelner für sich benützbarer und zur Benützung vorgesehener Teile der Baubehörde anzuzeigen. Bei den gegenständlichen Chalets in Form von Einzelobjekten handle es sich um einzelne für sich benützbare Teilbereiche des Gesamtprojekts, zumal diese „selbständig und zweckentsprechend“ benützt werden könnten. Demzufolge wäre aufgrund dieser gesetzlichen Bestimmung die Aufnahme dieses fertig gestellten betriebsbereiten Teilbereichs zulässig.

6 § 19 Abs. 2 Z 2 BauPolG verpflichte jedoch dazu, dass die Benützung „in Übereinstimmung mit den raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen“ erfolge. In der hier maßgebenden Baulandwidmung der Kategorie Beherbergungsgroßbetrieb (§ 30 Abs. 1 Z 11 Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 (ROG 2009)) seien Bauten für Gastgewerbebetriebe zur Beherbergung von Gästen mit mehr als 120 Gästezimmern zulässig. Die fertig gestellten Chalets wiesen in Summe 54 Gästezimmer auf (die angesichts des räumlichen Naheverhältnisses zusammenzuzählen seien), sodass kein Beherbergungsgroßbetrieb im Sinne des ROG 2009 vorliege und die Benützung nicht in Übereinstimmung mit den raumordnungsrechtlichen Bestimmungen stehe. Entgegen den Ausführungen der Revisionswerberin verbleibe bei dieser Flächenwidmungskategorie nach wie vor ein Anwendungsbereich für eine Teilfertigstellung gemäß § 17 BauPolG. Es wäre aber weder ein Projekt mit weniger als 120 Gästezimmern bewilligt worden noch sei dessen Nutzung in raumordnungsrechtlicher Sicht zulässig.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit wird in der Revision ausgeführt, es mangle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob selbst bei vorzeitiger Benützung einzelner Teile von Bauten nach § 17 Abs. 1 BauPolG, die in Summe über weniger als 120 Gästezimmer verfügten, diese Anzahl bereits erreicht werden müsse, um nicht in Widerspruch zur festgelegten Flächenwidmung der Kategorie Beherbergungsgroßbetrieb zu stehen.

12 Folgte man der Auffassung des LVwG, würde die Norm des § 17 Abs. 1 BauPolG de facto insofern um ihren Anwendungsbereich gebracht, als die Teilfertigstellungsmeldung erst dann möglich wäre, wenn die bereits fertiggestellten Teile der Betriebsanlage 120 Gästezimmer aufwiesen. Dies laufe einerseits dem Zweck der Norm zuwider, welche eine vorzeitige Benützung von Einzelteilen vorbehaltlich einer späteren Vollendung der baulichen Anlage ermöglichen solle, andererseits sei eine dahingehende Auslegung auch dem Willen des Gesetzgebers nicht zu entnehmen.

13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt das bloße Fehlen von Rechtsprechung zu einer bestimmten Rechtsfrage nicht automatisch zur Zulässigkeit einer Revision. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt unter anderem dann nicht vor, wenn es trotz fehlender Rechtsprechung auf Grund der eindeutigen Rechtslage keiner Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf (vgl. etwa VwGH 17.5.2022, Ra 2022/06/0019, mwN).

14 Gemäß Abs. 1 des zuletzt durch LGBl. Nr. 96/2017 geänderten § 17 BauPolG ist die Vollendung der baulichen Maßnahme, bei Bauten aber die Aufnahme ihrer Benützung oder der Benützung einzelner für sich benützbarer und zur Benützung vorgesehener Teile, der Baubehörde anzuzeigen. Die Anzeige ist vom Bauherrn zu erstatten. Die Benützung von Bauten oder einzelner Teile darf erst aufgenommen werden, wenn die Anzeige nach Abs. 2 vollständig erfolgt ist.

15 Im Verfahren war nicht strittig, dass es sich bei den gegenständlichen Chalets in Form von Einzelobjekten um einzelne für sich benützbare Teilbereiche des Gesamtprojekts im Sinne des § 17 Abs. 1 BauPolG handelt.

16 Das LVwG ging im angefochtenen Erkenntnis selbst davon aus, dass (allein) auf der Grundlage dieser Bestimmung die Aufnahme der Benützung des fertig gestellten betriebsbereiten Teilbereichs, nämlich der in Rede stehenden Chalets mit insgesamt 54 Gästezimmern, zulässig wäre. Angesichts der Ausweisung des hier gegenständlichen Grundstücks im maßgeblichen Flächenwidmungsplan als Bauland in der Kategorie Gebiet für Beherbergungsgroßbetriebe begründete das LVwG die Untersagung der Benützung der genannten baulichen Anlage der Revisionswerberin jedoch mit dem Hinweis auf § 19 Abs. 2 Z 2 BauPolG (in der Fassung LGBl. Nr. 1/2016), wonach bauliche Anlagen nur so verwendet werden dürfen, dass „die Nutzung in Übereinstimmung mit den raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen steht“, sowie auf die Bestimmungen des § 30 Abs. 1 Z 11 und § 33 Abs. 1 ROG 2009 (in der Fassung LGBl. Nr. 82/2017).

17 Gemäß § 30 Abs. 1 ROG 2009 gliedert sich die Nutzungsart Bauland in die dort angeführten Kategorien, unter anderem „Gebiet für Beherbergungsgroßbetriebe (BG)“ nach Abs. 1 Z 11 leg. cit. In einem solchen sind bauliche Anlagen für Beherbergungsgroßbetriebe (§ 33) und dazu gehörige Betriebe für Freizeit- und Vergnügungszwecke zulässig.

18 Beherbergungsgroßbetriebe sind nach § 33 Abs. 1 ROG 2009 Bauten für Gastgewerbebetriebe zur Beherbergung von Gästen mit mehr als 120 Gästezimmern. Gästezimmer in mehreren Bauten sind zusammenzuzählen, wenn die Bauten in einem räumlichen Naheverhältnis stehen und eine funktionale oder wirtschaftliche Einheit bilden.

19 Mit der zur Abweisung der Beschwerde führenden, auch auf raumordnungsrechtliche Aspekte Bezug nehmenden Begründung des LVwG befasst sich die Revisionswerberin in ihrem ausschließlich auf § 17 Abs. 1 BauPolG abstellenden Zulässigkeitsvorbringen argumentativ in keiner Weise.

20 § 17 Abs. 1 BauPolG normiert zwar die grundsätzliche Möglichkeit der Benützung einzelner für sich benützbarer und zur Benützung vorgesehener Teile von Bauten. Ein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang vom Erfordernis der Einhaltung raumordnungsrechtlicher Bestimmungen (vgl. in diesem Sinne § 19 Abs. 2 Z 2 BauPolG) dispensieren wollte, findet sich in den hier in Rede stehenden Bestimmungen allerdings nicht.

21 Ganz grundsätzlich ist gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 BauPolG die baubehördliche Bewilligung zu versagen, wenn die bauliche Maßnahme der durch den Flächenwidmungsplan gegebenen Widmung oder der jeweiligen Kennzeichnung widerspricht, sofern es sich nicht um eine (hier nicht maßgebliche) im Einzelfall zulässige Verwendung handelt. Den Ausführungen des LVwG, ein Projekt mit weniger als 120 Gästezimmern wäre (wegen des Widerspruchs zu raumordnungsrechtlichen Bestimmungen) nicht bewilligt worden, tritt die Revisionswerberin auch nicht entgegen. Ferner begeht gemäß § 23 Abs. 1 Z 25 BauPolG (in der Fassung LGBl. Nr. 33/2019) eine Verwaltungsübertretung, wer einen Bau oder Teile davon ohne die erforderliche Bewilligung in einer mit den im § 9 Abs. 1 Z 1 BauPolG angeführten raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen nicht übereinstimmenden Weise nutzt oder durch einen Dritten wissentliche nutzen lässt.

22 Ist aber bei Nichtvorliegen der raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen eine baubehördliche Bewilligung von Vornherein zu versagen und steht die bewilligungslose, raumordnungsrechtlichen Bestimmungen widersprechende Nutzung eines Baus oder von Teilen davon unter Verwaltungsstrafsanktion, kann ohne ausdrückliche gesetzliche Normierung nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber in § 17 Abs. 1 BauPolG im Zusammenhang mit der Benützung einzelner Teile von Bauten eine davon abweichende, raumordnungsrechtliche Bestimmungen außer Acht lassende Regelung treffen wollte, mag die Benützung auch nur einen begrenzten Zeitraum andauern.

23 Entgegen der Behauptung der Revisionswerberin trifft es im vorliegenden Fall auch nicht zu, dass ‑ folgt man der Auffassung des LVwG ‑ die Norm des § 17 Abs. 1 BauPolG de facto um ihren Anwendungsbereich für eine Teilfertigstellung gebracht wird. Dieser ist eben ‑ wie das LVwG in vertretbarer Weise argumentierte ‑ Beherbergungsgroßbetrieben mit mehr als 120 Gästezimmern vorbehalten.

24 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 27. Juli 2022

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