VwGH Ra 2019/05/0310

VwGHRa 2019/05/031016.12.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision der N in S, vertreten durch MMag. Dr. Susanne Binder-Novak, Rechtsanwältin in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 12. September 2019, LVwG-AV-216/001-2019, betreffend Duldungspflicht nach § 7 NÖ BO 2014 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld; mitbeteiligte Parteien: 1. G S und 2. M S, beide in W, beide vertreten durch Gloß Pucher Leitner Gloß Enzenhofer Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Wiener Straße 3), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019050310.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Nach ständiger hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 25.6.2019, Ra 2019/05/0091, mwN).

5 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15. Jänner 2019 wurde der Antrag der Revisionswerberin, die mitbeteiligten Parteien gemäß § 7 NÖ Bauordnung 2014 - NÖ BO 2014 zu verpflichten, für den Vollzug eines sie betreffenden, näher genannten Abbruchauftrages das Befahren bestimmt bezeichneter (im Eigentum der mitbeteiligten Parteien stehender) Grundstücke zu dulden, abgewiesen. 6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die von der Revisionswerberin dagegen erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen und eine ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt.

7 Dabei ging das Verwaltungsgericht im Wesentlichen davon aus, dass die mitbeteiligten Parteien Eigentümer der antragsgegenständlichen Grundstücke seien. Die Revisionswerberin sei Eigentümerin zweier weiterer Grundstücke und verpflichtet worden, jenen Teil ihrer Pergola zu entfernen, der sich nicht auf ihrem Grundstück, sondern auf einem im Eigentum des Herrn H. stehenden Nachbargrundstück befinde. Gemäß § 7 Abs. 1 NÖ BO 2014 müssten die Eigentümer die vorübergehende Benützung von Grundstücken und Bauwerken sowie des Luftraumes über diesen durch die Eigentümer der bestehenden oder zu errichtenden Bauwerke auf den Nachbargrundstücken und durch die von diesen Beauftragten dulden, wenn diese nur so oder anders nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten u.a. Erhaltungs- oder Abbrucharbeiten oder Sicherungsmaßnahmen durchführen könnten.

8 § 7 Abs. 1 NÖ BO 2014 normiere die grundsätzliche Verpflichtung der Eigentümer von Nachbargrundstücken, für die Durchführung von beispielsweise Abbrucharbeiten die Nutzung ihres Grundstückes zu dulden. Der Begriff des "Nachbarn" sei nach § 6 NÖ BO 2014 auszulegen. Die dort genannten Voraussetzungen lägen aber im gegenständlichen Fall gerade nicht vor: Zwar wären die Grundstücke der Revisionswerberin zu den antragsgegenständlichen Grundstücken "Nachbargrundstücke" und auch zu jenem des Herrn H., auf das sich der Abbruchauftrag beziehe, doch seien die antragsgegenständlichen Grundstücke zu dem Grundstück des Herrn H. nicht als Nachbargrundstücke zu qualifizieren, weil sie weder aneinander angrenzten noch der Abstand zueinander unter 14 m betrage. Selbst wenn man aber das geforderte räumliche Naheverhältnis des Grundstückes des Herrn H. zu den antragsgegenständlichen Grundstücken als erfüllt betrachtete, wäre der Eigentümerbegriff des § 7 Abs. 1 NÖ BO 2014 nicht erfüllt, weil vom "Eigentümer des Nachbargrundstückes" die Rede sei. Eigentümer des vom Abbruchauftrag betroffenen Grundstückes sei Herr H.; der Abbruchauftrag beziehe sich somit ausschließlich auf ein Grundstück, das nicht im Eigentum der Revisionswerberin stehe. Für ein solches Fremdgrundstück könne die Revisionswerberin keinen Antrag auf Duldung stellen.

9 Eine Duldungsverpflichtung bestehe nach § 7 Abs. 1 NÖ BO 2014 weiters nur dann, wenn Arbeiten nur so oder anders nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden könnten. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Abbruch einer Holzpergola ohne Benützung der antragsgegenständlichen Grundstücke unmöglich wäre, zumal eine solche Unmöglichkeit seitens der Revisionswerberin nicht dargetan worden sei. Zwar entstünde ohne Befahren der antragsgegenständlichen Grundstücke der Revisionswerberin zweifelsohne ein physischer Mehraufwand, inwieweit damit aber unverhältnismäßig hohe Mehrkosten entstünden, sei mangels entsprechenden Vorbringens nicht dargetan worden. Auch deshalb wäre daher die beantragte Duldungsverpflichtung zu verneinen. 10 Die Revision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) im Wesentlichen vor, es existiere keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wie der Begriff des "Nachbargrundstückes" im Sinne des § 7 NÖ BO 2014 auszulegen sei. Die an § 6 NÖ BO 2014 orientierte Auslegung des Verwaltungsgerichtes sei zu eng; eine Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Regelung und im Vergleich zum Güter- und Seilwegegesetz sei naheliegender. Ebenso sei zu prüfen, ob der Grundstücksbegriff des § 7 NÖ BO 2014 von der grundbücherlichen Grundstücksnummer, der Einlagezahl oder der Darstellung des Grundstücks in der Natur ausgehe. Überdies habe das Verwaltungsgericht gegen den Grundsatz der amtswegigen Wahrheitsforschung verstoßen: Es habe Negativfeststellungen dazu getroffen, ob der Revisionswerberin ohne Benützung der Nachbargrundstücke unverhältnismäßig hohe Kosten entstünden und dies damit begründet, dass von der Revisionswerberin keine Beweisanträge zu diesem Thema gestellt worden seien. Das Verwaltungsgericht wäre aber verpflichtet gewesen, zu diesem Beweisthema selbst ein Gutachten oder eine Stellungnahme eines Amtssachverständigen einzuholen. Es existiere schließlich auch keine Rechtsprechung, wie mit den Duldungspflichten der Nachbarn umzugehen sei, wenn es sich bei den durchzuführenden Bauarbeiten nicht um ein von der Revisionswerberin angestrebtes Bauvorhaben handle, sondern um die Umsetzung eines behördlichen Auftrages, dessen Nichterfüllung mit Beugestrafen geahndet werden könne. 11 Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf:

12 Soweit sich das Zulassungsvorbringen im Zusammenhang mit der Auslegung des Begriffes des "Nachbargrundstückes" gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Bezugnahme auf § 6 NÖ BO 2014 ausspricht und den Begriff des "Grundstückes" an sich als auslegungsbedürftig bezeichnet, übersieht die Revisionswerberin, dass das Verwaltungsgericht eine Duldungsverpflichtung der mitbeteiligten Parteien nicht nur wegen des - in räumlicher Hinsicht - Nichtvorliegens eines Nachbargrundstückes verneinte, sondern auch deshalb, weil die Revisionswerberin als Nichteigentümerin des vom Bauauftrag betroffenen Grundstückes eine solche Duldungspflicht nicht geltend machen dürfe, sowie schließlich deshalb, weil der Revisionswerberin die Erfüllung des Bauauftrages auch ohne vorübergehende Benützung der Grundstücke der mitbeteiligten Parteien nicht unmöglich oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten möglich sei.

13 Beruht aber ein Erkenntnis auf einer tragfähigen Alternativbegründung und wird im Zusammenhang damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt, so erweist sich die Revision als unzulässig. Dies gilt selbst dann, wenn davon auszugehen ist, dass die anderen Begründungsalternativen rechtlich unzutreffend sind (VwGH 4.3.2019, Ra 2018/14/0358; 1.6.2017, Ra 2017/20/0145, jeweils mwN).

14 Was nun die Begründung des Verwaltungsgerichtes betrifft, nur der Eigentümer des vom Bauauftrag betroffenen Grundstückes könne eine Duldungspflicht geltend machen, bringt die Zulassungsbegründung der Revision dazu nichts vor. Insofern wird zu dieser Alternativbegründung keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt.

15 Aber auch mit der Zulassungsbegründung zur weiteren Alternativbegründung der fehlenden Unmöglichkeit oder der Unverhältnismäßigkeit einer zur Benützung der Grundstücke der mitbeteiligten Parteien alternativen Ausführung des Bauauftrages wird keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dargelegt, fehlt es doch hinsichtlich des diesbezüglich geltend gemachten Verfahrensmangels an einer Darlegung dessen Relevanz (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2018/19/0583; 31.1.2019, Ra 2018/07/0478).

16 Das Zulassungsvorbringen, es existiere keine Rechtsprechung, wie mit den Duldungspflichten der Nachbarn umzugehen sei, wenn es sich bei den durchzuführenden Bauarbeiten nicht um ein vom Antragsteller angestrebtes Bauvorhaben handle, sondern um die Umsetzung eines behördlichen Auftrages, führt schon deshalb nicht zum Erfolg, weil dazu in den Revisionsgründen nichts mehr ausgeführt wird (vgl. etwa VwGH 11.10.2019, Ra 2019/05/0277 und 0278; 25.1.2019, Ra 2018/20/0483; 22.11.2017, Ra 2014/06/0038).

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 16. Dezember 2019

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte