Normen
AVG §58 Abs2
AVG §60
VwGVG 2014 §17
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019040057.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1.1. Das Land Salzburg (mitbeteiligte Partei) führte als öffentlicher Auftraggeber ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung über Postdienstleistungen durch.
2 Die Bekanntmachung erfolgte am 24. Juli 2018, die Frist für die Abgabe der Teilnahmeanträge endete am 27. August 2018.
3 1.2. Mit Schriftsatz vom 20. August 2018 beantragte die Revisionswerberin bereits die Nichtigerklärung der Ausschreibung bzw. der Teilnahmeunterlagen (der Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrages gemäß § 2 Z 16 lit. a sublit. dd Bundesvergabegesetz 2006 ‑ BVergG 2006). Dieser ‑ hier nicht verfahrensgegenständliche ‑ Antrag auf Nichtigerklärung wurde vom Landesverwaltungsgericht Salzburg als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Dezember 2019, Ra 2018/04/0199, aufgehoben.
4 1.3. Mit dem hier verfahrensgegenständlichen Antrag begehrte die Revisionswerberin die Nichtigerklärung der Ausschreibung und brachte zur Begründung zusammengefasst vor, es handle sich bei dem Inhalt des Ausschreibungsgegenstandes um einen unzulässigen Leistungsgegenstand, namentlich um die unzulässige Vergabe einer dem Universaldienstbetreiber nach Postmarktgesetz vorbehaltenen Leistung. In diesem Zusammenhang werde die rechtswidrige Auslegung des Kontrahierungszwangs gemäß § 19 PMG, die rechtswidrige Festlegung eines wesentlichen Leistungsgegenstandes als „bloße Option“, die rechtswidrige Festlegung in Bezug auf die Eignung der Bewerber, die rechtswidrige Festlegung in Bezug auf die Subunternehmer sowie Unmöglichkeit einer vergaberechtskonformen Eignungsprüfung, ein unsachliches Missverhältnis in Bezug auf die Gewichtung der Zuschlagskriterien und Provokation zur spekulativen Preisgestaltung, die rechtswidrige Umgehung des Bestbieterprinzips, die durch die Ausschreibungsbedingungen veranlasste Verletzung von Geschäfts‑ und Betriebsgeheimnissen, der intransparente Ablauf der zweiten Verfahrensstufe und die willkürliche und intransparente Festlegung betreffend Alternativangebote sowie ein rechtswidriger Anspruchsverzicht geltend gemacht.
5 2.1. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19. Februar 2019 wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (Verwaltungsgericht) mit dem hier angefochtenen Erkenntnis vom 1. März 2019 den Nachprüfungsantrag der Revisionswerberin und den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühren ab, hob die im Rahmen dieses Verfahrens erlassene einstweilige Verfügung vom 25. Jänner 2019 auf und erklärte unter einem die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig.
6 2.2. In seiner Begründung traf das Verwaltungsgericht zunächst die unstrittigen hier unter Punkt 1.1 wiedergegebenen Feststellungen zum Ablauf des Vergabeverfahrens. Es erachtete den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Nichtigerklärung der Ausschreibungsunterlagen für rechtzeitig und stellte die Entrichtung der vorgeschriebenen Pauschalgebühren fest.
7 Ferner „traf“ das Verwaltungsgericht die „Feststellungen“, die Wahl des Vergabeverfahrens in Form einer Rahmenvereinbarung ermögliche den auch nur teilweisen Abruf der angebotenen Leistungen. Die Eignung der Bieter und angegebenen Subunternehmer müsse nach den Angaben in der Aufforderung zur Angebotsabgabe zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe vorliegen. Die geforderte Eignung der Revisionswerberin als Universaldienstbetreiber sei vorgelegen. Der Universaldienstbetreiber als Subunternehmer sei nicht zwingend anzugeben. Die Option „Inlandspostdienstleistungen“ sei kein wesentlicher Leistungsgegenstand und sei auf Grund der Wahl einer Rahmenvereinbarung von der Auftraggeberin zudem nicht verpflichtend abzurufen. Die Kalkulation der Antragstellerin als Universaldienstleister der Subunternehmerleistungen sei nicht gegenüber den Mitbietern offen zu legen. Betriebs‑ und Geschäftsgeheimnisse seien gegenüber den Mitbietern nicht preiszugeben. Die Möglichkeit der Abgabe eines selbständigen Alternativangebotes stelle keine Benachteiligung einzelner Bieter dar. Die Vorlage der von der Antragstellerin vorgebrachten Vorfragen an den EuGH bezüglich der Subunternehmerleistungen als Universaldienstbetreiber würden keine Fragen im gegenständlichen Verfahren darstellen.
8 Diese „Feststellungen“ würden sich aus dem vorgelegten Vergabeakt und den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung sowie den Schriftsätzen der Parteien ergeben.
9 In seiner rechtlichen Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, es sei über das Vorbringen der Revisionswerberin im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 19 PMG und dem Vorbringen, dass die Revisionswerberin als Universaldienstbetreiber einem Kontrahierungszwang unterliege im gegenständlichen Verfahren „keine Entscheidung mehr zu treffen“, da diese bereits im Nachprüfungsverfahren zu den Teilnahmeunterlagen entschieden worden sei. Zum Vorbringen, dass der Universaldienstbetreiber von jedem Unternehmer zum Nachweis der Eignung als Subunternehmer im Nachhinein bloß namhaft gemacht werden könne und daher keiner Prüfung durch den Auftraggeber unterliege, weshalb dessen Prüfpflicht betreffend die Eignung der Universaldienstbetreiberin ausgehebelt werde, könne die Revisionswerberin kein rechtswidriges Verhalten des Auftraggebers darlegen. Es sei wiederholt vorgebracht worden, dass die Revisionswerberin in Österreich die einzige Universaldienstbetreiberin sei und deren Eignung schon alleine deshalb vorliege. Die Wahl des Vergabeverfahrens als Rahmenvereinbarung ermöglich es, dass die einzelnen Teilleistungen nicht abgerufen werden müssten. Die Nennung der erforderlichen Subunternehmer sei von der Auftraggeberin in die Aufforderung zur Angebotslegung eingefügt worden. Dass die Gewichtung der Zuschlagskriterien in einem unsachlichen Missverhältnis zueinander stünden, sei aus Sicht des Verwaltungsgerichts nicht zu bestätigen. Dass die verhältnismäßig geringe Anzahl an Inlandspostzustellungen geeignet sei, die Revisionswerberin zu benachteiligen und die übrigen Bieter zu spekulativen Preisgestaltungen zu provozieren, könne nicht nachvollzogen werden. Die Umgehung des Bestbieterprinzips liege nicht vor, zumal die Bewertung des Anteils für den Angebotspreis mit 84 % und die Zustellqualität mit 16 % eine Festlegung in der Ausschreibung sei. Die Qualifikation der einzigen Universaldienstbetreiberin zu hinterfragen, wäre absurd und es könne daher weder von einer verpflichtenden Subunternehmernennung oder von einer fremdbestimmten Inanspruchnahme als Subunternehmerin gesprochen werden, noch könne von der Revisionswerberin die Offenlegung der Kalkulation der ohnedies festgelegten Preise verlangt werden. Der Umstand, dass es zu keinem „short listing“ komme, könne nicht zur Rechtswidrigkeit der Aufforderung zur Angebotsabgabe führen. Dass sich willkürliche und intransparente Festlegungen zu den Alternativangeboten in der Aufforderung zur Angebotsabgabe befänden, könne nicht festgestellt werden. Der angeregten Vorlage an den EuGH sei nicht nachzukommen, da die vorgebrachten Rechtsfragen überwiegend den Entscheidungsgegenstand im Vorverfahren gebildet hätten. Zudem sei das Verwaltungsgericht kein letztinstanzliches Gericht, welches einer Vorlageverpflichtung unterliege.
10 3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision.
11 Revisionsbeantwortungen wurden im Vorverfahren nicht erstattet.
12 4. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
13 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst vor, die angefochtene Entscheidung weiche von der Rechtsprechung zum erforderlichen Inhalt einer Begründung von verwaltungsgerichtlichen Erkenntnissen ab. Das angefochtene Erkenntnis werde den in dieser Rechtsprechung definierten Voraussetzungen in keiner Weise gerecht. So enthalte dieses weder Feststellungen noch eine Darstellung der Beweisergebnisse bzw. derjenigen Überlegungen, die das Verwaltungsgericht dazu bewogen hätten, den der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt festzustellen. Überdies fehle es an der Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des angefochtenen Erkenntnisses geführt hätten.
14 Die Revision ist bereits aus diesem Grund zulässig und berechtigt.
15 4.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits vielfach zur Begründungspflicht der Verwaltungsgerichte Folgendes festgehalten: Nach § 17 VwGVG („Anzuwendendes Recht“) sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B‑VG grundsätzlich die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teils, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes, sowie im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen im Bundes- oder Landesgesetz sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Vor diesem Hintergrund hatte das Verwaltungsgericht seine vorliegende Entscheidung iSd § 58 AVG zu begründen (vgl. Abs. 2 dieser Bestimmung). Im Sinne des § 60 AVG waren in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen, sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 20. März 2014, 2012/08/0024, und VwGH vom 21. Dezember 2010, 2007/05/0231, beide mwH) erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben.
16 Die von § 60 AVG verlangte Zusammenfassung wird in Bezug auf die Beweiswürdigung kurz ausfallen können, wenn keine einander widersprechenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vorliegen. Bei Widersprüchen allerdings zwischen den Behauptungen und den Angaben der Verfahrenspartei und sonstigen Ermittlungsergebnissen bedarf es einer klaren und übersichtlichen Zusammenfassung der maßgeblichen, bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen, damit der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung der Behörde auf ihre inhaltliche Rechtmäßigkeit überprüfen kann.
17 Die drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elemente einer ordnungsgemäß begründeten verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen sohin erstens in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, zweitens in der Beweiswürdigung und drittens in der rechtlichen Beurteilung. Die bloße Zitierung von Beweisergebnissen wie zB von Zeugenaussagen ist weder erforderlich noch hinreichend, eine Aufzählung aufgenommener Beweise mag zweckmäßig sein. Lässt eine Entscheidung die Trennung dieser Begründungselemente in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, dann führt ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund. Gleiches gilt, wenn eine solche maßgebliche Beeinträchtigung sonst in einem Mangel an Klarheit bzw Übersichtlichkeit der Zusammenfassung iSd § 60 AVG gründet (vgl. zu diesem für die Entscheidung eines Verwaltungsgerichts maßgeblichen Begründungsstandard etwa VwGH 18.2.2015, Ra 2014/03/0045, mwN).
18 4.3. Die Revision zeigt zu Recht auf, dass das angefochtene Erkenntnis in mehrfacher Hinsicht gegen die oben wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Begründungsverpflichtung verstößt und insbesondere jegliche Feststellungen vermissen lässt, die erforderlich sind, um darauf eine rechtliche Beurteilung zu gründen. Bei den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen „Sachverhaltsfeststellungen“ handelt es sich nicht um Tatsachen, sondern um Rechtsansichten bzw. rechtliche Schlussfolgerungen, denen jeglicher Zusammenhang mit Sachverhaltsfeststellungen fehlt. Ausgehend davon, dass sich das Verwaltungsgericht im Nachprüfungsverfahren dem Vorbringen der Revisionswerberin zufolge mit den Rechtswidrigkeiten in der Ausschreibungsunterlage zu befassen hatte, fehlt schon jede Feststellung zum Inhalt der Ausschreibungsunterlagen selbst. Ohne den Inhalt der Ausschreibungsunterlagen festzustellen, ist die rechtliche Beurteilung der vorgebrachten Rechtswidrigkeiten aber keinesfalls möglich. Ebenso ist eine allfällige Präklusion von Parteienvorbringen nur rechtlich beurteilbar, wenn festgestellt ist, was bereits Gegenstand der Teilnahmeunterlagen war und inwiefern diese bestandskräftig wurden.
19 Schon auf Grund der fehlenden Feststellungen insbesondere zum Inhalt der Ausschreibungsunterlagen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht in der Lage, die rechtliche Kontrolle in der verfahrensgegenständlichen Angelegenheit wahrzunehmen.
20 Im Übrigen fällt auch die „Beweiswürdigung“ im angefochtenen Erkenntnis ‑ wie von der Revision zu Recht gerügt ‑ völlig inhaltsleer aus. Völlig offen bleibt in diesem Zusammenhang, inwiefern die Angaben der mitbeteiligten Partei zu den Stückzahlen der Inlandszustellungen der rechtlichen Beurteilung im angefochtenen Erkenntnis zugrunde zu legen waren, abgesehen davon, dass auch zu diesen Tatsachenvorbringen jegliche Feststellungen fehlen. Insofern erübrigte es sich, auf die Mängel der rechtlichen Begründung im angefochtenen Erkenntnis näher einzugehen. Dieses ist bereits aufgrund der dargelegten sekundären Feststellungsmängel wegen prävalierender Rechtswidrigkeit des Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
21 Im fortgesetzten Verfahren wird das Verwaltungsgericht diejenigen Inhalte der Ausschreibung, die vom Vorbringen der Revisionswerberin betroffen sind, festzustellen haben. Ebenso werden ‑ sofern diese der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen sind ‑ Feststellungen zu den strittigen Tatsachen betreffend die Anteile der Inlands- und Auslandszustellungen zu treffen sein, wobei divergierende Ermittlungsergebnisse in der Beweiswürdigung abzuwägen sein werden und die vom Gericht dazu getroffene Annahme zu begründen sein wird.
22 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhang mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 24. Mai 2022
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