VwGH Ra 2019/03/0079

VwGHRa 2019/03/007919.8.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des D R in W, vertreten durch Rechtsanwälte Estermann & Partner OG in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das am 30. August 2018 verkündete und mit 1. April 2019 ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, Zl. VGW-221/008/8961/2018/VOR-8, betreffend Entziehung des Taxilenkerausweises (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

BetriebsO 1994 §13 Abs2
BetriebsO 1994 §6 Abs1 Z3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019030079.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde dem Revisionswerber - in Bestätigung eines entsprechenden Bescheids der belangten Behörde - gemäß § 13 Abs. 2 iVm § 6 Abs. 1 Z 3 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr (BO 1994) der Taxilenkerausweis für die Dauer von vier Jahren (beginnend mit der Zustellung des behördlichen Bescheids am 27. September 2017) entzogen; die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde nicht zugelassen.

2 Dem legte das Verwaltungsgericht - auf das Wesentliche zusammengefasst - Folgendes zu Grunde:

3 Der Revisionswerber habe am 6. Juli 2017 als Lenker eines Kraftfahrzeugs das von einem Organ der Straßenaufsicht deutlich sichtbar gegebene Zeichen zum Anhalten nicht beachtet, sei - unter Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit - weitergefahren und habe dabei das Rotlicht einer Verkehrslichtsignalanlage missachtet. Bei der später erfolgten Anhaltung seien deutliche Symptome einer Alkoholisierung wahrgenommen worden, der Alkoholtest habe einen Wert von 0,99 mg/l Atemluftalkoholgehalt ergeben.

4 Für die Bemessung der Entziehungsdauer sei auch Folgendes zu berücksichtigen:

5 Dem Revisionswerber sei schon mit Bescheid vom 3. September 2007 der ihm im November 2005 ausgestellte Taxilenkerausweis für 12 Monate entzogen worden, weil er (u.a.) als Lenker eines Taxifahrzeugs durch Querstellen seines Fahrzeugs eine andere Lenkerin genötigt und dadurch das Vergehen nach § 105 StGB begangen habe.

6 Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 18. März 2008 sei ihm die Lenkberechtigung wegen eines Alkoholdelikts (Verweigerung einer Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt als Lenker eines Taxifahrzeugs) für vier Monate entzogen worden.

7 Mit Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien vom 18. Jänner 2012 sei ihm abermals - wegen mehrerer Vergehen nach dem StGB bzw. dem SuchtmittelG - die Lenkberechtigung (für sieben Monate) entzogen worden. Wegen dieser Vergehen sei ihm zudem der Taxilenkerausweis für die Dauer von 24 Monaten entzogen worden.

8 Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 11. November 2014 sei dem Revisionswerber - weil er am 21. Juli 2014 als Lenker eines Taxifahrzeugs in einem durch Suchtmittel beeinträchtigten Zustand angetroffen worden war - der Taxilenkerausweis für 18 Monate entzogen worden, wobei mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 20. April 2015 die Entziehungszeit auf 12 Monate herabgesetzt worden sei. 9 Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 14. April 2016 schließlich sei dem Revisionswerber der Taxilenkerausweis für 24 Monate entzogen worden, weil er, ohne im Besitz einer Taxilenkberechtigung zu sein, ein Taxi gelenkt und dabei einen anderen Taxifahrer im Zuge eine Streits mit einem Pfefferspray verletzt habe; mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 19. September 2016 sei die Entziehungszeit auf sechs Monate herabgesetzt worden.

10 Gemäß § 13 Abs. 2 BO 1994 sei der Taxilenkerausweis zu entziehen, wenn eine der für die Ausstellung erforderlichen Voraussetzungen - darunter die Vertrauenswürdigkeit - nicht mehr vorliege.

11 Vertrauenswürdigkeit bedeute, dass die nach der Eigenart des Gewerbes erforderlichen Eigenschaften der im Fahrdienst verwendeten Personen hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit, insbesondere in Ansehung der Sicherheit der im Rahmen des Taxigewerbes zu befördernden Personen, gewährleistet seien; der Schutzzweck der BO 1994 sei aber nicht auf den Straßenverkehr beschränkt, sondern darauf gerichtet, Personen vor der Verletzung jedes durch die Rechtsordnung geschützten Rechtsguts zu bewahren. 12 Zwecks Vornahme der notwendigen Beurteilung sei das Gesamtverhalten des Betroffenen festzustellen; sei aus bestimmten Tatsachen zu schließen, dass der betroffene Taxilenker in Zukunft nicht die Gewähr für die Erfüllung der für dieses Gewerbe bestehenden besonderen Anforderungen biete, sei die Vertrauenswürdigkeit zu verneinen.

13 Für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit sei entsprechend § 6 Abs. 1 Z 3 BO 1994 ein Beobachtungszeitraum von fünf Jahren maßgebend, wobei länger zurück liegendes Fehlverhalten weniger schwer wiege als aktuelle Verstöße. In die vorzunehmende Beurteilung sei auch ein vor dem Beobachtungszeitraum gesetztes Verhalten einzubeziehen, wenn es - allein oder in Verbindung mit anderen Umständen im Beobachtungszeitraum - der Annahme der Vertrauenswürdigkeit entgegen stehe (jeweils Hinweise auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs).

14 Fallbezogen sei zu betonen, dass Alkoholdelikte zu den schwersten Übertretungen im Straßenverkehr zählten, weil alkoholisiertes Lenken oft gravierende Verkehrsunfälle mit Sach- und Personenschäden zur Folge hätte; der vom Revisionswerber bei der Anlasstat aufgewiesene Alkoholisierungsgrad übersteige den gesetzlichen Grenzwert von 0,25 mg/l nahezu um das Dreifache und sei besonders verwerflich. Die festgestellte "Kurz-Chronologie" des Verhaltens des Revisionswerbers, den weder Bestrafungen noch die Entziehung von Lenkberechtigung und Taxilenkerausweis zu einer nachhaltigen Änderung seines Verhaltens bewogen hätten, zeige, dass dieser im Zeitraum von 2012 bis 2018 nicht in der Lage gewesen sei, ein über mehrere Monate hinausgehendes Wohlverhalten an den Tag zu legen. Gerade angesichts der mehrmaligen früheren Entzüge des Taxilenkerausweises, die offensichtlich keine Wesensänderung bewirken hätten können, bedürfe es nunmehr eines längeren Zeitraums, um die Vertrauenswürdigkeit wiederzuerlangen, weshalb eine Verkürzung der von der belangten Behörde festgesetzten Entziehungsdauer nicht in Betracht komme. 15 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, zusammen mit den Verfahrensakten vorgelegte - außerordentliche - Revision.

16 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 17 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 18 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 19 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision legt nicht dar, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beantworten hätte.

20 Die Revision macht - auf das Wesentliche zusammengefasst - geltend, die angefochtene Rechtsprechung weiche von - näher zitierter - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, weil sie zur Bemessung der Entziehungsdauer auch auf außerhalb des fünfjährigen Beobachtungszeitraums nach § 6 Abs. 1 Z 3 BO 1994 liegende Elemente abgestellt habe, weil sie nicht ausreichend berücksichtigt habe, dass bei den dem Revisionswerber angelasteten Delikten niemals ein Taxifahrgast gefährdet worden sei, und weil sie dem Erfordernis, eine begründete Prognose über die Dauer des Mangels der Vertrauenswürdigkeit zu erstellen, nur unzureichend Rechnung getragen habe. Zudem fehle es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, ob ein sprunghafter Anstieg der Entziehungsdauer - wie im Revisionsfall auf das Achtfache der zuletzt ausgesprochenen - zulässig sei.

21 Zur behaupteten Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung in Bezug auf die Entziehung des Taxilenkerausweises ist auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Mai 2014, Ro 2014/03/0001, 27. Mai 2010, 2009/03/0147, 23. Oktober 2008, 2008/03/0058, und 15. November 2007, 2007/03/0153, zu verweisen:

22 Ausgehend von § 6 Abs. 1 Z 3 BO 1994, wonach - damit der Ausweis auszustellen ist - "die Vertrauenswürdigkeit zumindest in den letzten fünf Jahren vor der Ausstellung des Ausweises nachweislich gegeben sein (muss)", ist im Verfahren über einen Antrag auf Ausstellung eines Taxiausweises eine Wertung des Verhaltens des Antragstellers innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraumes vorzunehmen. Der Beobachtungszeitraum von fünf Jahren ist (nur) zur Beurteilung der Zuverlässigkeit heranzuziehen, jedoch zieht nicht jedes in diesem Zeitraum gesetzte Verhalten des Bewerbers um einen Taxilenkerausweis, das bei Vorliegen im Zeitpunkt der Ausstellung eine Unzuverlässigkeit indizieren würde, die Unzuverlässigkeit nach sich, wenn es weiter zurückliegt und im Zeitpunkt der Ausstellung nicht mehr - etwa im Hinblick auf das zwischenzeitige Wohlverhalten - die Annahme der Unzuverlässigkeit begründen könnte. Es ist also eine Wertung des Verhaltens des Antragstellers innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums dahin vorzunehmen, ob die Vertrauenswürdigkeit zum Zeitpunkt der Ausstellung des Taxilenkerausweises gegeben ist oder nicht. Dieser in § 6 Abs. 1 Z 3 BO 1994 festgelegte Beurteilungszeitraum von fünf Jahren ist auch im Verfahren über die Entziehung eines Taxiausweises von Bedeutung. Es ist das Gesamtverhalten des Betroffenen danach zu bewerten, ob es die Annahme begründet, er sei nicht mehr vertrauenswürdig; falls diese Annahme als begründet erachtet wird, ist die Prognose erforderlich, in welchem Zeitraum der Betreffende die Vertrauenswürdigkeit wieder erlangen wird, für welche Zeitspanne also der Ausweis zu entziehen ist. Die Dauer der Entziehung des Taxiausweises hat also nach dem Gesetz eine begründete Prognose über die Dauer des Mangels der Vertrauenswürdigkeit des von dieser Maßnahme Betroffenen widerzuspiegeln. Zwecks Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen ist das Gewicht des Fehlverhaltens unter Bedachtnahme auf die seither verstrichene Zeit zu beurteilen (VwGH Ro 2014/03/0001). Der Schutzzweck der BO 1994 ist nicht auf den Straßenverkehr allein beschränkt, sondern darauf gerichtet, Personen vor der Verletzung jedes durch die Rechtsordnung geschützten Rechtsgutes zu bewahren; es spielt daher keine Rolle, ob dem Betroffenen angelastete Übertretungen im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Taxilenker begangen wurden. Entscheidend ist vielmehr, ob sich aus ihnen ein Persönlichkeitsbild erkennen lässt, das den Betroffenen als Taxilenker nicht (mehr) vertrauenswürdig erscheinen lässt (VwGH 2009/03/0147). Der Verwaltungsgerichtshof hat schon erkannt, dass im Rahmen der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit auch die einer getilgten Verurteilung zu Grunde liegende Straftat im Rahmen eines zu beurteilenden Gesamtverhaltens Berücksichtigung finden kann (vgl. VwGH 23.4.2019, Ra 2019/03/0041, 21.12.1999, 97/19/0787, 7.10.1985, 85/15/0233).

23 Der Revision gelingt es nicht darzutun, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Einschätzung der Vertrauensunwürdigkeit des Revisionswerbers von den durch diese Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs gezogenen Leitlinien abgewichen wäre. Ob die iSd § 6 Abs. 1 Z 3 BO 1994 erforderliche Vertrauenswürdigkeit vorliegt, ist letztlich nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, weil das Gesamtverhalten des Betroffenen danach zu bewerten ist, ob es die Annahme begründet, er sei nicht (mehr) vertrauenswürdig. Es kann (auch vor dem Hintergrund der zulässigen Einbeziehung auch getilgten Verurteilungen zu Grunde liegenden Fehlverhaltens) daher nicht als rechtsfehlerhaft erkannt werden, wenn das Verwaltungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Prognose auch auf außerhalb des Fünfjahreszeitraums nach § 6 Abs. 1 Z 3 BO 1994 liegende Übertretungen Bedacht genommen hat. Angesichts der festgestellten Übertretungen des Revisionswerbers, wobei die Anlasstat von massiven Verstößen gegen die Verkehrssicherheit gekennzeichnet war, und unter Berücksichtigung des vom Verwaltungsgericht betonten Umstands, dass frühere Entzüge des Taxilenkerausweises zu keiner nachhaltigen Besserung seines Verhaltens geführt haben, ist die Entziehung des Taxilenkerausweises für die vom Verwaltungsgericht festgesetzte Dauer nach dem Prüfungsmaßstab des Verwaltungsgerichtshofs nicht zu beanstanden. Zur von der Revision monierten "Verachtfachung" der Entziehungsdauer ist ergänzend festzuhalten, dass die BO 1994 die Bemessung der Entziehungszeit nicht von der Dauer einer früheren Entziehung abhängig macht, diese vielmehr ausgehend vom Gewicht des jeweiligen Fehlverhaltens unter Bedachtnahme auf die seither verstrichene Zeit als "Prognosebasis" festzulegen ist. Nur der Vollständigkeit halber ist überdies festzuhalten, dass der Aktenlage nach die mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 19. September 2016 ausgesprochene Entziehung des Taxilenkerausweises für sechs Monate unmittelbar auf die vorangegangene Entziehung für 12 Monate folgte, und dass der zu Grunde liegende Vorwurf (Lenken eines Taxis ohne Taxilenkerberechtigung; vom seitens der Behörde zudem erhobenen Vorwurf der Körperverletzung durch Verwenden eines Pfeffersprays war der Revisionswerber freigesprochen worden) mit der nunmehrigen "Anlasstat" nicht vergleichbar war. 24 Nach dem Gesagten werden in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 19. August 2019

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