VwGH Ra 2019/03/0041

VwGHRa 2019/03/004123.4.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Dr. S E in L, vertreten durch Dr. Herbert Veit, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Coulinstraße 20, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Februar 2019, Zlen. W195 2193473-1/12E, W195 2196028-1/4E, betreffend eine Justizangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsidentin des Oberlandesgerichtes Linz), den Beschluss gefasst:

Normen

RAO 1868 §5 Abs2
StPO 1975 §39 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019030041.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Präsidentin des Oberlandesgerichtes Linz vom 16. April 2018 wurde der Revisionswerber "gemäß § 39 Abs 3 dritter Satz StPO aF iVm § 516 Abs 4 letzter Satz StPO idF BGBl. I Nr. 93/2007" aus der von der Präsidentin des Oberlandesgerichtes Linz zu führenden Verteidigerliste gestrichen (Spruchpunkt 1.). Gleichzeitig wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt 2.).

2 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in Bezug auf den angefochtenen Spruchpunkt 1. des Bescheides ab. In Bezug auf den angefochtenen Spruchpunkt 2. des Bescheides erklärte das BVwG die Beschwerde als gegenstandslos und stellte das Verfahren ein. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.

3 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, der Revisionswerber sei im Zeitraum von Mai 2010 bis März 2014 wegen diverser Berufspflichtverletzungen durch den Disziplinarrat der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer mehrfach rechtskräftig verurteilt worden. Manchen dieser Disziplinarerkenntnisse seien Sachverhalte zugrunde gelegen, welche auch zivil- oder strafrechtliche Verurteilungen des Revisionswerbers zur Folge gehabt hätten. Im Folgenden wurden diese Verurteilungen in der Begründung der Entscheidung auch näher dargestellt. Daraus sei zu schließen, dass beim Revisionswerber die für den Verbleib in der Verteidigerliste erforderliche Vertrauenswürdigkeit nicht mehr vorliege. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die strafrechtliche Verurteilung - behaupteter Maßen - seit 9. September 2018 getilgt sei, weil das Verwaltungsgericht nicht daran gehindert sei, die einer getilgten Verurteilung zugrunde liegende Straftat im Rahmen des zu beurteilenden Gesamtverhaltens zu berücksichtigen.

4 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit geltend gemacht wird, das BVwG sei von der bisher durchgängigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Im Unterschied zur bisherigen höchstgerichtlichen Judikatur habe das BVwG schon aufgrund eines einmaligen Vorfalles, der zur strafgerichtlichen Verurteilung des Revisionswerbers geführt habe, den Schluss gezogen, dass hier auch bei einer bereits getilgten Strafe ausschließlich und nur mit der Streichung aus der Verteidigerliste vorzugehen sei. Der Verwaltungsgerichtshof berücksichtige getilgte Strafen nur dann, wenn deren Schwere und Wiederholung auf einen Charaktermangel des Verteidigers schließen lasse. Hier liege aber nur eine Verurteilung vor. Das BVwG ignoriere den über lange Jahre ausgeprägten Rechtsgrundsatz des Verwaltungsgerichtshofes völlig, dass die zeitliche Komponente hier ebenfalls eine wesentliche Rolle spiele (Hinweis auf VwGH 97/19/0878 und 2006/06/0087).

5 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

6 Vorauszuschicken ist, dass sich die Revision gegen die gesamte Entscheidung des BVwG richtet, in der Zulassungsbegründung aber nur Rechtsfragen anspricht, die den Spruchpunkt der Streichung aus der Verteidigerliste betreffen. Hinsichtlich der Einstellung des Verfahrens in Bezug auf den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung enthält die Revision keine gesonderte Zulassungsbegründung und war insoweit schon deshalb zurückzuweisen.

7 Zur behaupteten Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung in Bezug auf die Streichung aus der Verteidigerliste ist auf das in der gegenständlichen Rechtssache ergangene Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. November 2017, Ro 2017/03/0023, hinzuweisen. In dieser Entscheidung wurde unter Hinweis auf höchstgerichtliche Vorjudikatur ausgesprochen, dass eine Streichung von der Liste der Verteidiger zu erfolgen hat, wenn die Voraussetzungen für die Eintragung nicht (mehr) vorliegen. Zu den Voraussetzungen für eine Eintragung in der Verteidigerliste zählt unter anderem die Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen im Sinne des § 5 Abs. 2 RAO. Der Verlust der Vertrauenswürdigkeit führt somit zur Ausschließung aus der Liste der Verteidiger im Sinne des § 39 Abs. 3 StPO (in der Fassung vor der Novellierung durch das Strafprozessreformgesetz BGBl. I Nr. 19/2004).

8 Bei der Prüfung der Vertrauenswürdigkeit kommt es nach der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung darauf an, ob das gesamte Verhalten des Betroffenen geeignet ist, Vertrauen in die korrekte Berufsausübung zu erwecken; dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. etwa VwGH 25.9.2007, 2006/06/0087, und 8.5.2008, 2007/06/0333, jeweils mit weiteren Nachweisen).

9 Ob "Vertrauensunwürdigkeit" im Sinne des § 5 Abs. 2 RAO in Verbindung mit § 39 Abs. 3 StPO zu bejahen ist, ist letztlich nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei ist nicht allein auf die Persönlichkeitsstruktur des Betreffenden abzustellen, sondern (unter anderem) auch darauf, dass auch Verteidiger in Strafsachen wie Rechtsanwälte zu den Organen der Rechtspflege zählen (vgl. VwGH 18.9.2003, 2003/06/0103).

10 Im vorliegenden Fall hat das BVwG die Vertrauensunwürdigkeit des Revisionswerbers auf eine Vielzahl von Disziplinarverurteilungen, auf eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Veruntreuung von Treuhandgeldern sowie eine zivilgerichtliche Verurteilung über einen knapp vierjährigen Zeitraum (bis März 2014) gestützt. Angesichts der Schwere und Häufigkeit der vom Revisionswerber gesetzten Fehlverhalten hat das BVwG den seither verstrichenen Zeitraum (von ca. fünf Jahren) als nicht ausreichend angesehen, um den Revisionswerber als vertrauenswürdig ansehen zu können.

11 Der Revision gelingt es nicht darzutun, dass das BVwG bei dieser Einschätzung von den Leitlinien der höchstgerichtlichen Judikatur abgewichen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof hat insbesondere auch erkannt, dass im Rahmen der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit auch die einer getilgten Verurteilung zu Grunde liegende Straftat im Rahmen eines zu beurteilenden Gesamtverhaltens Berücksichtigung finden kann (vgl. VwGH 21.12.1999, 97/19/0787, mit weiteren Nachweisen), und zwar - entgegen der Rechtsmeinung des Revisionswerbers - nicht bloß bei wiederholter Straffälligkeit. Es kann auch nicht als fehlerhaft erkannt werden, wenn dem korrekten Umgang mit Klientengeldern für die Frage der Vertrauenswürdigkeit besonderes Gewicht beigemessen wird (vgl. etwa VwGH 19.9.2013, 2011/01/0225, mit weiteren Nachweisen). Soweit der Revisionswerber höchstgerichtliche Rechtsprechung zitiert, wonach die seit der Straftat verstrichene Zeit des Wohlverhaltens berücksichtigt werden müsse, übersieht er zum einen, dass das BVwG eine Gesamtbeurteilung seines Verhaltens vorzunehmen hatte, bei der die Straftat nur ein (wenngleich wesentlicher) Aspekt war, und sich das BVwG zum anderen in der Begründung seiner Entscheidung auch mit der Zeitspanne nach der Straftat in einer nach dem Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu beanstandenden Weise beschäftigt hat. Der Vorwurf des Revisionswerbers an das Verwaltungsgericht, es habe die Zeit des Wohlverhaltens unberücksichtigt gelassen, trifft daher nicht zu.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 23. April 2019

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