VwGH Ra 2019/02/0089

VwGHRa 2019/02/008922.5.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des K in F, vertreten durch Mag. Johannes Polt, Rechtsanwalt in 3580 Horn, Prager Straße 5/1/11, gegen das am 13. März 2019 mündlich verkündete und am 4. April 2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich, LVwG-S-869/001-2018, betreffend Übertretung des NÖ Hundehaltegesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Horn), zu Recht erkannt:

Normen

HundehalteG NÖ 2010 §1 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019020089.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 26. März 2018 wurde der Revisionswerber schuldig befunden, er habe am 6. Jänner 2018 um 15.45 Uhr als Halter eines Hundes diesen ohne Aufsicht nicht entsprechend verwahrt, weil der unbeaufsichtigte Hund ein näher bezeichnetes Grundstück aus eigenem Antrieb durch Überwindung des Drahtzaunes der Liegenschaft bei einer schadhaften Stelle verlassen habe und ins Ortsgebiet von F. entlaufen sei, obwohl Hunde ohne Aufsicht nur auf Grundstücken oder sonstigen Objekten verwahrt werden dürfen, deren Einfriedungen so hergestellt und instand gehalten sind, dass die Hunde das Grundstück aus eigenem Antrieb nicht verlassen können. Der Revisionswerber habe dadurch die Vorschrift § 10 Abs. 1 Z 1 iVm § 1 Abs. 2 NÖ Hundehaltegesetz verletzt, weshalb über ihn gemäß § 10 Abs. 2 erster Strafsatz iVm § 10 Abs. 1 Z 1 NÖ Hundehaltegesetz eine Geldstrafe von EUR 200,-

(Ersatzfreiheitsstrafe 13 Stunden) verhängt wurde.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit mündlich verkündetem Erkenntnis als unbegründet ab. Eine ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig. Der Revisionswerber beantragte fristgerecht die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses.

3 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung - soweit für die Revision von Bedeutung - den Sachverhalt zu Grunde, dass der Revisionswerber (jedenfalls zum Tatzeitpunkt) Besitzer und Halter von zwei Hunden der Rasse "Kangal" gewesen sei. Im vorderen Bereich des vom Revisionswerber bewohnten Grundstücks sei nur ein Maschendrahtzaun aufgestellt gewesen, der teilweise mit einer Schilfmatte als Sichtschutz kombiniert gewesen sei. Die zwei Hunde hätten den Maschendrahtzaun mit der Schnauze aufgehoben und einer der Hunde sei am Haus der Nachbarin in Richtung Volksschule vorbei gelaufen. Ein Mann aus dem Haus des Revisionswerbers sei dem Hund gefolgt und habe ihn später wieder zurückgebracht. Der Revisionswerber sei zum Tatzeitpunkt ortsabwesend gewesen, der im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebenen Aussage des Revisionswerbers zufolge sei er damals auf der Rückreise von der Türkei nach Österreich gewesen. Sein Vater habe die Aufsicht über die Hunde gehabt, wenn der Revisionswerber berufsbedingt nicht zu Hause gewesen sei.

4 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht aus, dass es im NÖ Hundehaltegesetz keine Definition für den Begriff "Halter" eines Hundes gebe. Nach § 4 Tierschutzgesetz sei "Halter" jene Person, die ständig oder vorübergehend für ein Tier verantwortlich sei oder ein Tier in ihrer Obhut habe. Nach der Wiedergabe der Definitionen des Begriffes "Halter" in anderen Landesgesetzen führte das Verwaltungsgericht aus, dass im NÖ Hundehaltegesetz in § 8 auf Personen eingegangen werde, denen Hunde zum Führen oder zum Verwahren überlassen werden würden; sie müssten demnach die erforderliche Eignung und notwendige Erfahrung aufweisen. Die in § 8 Abs. 2 bis 4 NÖ Hundehaltegesetz angeführten Verpflichtungen würden jene Personen treffen, die den Hund führen. Aus den allgemeinen Anforderungen für das Halten von Hunden (§ 1 NÖ Hundehaltegesetz) ergebe sich, dass der Hundehalter die Einfriedungen so herzustellen und instand zu halten habe, dass die Hunde das Grundstück aus eigenem Antrieb nicht verlassen könnten. Dieser Verpflichtung sei der Revisionswerber nicht nachgekommen. Ob der Vater des Revisionswerbers verlässlich sei und die erforderliche Eignung aufgewiesen habe, sei nicht näher zu untersuchen gewesen, weil die Verpflichtung zur Errichtung einer entsprechenden Einfriedung den Hundehalter treffe. Die wiederholten Bestrafungen durch die Bezirkshauptmannschaft Zwettl würden eher gegen die vom Revisionswerber angenommene Eignung seines Vaters für die Beaufsichtigung seiner Hunde sprechen. 5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurück- bzw. Abweisung der Revision und den Zuspruch von Schriftsatzaufwand beantragte.

 

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Die außerordentliche Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, es könne kein Zusammenhang mit allfälligen Bestrafungen des Revisionswerbers und der Eignung seines Vaters für die Beaufsichtigung der Hunde hergestellt werden. Deshalb stelle sich die Rechtsfrage, ab wann eine mit der Beaufsichtigung von Hunden beauftragte Person als Hundehalter in rechtlicher Hinsicht zu beurteilen sei, ob sich ein Hundeeigentümer auf die Beaufsichtigung der Hunde durch dritte Personen verlassen könne und die Aufsicht mit der Übertragung der Verantwortung übergehen könne.

9 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

10 Nach § 1 Abs. 1 NÖ Hundehaltegesetz, LGBl. 4001, muss ein Hundehalter die dafür erforderliche Eignung aufweisen und er hat das Tier in einer Weise zu führen und zu verwahren, dass Menschen und Tiere nicht gefährdet oder unzumutbar belästigt werden können. Er darf gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. den Hund nur solchen Personen zum Führen oder zum Verwahren überlassen, die die dafür erforderliche Eignung, insbesondere in körperlicher Hinsicht, und die notwendige Erfahrung aufweisen. Ein Hund darf ohne Aufsicht nur auf Grundstücken oder in sonstigen Objekten verwahrt werden, deren Einfriedungen so hergestellt und instand gehalten sind, dass das Tier das Grundstück aus eigenem Antrieb nicht verlassen kann (§ 1 Abs. 2 NÖ Hundehaltegesetz).

11 Angelastet wurde dem Revisionswerber, den Hund auf dem Grundstück ohne Aufsicht nicht entsprechend verwahrt zu haben. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes war der Revisionswerber zum Tatzeitpunkt ortsabwesend, nämlich auf der Rückreise von der Türkei nach Österreich. Weiters ging das Verwaltungsgericht jedoch davon aus, dass während berufsbedingter Abwesenheiten des Revisionswerbers dessen Vater die Aufsicht über die Hunde hatte. Ein unbeaufsichtigtes Verwahren der Hunde durch den Revisionswerber auf dem in Rede stehenden Grundstück im Tatzeitpunkt ergibt sich daraus gerade nicht. Vielmehr überließ er die Verwahrung der Tiere seinem Vater, ein Verstoß gegen § 8 Abs. 1 NÖ Hundehaltegesetz wurde dem Revisionswerber allerdings nicht vorgeworfen.

12 Darüber hinaus vermag die Argumentation des Verwaltungsgerichtes, wonach aus den Anforderungen des § 1 NÖ Hundehaltegesetz ein Hundehalter die Einfriedungen so herzustellen und instand zu halten habe, dass die Hunde das Grundstück aus eigenem Antrieb nicht verlassen können, und der Revisionswerber dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, in dieser Allgemeinheit nicht zu überzeugen.

13 § 1 Abs. 2 NÖ Hundehaltegesetz sieht nämlich vor, dass ein Hund nur im Falle von Nichtbeaufsichtigung auf Grundstücken oder in sonstigen Objekten verwahrt werden darf, wenn deren Einfriedungen so hergestellt und instand gehalten sind, dass der Hund das Grundstück aus eigenem Antrieb nicht verlassen kann. 14 Eine generelle Verpflichtung zur Herstellung und Instandhaltung der Einfriedung von Grundstücken, um das Verlassen dort gehaltener Hunde aus eigenem Antrieb zu verhindern - wie es das Verwaltungsgericht vermeint - ist nicht erkennbar, sondern es dürfen bei Nichteinhaltung dieser Sicherheitsmaßnahmen Hunde dort nicht ohne Aufsicht verwahrt werden.

15 Da der Revisionswerber zum Zeitpunkt der Tat die Hunde nicht verwahrte, ist ihm ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 NÖ Hundehaltegesetz nicht vorzuwerfen.

16 Schließlich ist zudem noch anzumerken, dass die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes, wonach die bisherigen Bestrafungen des Revisionswerbers gegen eine Eignung des Vaters für die Beaufsichtigung der Hunde sprächen, nicht überzeugen. Eine Unfähigkeit des Vaters zur Beaufsichtigung der Hunde wurde dem Revisionswerber im Straferkenntnis nicht vorgeworfen und darüber hinaus ist dem Revisionswerber beizupflichten, dass zwischen seinen bisherigen - nicht näher festgestellten - Verwaltungsstrafen und der Eignung seines Vaters nicht ohne weitere Begründung ein Zusammenhang hergestellt werden kann. 17 Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes war daher aus diesen Gründen wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

18 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am 22. Mai 2020

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