VwGH Ra 2018/22/0006

VwGHRa 2018/22/000616.1.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Lechner, in der Revisionssache der S D in W, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Mai 2017, G306 2114753-2/4E, betreffend Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §55;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) wurde die Beschwerde der Revisionswerberin, einer mazedonischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Behörde), mit dem ihr Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK (§ 55 Asylgesetz 2005) abgewiesen worden war, als unbegründet abgewiesen. Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für nicht zulässig erklärt.

Im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigte das BVwG einerseits die familiären Bindungen der Revisionswerberin zu ihrer Tante, ihrem Onkel und ihrer einen Aufenthaltstitel besitzenden Schwester, ihren erfolgreichen Pflichtschulabschluss sowie den weiteren Schulbesuch, ihre Unbescholtenheit und ihre Sprachkenntnisse, andererseits den - nach Ablauf der sichtvermerkfreien Aufenthaltsdauer - seit Juli 2012 unrechtmäßigen Aufenthalt, die Missachtung der Ausreiseverpflichtung auch nach Abweisung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im April 2013, ihre mangelnde Selbsterhaltungsfähigkeit sowie familiäre Anknüpfungspunkte in Mazedonien. Dabei verkannte das BVwG nicht, dass die Revisionswerberin zum Zeitpunkt ihrer Einreise im April 2012 noch minderjährig war und seit November 2014 volljährig ist; sie sei - so das BVwG - gesund und arbeitsfähig.

5 In ihrer Zulässigkeitsbegründung wendet sich die Revision zunächst gegen die Beweiswürdigung des BVwG; diese sei sowohl unrichtig als auch unschlüssig (Hinweis auf VwGH 21.9.2016, 2013/17/0610). Die Revisionswerberin habe in der Beschwerde vorgebracht, dass die Vermutung, wonach ihre Eltern in Mazedonien aufhältig seien, unrichtig sei; dennoch gehe das BVwG von familiären Anknüpfungspunkten in Mazedonien aus. Sollte das BVwG dem Vorbringen der Revisionswerberin keinen Glauben schenken, hätte es sich in einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck verschaffen müssen (Hinweis auf VwGH 30.6.2016, Ra 2016/21/0121).

Dazu ist zunächst auszuführen, dass den Feststellungen der Behörde zufolge die Großeltern der Revisionswerberin in Mazedonien lebten. Dem trat die Revisionswerberin in ihrer Beschwerde nicht entgegen. Hinsichtlich ihrer Eltern wurde nur ausgeführt, dass diese "immer wieder nach Italien fuhren und wohl fahren (um dort ihren Lebensunterhalt zu verdienen)" und die Revisionswerberin und ihre Schwester in Mazedonien de facto alleine gewesen wären. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass keine familiären Anknüpfungspunkte in Mazedonien - zumindest zu den Großeltern - mehr bestünden. Es ist auch nicht zu erkennen, dass das BVwG dem Vorbringen der Revisionswerberin hinsichtlich ihrer Eltern keinen Glauben geschenkt hätte. Eine Unschlüssigkeit oder Unrichtigkeit des angefochtenen Erkenntnisses wurde somit nicht aufgezeigt.

6 Weiter bringt die Revision vor, das BVwG weiche von der Rechtsprechung der Höchstgerichte ab (Hinweis auf VfGH 7.10.2014, U2459/2012, VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0271), wenn es davon ausgehe, dass der Unwillen der Revisionswerberin, das Bundesgebiet zu verlassen, in Verbindung mit ihrem unrechtmäßigen Aufenthalt ihre Integration relativiere.

Dazu ist zunächst auszuführen, dass der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde mit Beschluss vom 21. September 2017, E 2021/2017, ablehnte und dies im Wesentlichen damit begründete, dass dem BVwG nicht entgegengetreten werden könne, wenn es fallbezogen davon ausgehe, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art. 8 EMRK überwiege.

Auch mit dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis Ra 2016/21/0271 wird kein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der hg. Judikatur aufgezeigt, weil das BVwG der während des unsicheren Aufenthaltes erlangten Integration nicht jegliches Gewicht absprach, sondern zutreffend deren Bedeutung - auch unter Berücksichtigung des Alters der Revisionswerberin - als relativiert ansah. Zur Vermeidung eines Missverständnisses ist anzumerken, dass der Wille zur Fortsetzung eines unrechtmäßigen Aufenthalts für sich betrachtet weder für noch gegen eine Integrationsbereitschaft spricht.

7 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

8 Angesichts dessen war über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht mehr abzusprechen.

Wien, am 16. Jänner 2018

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