VwGH Ra 2018/21/0050

VwGHRa 2018/21/00503.7.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Samonig, über die Revision des N B in I, alias N M, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen das am 9. Jänner 2018 mündlich verkündete und am 5. Februar 2018 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, Zl. I416 1401386-2/21E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels, Rückkehrentscheidung, Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung, Einreiseverbot u.a. (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §52 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §52 Abs9;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1;
SMG 1997;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018210050.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Marokkos, stellte nach seiner illegalen Einreise in Österreich am 11. Dezember 2007 unter einer Aliasidentität (behauptetermaßen als Staatsangehöriger Algeriens) einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 26. September 2008 zur Gänze rechtskräftig abgewiesen; unter einem wurde die Ausweisung des Revisionswerbers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Algerien verfügt.

2 Der Revisionswerber verblieb in Österreich, wo über ihn - mit fünf zwischen 13. Oktober 2008 und 2. September 2010 ergangenen rechtskräftigen Urteilen jeweils des Landesgerichtes Innsbruck - wegen von ihm begangener Verbrechen des Suchtgifthandels und des gewerbsmäßigen Diebstahls sowie wegen weiterer Suchtmitteldelikte, Falschaussage und versuchter Begünstigung Freiheitsstrafen in der Dauer zwischen drei Monaten und zwei Jahren verhängt wurden. Zuletzt verhängte das Landesgericht Innsbruck über ihn mit rechtskräftigem Urteil vom 29. Juli 2013 wegen des neuerlich (als Rückfallstäter) begangenen Verbrechens des Suchtgifthandels, des Vergehens der Vorbereitung des Suchtgifthandels und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften (vor allem gewerbsmäßiger Verkauf von 3 kg Marihuana sowie insgesamt rund 70 g Kokain im Juni 2013 sowie Besitz weiterer 3 kg Marihuana und geringer Mengen an Kokain) eine Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren. Der Revisionswerber wurde unbestritten seit Juni 2013 in Haft angehalten.

3 Angesichts dieser Straftaten wurden gegen den Revisionswerber mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 27. Juni 2017 gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein Einreiseverbot in der Dauer von zehn Jahren erlassen; gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig sei.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) wurde die Beschwerde gegen diesen Bescheid des BFA als unbegründet abgewiesen. Weiters sprach das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Nach dieser Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

7 Die diesbezüglichen Ausführungen in der Revision richten sich in erster Linie gegen die vom BVwG gemäß § 9 BFA-VG vorgenommene Interessenabwägung, bei der das Familienleben mit der österreichischen Lebensgefährtin und dem 2013 geborenen österreichischen Sohn nicht ausreichend berücksichtigt worden sei, und in diesem Zusammenhang auch gegen die Gefährdungsprognose.

8 Der Verwaltungsgerichtshof judiziert insoweit in ständiger Rechtsprechung, dass die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG sei. Das gelte sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose (vgl. dazu etwa VwGH 25.2.2016, Ra 2016/21/0022, Rn. 12; VwGH 25.1.2018, Ra 2017/21/0258, Rn. 12, und VwGH 1.3.2018, Ra 2018/19/0014, Rn. 7, jeweils mwN).

9 Das in Bezug auf die genannten Gesichtspunkte vom BVwG - nach mündlicher Verhandlung und insoweit daher verfahrensrechtlich unbedenklich - fallbezogen erzielte Ergebnis kann angesichts der dem Revisionswerber zur Last liegenden wiederholten Verbrechen, welche zuletzt - nach wiederholten Rückfällen - eine rechtskräftige Verurteilung zu viereinhalb Jahren unbedingter Freiheitsstrafe nach sich zogen, jedenfalls nicht als unvertretbar angesehen werden.

10 Soweit die Revision in diesem Zusammenhang darauf rekurriert, die Straftaten lägen schon lange zurück, wird außer Acht gelassen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Annahme eines Wegfalls der sich durch das bisherige Fehlverhalten manifestierten Gefährdung in erster Linie das - hier vom Revisionswerber noch nicht gezeigte - Wohlverhalten in Freiheit maßgeblich ist (vgl. etwa VwGH 15.9.2016, Ra 2016/21/0262, Rn. 7, mwN).

Im Übrigen berücksichtigt die Revision nicht, dass der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, dass bei derart schweren Verbrechen nach dem SMG weder ein langjähriger (hier allerdings ohnehin großteils in Strafhaft verbrachter) Aufenthalt in Österreich noch eine sonst vollkommene soziale Integration im Inland (wobei fallbezogen sowohl die berufliche als auch die soziale Integration kaum ausgeprägt sind) einem Einreiseverbot entgegensteht (vgl. zu beiden Gesichtspunkten etwa VwGH 25.2.2016, Ra 2016/21/0022, Rn. 14, mwN).

11 Dass der Revisionswerber und seine österreichischen Angehörigen (Lebensgefährtin und am 16. November 2013 geborener Sohn) die durch die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot bewirkte Trennung im öffentlichen Interesse an der Verhinderung insbesondere von Eigentums- und Suchtgiftkriminalität der vorliegenden Art hinzunehmen haben (so das BVwG im Ergebnis), ist von daher jedenfalls vertretbar.

12 Zusammenfassend ergibt sich daher, dass in der Revision keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt werden. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen. Wien, am 3. Juli 2018

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