VwGH Ra 2018/20/0539

VwGHRa 2018/20/053929.3.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache des H H, vertreten durch Dr. Helmut Heiger, Rechtsanwalt in 1150 Wien, Mariahilfer Straße 149, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Oktober 2018, Zl. W216 2150014-2/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §68;
BFA-VG 2014 §21 Abs3;
BFA-VG 2014 §21 Abs6a;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018200539.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte nach Einreise in das Bundesgebiet am 5. Februar 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, dass er in einem amerikanischen Camp als Schweißer gearbeitet habe. Die Taliban hätten das herausgefunden, seine Familie bedroht und verlangt, dass er nicht mehr für die Amerikaner arbeite, sonst werde er umgebracht.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies den Antrag mit Bescheid vom 23. Februar 2017 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

3 Mit Erkenntnis vom 14. Februar 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab. Das Vorbringen des Revisionswerbers erachtete das BVwG mit näherer Begründung als "nicht glaubhaft".

4 Am 2. Juli 2018 stellte der Revisionswerber einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Als Begründung brachte er im Wesentlichen vor, sein Vater sei von den iranischen Behörden an der Grenze zur Türkei aufgegriffen und in die Heimat geschickt worden, wo ihn die Taliban festgenommen und am 7. Dezember 2017 getötet hätten. Seine bisher vorgebrachten Fluchtgründe seien nach wie vor aufrecht. Seit er vom Tod seines Vaters Kenntnis habe (das sei am 7. Dezember 2017 erfolgt), sei er endgültig vom Glauben abgefallen. Er fürchte, im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan als ungläubiger Mensch getötet zu werden.

5 Mit Bescheid vom 22. August 2018 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz, ohne dass das Asylverfahren zugelassen worden wäre, gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellt fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei und keine Frist zur freiwilligen Ausreise bestehe.

6 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 3. Oktober 2018 ohne Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. Begründend führte das BVwG aus, der Revisionswerber stütze seinen zweiten Asylantrag auf behauptete Tatsachen, die - seinem eigenen Vorbringen zufolge - bereits zur Zeit des ersten Asylverfahrens bestanden hätten.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Zu ihrer Zulässigkeit führt die Revision aus, das BVwG habe zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen. Der Revisionswerber habe erst am - so nunmehr in der Revision - 7. Dezember 2017, also nach der Verhandlung im ersten Asylverfahren vor dem BVwG, von der Ermordung seines Vaters in Afghanistan erfahren. Die Unterlassung der mündlichen Verhandlung über diese wesentlichen, neu hervorgebrachten Tatsachen stelle jedenfalls eine grobe Verletzung des Rechtes auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren dar. Das BVwG hätte sich nur durch eine mündliche Verhandlung ein persönliches Bild vom Revisionswerber machen können, vor allem, um den zugrundeliegenden Sachverhalt hinreichend und vollständig zu ermitteln und die Glaubwürdigkeit des Vorbringens hinsichtlich einer Abwendung vom Islam selbst beurteilen zu können.

11 Mit diesem Vorbringen übersieht der Revisionswerber, dass die Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren - wozu auch Beschwerden gegen eine vor Zulassung des Verfahrens ausgesprochene Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 68 AVG zählen - besonderen Verfahrensvorschriften, nämlich § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG, folgt (zB. VwGH 10.12.2015, Ra 2015/20/0040, mwN; 8.2.2018, Ra 2018/01/0044).

12 Das BVwG kann nach § 21 Abs. 6a BFA-VG über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden. Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ist im Zulassungsverfahren der Beschwerde gegen die Entscheidung des BFA stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint; eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG hat in einem solchen Fall - der gegenständlich nicht vorliegt - nicht zu erfolgen (vgl. VwGH 19.9.2017, Ra 2017/01/0281).

13 Dass das BVwG von den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren (vgl. VwGH 30.6.2016, Ra 2016/19/0072) abgewichen wäre, zeigt die Revision nicht auf.

14 Die vom Revisionswerber behauptete wesentliche Änderung des Sachverhalts trat selbst nach dem Vorbringen in der Revision bereits vor Erlassung des Erkenntnisses des BVwG vom 14. Februar 2018 im ersten Asylverfahren ein (und war ihm auch schon vor diesem Zeitpunkt bekannt). Die schon vor der Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage ist aber von deren Rechtskraft erfasst (vgl. VwGH 24.1.2019, Ro 2018/21/0011, uva).

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 29. März 2019

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