VwGH Ra 2018/19/0579

VwGHRa 2018/19/057925.2.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache des M S in W, vertreten durch Dr. Stephan Gröss, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottenring 25, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10. Oktober 2018, Zl. W233 220274- 1/14E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
MRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018190579.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Iran, stellte am 20. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen gab er zusammengefasst an, dass alle Angehörigen der Ahwazi wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit von staatlicher Seite verfolgt würden. Er sei nach näher genannten Vorfällen festgenommen, zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und gefoltert worden. Nach seiner Freilassung sei es bei dem Besuch eines Fußballspieles zu weiteren Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen. Seit seiner Flucht sei auch seine Familie Bedrohungen ausgesetzt, seine Brüder seien entführt und gefoltert worden. Zudem wies der Revisionswerber auf seine Drogensucht und damit verbundene gesundheitliche Probleme hin.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 28. Juni 2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Die Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei. Es wurde keine Frist zur freiwilligen Ausreise festgesetzt und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Weiters sprach die Behörde aus, dass der Revisionswerber sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 13. Oktober 2017 verloren habe. Gleichzeitig erließ die Behörde gegen den Revisionswerber ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot.

3 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

4 Mit (Teil‑)Erkenntnis vom 7. August 2018 hob das BVwG jenen Spruchpunkt des bei ihm angefochtenen Bescheides ersatzlos auf, mit dem der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Gegen dieses Erkenntnis erhob das BFA ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

5 Mit dem nunmehr angefochtenen (Teil‑)Erkenntnis wies das BVwG die Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf drei Jahre herabgesetzt und eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen festgesetzt wurde. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

6 Mit Beschluss vom 17. Dezember 2018, Ro 2018/14/0009, erklärte der Verwaltungsgerichtshof, die gegen das (Teil‑)Erkenntnis vom 7. August 2018 erhobene ordentliche Revision - auf Grund des Wegfalls des rechtlichen Interesses an einer Sachentscheidung - in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden und stellte das diesbezügliche Verfahren ein.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

9 Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen.

10 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Zulässigkeit zusammengefasst geltend gemacht, im Verfahren sei eine erhebliche Rechtsfrage des materiellen und des Verfahrensrechtes unrichtig gelöst worden. Es sei der "Behörde" möglich und auch zumutbar, das Vorbringen eines Asylwerbers in Hinblick auf eine asylrelevante Verfolgung durch eigene Ermittlungsmaßnahmen zu überprüfen. Das BVwG habe im angefochtenen Erkenntnis Länderfeststellungen getroffen, welche sich nur rudimentär mit der konkreten Situation des Revisionswerbers als Volksgruppenangehöriger der Minderheit der Ahwazi auseinandersetzen würden. Soweit das BVwG Länderfeststellungen zur konkreten Lage der Minderheit herangezogen habe, würden diese zudem der notwendigen Aktualität entbehren.

11 Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungs- und Begründungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung der Verfahrensmängel in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0484, mwN).

12 Wenn in der Revision beanstandet wird, das BVwG sei auf die konkrete Lage des Revisionswerbers als Angehöriger der arabischen Minderheit sunnitischen Glaubens nicht konkret eingegangen, spricht die Revision zwar allfällige Schwächen der Begründung an, lässt aber nicht erkennen, worin die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel liege (vgl. zum Erfordernis einer Relevanzdarstellung bei Begründungsmängeln VwGH 30.5.2018, Ra 2018/18/0228, mwN); dies insbesondere, weil die Revision nicht aufzuzeigen vermag, dass für den Revisionswerber aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder sonstiger individueller Umstände bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für ihn günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können (etwa das Vorliegen einer Gruppenverfolgung oder das Bestehen eines höheren Risikos aufgrund besonderer Gefährdungsmomente - "special distinguishing features", vgl. hiezu VwGH 21.2.2017, Ra 2016/18/0137).

13 Soweit die Revision schließlich die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK beanstandet, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 15.11.2018, Ra 2018/19/0541, mwN).

14 Eine solche Mangelhaftigkeit der vom BVwG vorgenommenen Interessenabwägung vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Insbesondere verkennt die Revision, dass das BVwG eben nicht von einer hinreichenden Integration des Revisionswerbers in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht ausging und in seiner Gesamtbetrachtung zu Recht auch den zwei strafgerichtlichen Verurteilungen des Revisionswerbers Gewicht zugemessen hat.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 25. Februar 2019

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