VwGH Ra 2018/18/0358

VwGHRa 2018/18/035828.6.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision der T L, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. April 2018, Zl. W226 2148038- 1/12E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §37;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 lita;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180358.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe, stellte am 21. August 2015 gemeinsam mit ihrem Ehegatten und ihren drei minderjährigen Kindern einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Als Fluchtgrund brachte die Revisionswerberin vor, ihrem Ehemann drohe aufgrund eines näher beschriebenen Vorfalls im Zusammenhang mit dessen Bruder (bzw. dem Schwager der Revisionswerberin) Blutrache. Zudem habe die Revisionswerberin auch eigene Probleme, weil ihre Brüder in Syrien für den IS gekämpft hätten, weswegen sie von den Sicherheitsbehörden bedroht und zum Aufenthaltsort ihrer Brüder befragt worden sei.

3 Mit Bescheid vom 31. Jänner 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag der Revisionswerberin auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) und stellte fest, dass eine Abschiebung der Revisionswerberin in die Russische Föderation zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Rückkehr wurde mit 14 Tagen festgelegt.

4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. Das BVwG erachtete das Fluchtvorbringen der Revisionswerberin aus näher dargestellten Gründen für nicht glaubhaft.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen geltend macht, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach ein Zeuge, der für die Klärung des Sachverhalts wesentlich sei, persönlich zu laden sei, wenn er sich in Österreich aufhalte (Hinweis auf VwGH vom 20.10.2015, Ra 2015/18/0082-0086, 0087). Durch die Unterlassung der Ladung des in Österreich aufhältigen Schwagers der Revisionswerberin sei dem Gericht ein gravierender Verstoß gegen die in § 18 Abs. 1 AsylG 2005 normierte amtswegige Ermittlungspflicht unterlaufen. Wäre ihr Schwager als Zeuge geladen und einvernommen worden, so hätte sich - soweit entscheidungswesentlich - ergeben, dass auch er von den Problemen der Revisionswerberin wegen ihrer in Syrien kämpfenden Brüder gewusst habe. Es wäre auch hervorgekommen, dass der "Übergang der Blutrache" auf den Ehemann der Revisionswerberin nachvollziehbar und schlüssig sei. Dem BVwG sei zudem eine Aktenwidrigkeit unterlaufen, weil sie jene Gründe im Asylverfahren des Schwagers der Revisionswerberin, die seine Glaubwürdigkeit bestätigten, in der Beweiswürdigung nicht erwähnt habe.

6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

7 Im vorliegenden Fall rügt die Revisionswerberin, dass ihr Schwager vom BVwG nicht als Zeuge einvernommen wurde. Obwohl sie keinen diesbezüglichen Beweisantrag gestellt hatte, wäre das BVwG nach Auffassung der Revision im Rahmen der amtswegigen Ermittlungspflichten nach § 18 Abs. 1 AsylG 2005 zu einem solchen Vorgehen verpflichtet gewesen. Zum Beleg dieser Rechtsansicht stützt sich die Revision auf das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2015, Ra 2015/18/0082-0086, 0087, das jedoch einen völlig anders gelagerten Sachverhalt betraf und daher nicht einschlägig ist:

8 Im dortigen Verfahren stellte die behauptete Entführung eines Revisionswerbers ein zentrales Element des Fluchtvorbringens aller revisionswerbenden Parteien (seiner Familienangehörigen) dar. Trotzdem hatte das BVwG die Einvernahme dieses Revisionswerbers im getrennt geführten Verfahren seiner Familienangehörigen unterlassen und lediglich ein Protokoll seiner Einvernahme vor dem BFA verlesen. In diesem Zusammenhang sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass sich das BVwG mit einem mittelbaren Beweis nicht hätte zufrieden geben dürfen, sondern der unmittelbare Beweis (Einvernahme des Entführungsopfers vor dem BVwG) aufzunehmen gewesen wäre.

9 Im gegenständlichen Fall hätte der Schwager der Revisionswerberin nach dem Vorbringen der Revision nur mittelbares Wissen über die behaupteten Probleme der Revisionswerberin (und ihres Ehemannes) darlegen können. Weshalb das BVwG - ohne entsprechenden Beweisantrag unter Bekanntgabe des Beweisthemas - fallbezogen von der Erforderlichkeit seiner Einvernahme ausgehen hätte sollen, legt die Revision nicht dar.

10 Schon deshalb liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor. Ungeachtet dessen ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frage, ob amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darstellt, weil es sich dabei um eine einzelfallbezogene Beurteilung handelt (VwGH 22.2.2017, Ra 2016/19/0238, mwN).

11 Soweit die Revision moniert, das angefochtene Erkenntnis leide an "Aktenwidrigkeit", übersieht sie, dass eine Aktenwidrigkeit nur dann vorläge, wenn der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben worden wäre bzw. wenn sich das Verwaltungsgericht bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hätte (vgl. VwGH 31.8.2017, Ro 2016/21/0019, mwN). Derartiges legt die Revision nicht dar. Ihr Vorbringen läuft vielmehr auf die Bekämpfung der Beweiswürdigung des BVwG hinaus, die im Allgemeinen nicht revisibel ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz käme nur dann in Betracht, wenn die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise erfolgt wäre. Dies zeigt die Revision aber nicht auf.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 28. Juni 2018

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