VwGH Ra 2018/17/0209

VwGHRa 2018/17/020924.1.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kovacs, über die Revision des H L, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 14. September 2018, LVwG 30.23-2862/2016-25, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark),

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VStG §16 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018170209.L00

 

Spruch:

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruches über die Strafe wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark vom 2. September 2016 wurde der Revisionswerber als das zur Vertretung nach außen berufene Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 52 Abs. 2 iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) mit einem Glücksspielgerät schuldig erkannt; es wurden über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 3.000,-- sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Höhe von 30 Tagen verhängt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers dem Grunde nach ab und setzte hinsichtlich der Strafhöhe die Ersatzfreiheitsstrafe mit zwei Wochen neu fest (Spruchpunkt I.). Weiters sprach es aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.).

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Liegen - wie hier in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (vgl. z.B. VwGH 21.9.2018, Ra 2017/17/0735, mwN).

8 Der Revisionswerber hält dem angefochtenen Erkenntnis in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision zum einen die behauptete Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des GSpG entgegen, zum anderen wird vorgebracht, dass zwischen der verhängten Geldstrafe und der festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafe kein auffallendes Missverhältnis bestehen dürfe; zumindest aber sei nach näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine diesbezügliche Begründung der Strafbemessung erforderlich, welche aus dem angefochtenen Erkenntnis jedoch nicht zu ersehen sei.

9 Die Revision ist, soweit sie sich gegen den Strafausspruch hinsichtlich der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe richtet, aus dem in der Zulässigkeitsbegründung der Revision aufgezeigten Grund zulässig und berechtigt.

10 Nach dem - vom Verwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen anzuwendenden - § 16 Abs. 2 VStG darf die Ersatzfreiheitsstrafe das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf § 12 VStG nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen.

11 § 52 Abs. 2 GSpG sieht weder eine Freiheitsstrafe vor, noch ist für die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe von § 16 Abs. 2 VStG Abweichendes vorgesehen (vgl. VwGH 28.5.2018, Ra 2018/17/0081).

12 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht ist in dem vor dem LVwG bekämpften Straferkenntnis vom 2. September 2016 gegenständlich von der Wiederholung einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG ausgegangen. Das angefochtene Erkenntnis enthält hierzu keine Feststellung, weist jedoch die durch den Revisionswerber erhobene Beschwerde dem Grunde nach ab (und setzt lediglich die durch die Behörde verhängte Ersatzfreiheitsstrafe neu fest). Durch die Bestätigung des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses dem Grunde nach hat damit das LVwG - ausgehend von einem Strafrahmen von EUR 3.000,-- bis EUR 30.000,-- pro Glücksspielgerät - eine Geldstrafe von EUR 3.000,-- verhängt. Die Ersatzfreiheitsstrafe wurde mit zwei Wochen (neu) bemessen. Sie steht jedoch - da ihr Höchstausmaß zu 100% ausgeschöpft wurde - in einem auffallenden Missverhältnis zur Höhe der verhängten Geldstrafe, die mit der Mindeststrafe (zehn Prozent der zulässigen Höchststrafe) festgesetzt wurde. Eine Begründung für die Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe in dieser Höhe ist dem angefochtenen Erkenntnis (bis auf die - zutreffende - Aussage, dass entgegen der im Straferkenntnis verhängten Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen gegenständlich eine zwei Wochen übersteigende Ersatzfreiheitsstrafe nicht verhängt werden darf) nicht zu entnehmen. Auch das Straferkenntnis enthielt keine Begründung für die dort ursprünglich bemessene Ersatzfreiheitsstrafe.

13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist jedenfalls dann, wenn zwischen der Höhe der verhängten Geldstrafe und der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe ein erheblicher, nach dem Verhältnis zur Höchststrafe zu bemessender Unterschied besteht, dafür eine Begründung erforderlich. Da - wie in der Zulässigkeitsbegründung der Revision zutreffend aufgezeigt wird - eine solche im angefochtenen Erkenntnis nicht erfolgte, belastet jedenfalls dies den Strafausspruch mit Rechtswidrigkeit (vgl. VwGH 6.9.2016, Ra 2016/09/0056).

14 Ist der Ausspruch bezüglich der Ersatzfreiheitsstrafe rechtswidrig, so ist der Strafausspruch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gänze aufzuheben (vgl. z.B. VwGH 23.8.2018, Ra 2017/17/0340, mwN).

15 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang des Strafausspruchs wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Im Übrigen ist die Revision zurückzuweisen:

16 Zum weiteren Zulässigkeitsvorbringen der Revision im Hinblick auf die behauptete Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des GSpG ist nämlich festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09 , Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12 , Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15 , Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17 , Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C- 79/17). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12 .

17 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a., C- 685/15 , die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17 , Rn. 55; sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 24 ff).

18 Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers steht schließlich das in § 14 Abs. 3 GSpG statuierte Erfordernis eines Sitzes im Inland bzw. der davon normierten Ausnahme, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft in ihrem Sitzstaat über eine vergleichbare Lotterienkonzession verfügt und einer vergleichbaren staatlichen Glücksspielaufsicht unterliegt, die im Sinne des § 19 GSpG der österreichischen Aufsicht erforderlichenfalls Kontrollauskünfte übermittelt und für sie Kontrollmaßnahmen vor Ort durchführt, nicht mit Unionsrecht im Widerspruch (vgl. näher VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 34 ff). In diesem Zusammenhang stellt sich daher vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

19 Die Revision zeigt somit in Bezug auf die behauptete Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des GSpG keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.

20 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 24. Jänner 2019

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