VwGH Ra 2018/16/0135

VwGHRa 2018/16/013511.9.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, LL.M., in der Revisionssache der H G KG in G, vertreten durch die Mag. Brunner, Mag. Stummvoll Rechtsanwälte OG in 8020 Graz, Volksgartenstraße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 8. Juni 2018, Zl. LVwG 61.26-165/2018-15, betreffend Kanalisationsbeitrag nach dem Steiermärkischen Kanalabgabengesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtsenat der Stadt Graz), den Beschluss gefasst:

Normen

KanalabgabenG Stmk 1955 §2 Abs3;
KanalG Stmk 1988 §4 Abs5;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018160135.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 21. Mai 2015 schrieb der Bürgermeister der Stadt Graz der revisionswerbenden Kommanditgesellschaft (Revisionswerberin) einen Kanalisationsbeitrag in näher angeführter Höhe vor. Der Revisionswerberin sei mit Bescheiden vom 26. September 2012 und 9. Dezember 2013 die Bewilligung zur Errichtung eines Gewächshauses für gewerbliche Zwecke auf einer näher angeführten Liegenschaft erteilt worden. Diese Liegenschaft liege im Anschlussverpflichtungsbereich an die öffentliche Kanalanlage. Daher sei für diese Liegenschaft ein Kanalisationsbeitrag zu leisten. Die Beitragspflicht entstehe mit 3. April 2014, der erstmaligen Benützung der Baulichkeit oder ihrer Teile.

2 Dagegen erhob die Revisionswerberein mit Schriftsatz vom 8. Juni 2015 Beschwerde.

3 Mit Schriftsatz vom 27. September 2016 stellte die Revisionswerberin einen Antrag auf Gewährung der Ausnahme von der Kanalanschlussverpflichtung hinsichtlich des in Rede stehenden Grundstückes.

4 Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hob mit Erkenntnis vom 29. März 2017 den bekämpften Bescheid vom 21. Mai 2015 ersatzlos auf. Der Bürgermeister der Stadt Graz sei zur Erlassung dieses Bescheides nicht zuständig gewesen, die Festsetzung eines einmaligen Kanalisationsbeitrages sei ab 1. Jänner 2014 dem Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz als sachlich zuständige Abgabenbehörde erster Instanz zugekommen.

5 Mit Bescheid vom 3. April 2017 schrieb der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz der Revisionswerberin einen Kanalisationsbeitrag in näher angeführter Höhe mit derselben Begründung vor, welche der vom Landesverwaltungsgericht Steiermark aufgehobene Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz enthalten hatte.

6 Mit Bescheid vom 6. April 2018 gab der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz dem Antrag vom 27. September 2016 statt und nahm das auf dem näher angeführten Grundstück errichtete Gewächshaus mit einer näher angeführten Gesamtgeschossfläche bis auf Widerruf von der Anschlussverpflichtung an die öffentliche Kanalanlage aus.

7 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark die gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 3. April 2017 erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Nach Schilderung des Verwaltungsgeschehens stellte das Landesverwaltungsgericht fest, mit Eingabe vom 21. Juni 2013 habe die Revisionswerberin um Erteilung der Benützungsbewilligung eines Gewächshauses angesucht, wofür mit Bescheid vom 26. September 2012 die Baubewilligung erteilt worden sei. Mit Eingabe vom 3. April 2014 habe die Revisionswerberin die Fertigstellungsanzeige bei der Bau- und Anlagenbehörde eingebracht. Im Zuge eines Ortsaugenscheines der Behörde sei im Oktober 2015 festgestellt worden, dass in dem in Rede stehenden Gewächshaus zu diesem Zeitpunkt näher bezeichnete Blumen in Töpfen gezüchtet worden seien, Teilbereiche bereits leer, andere Flächen in voller Blüte gestanden seien.

8 Rechtlich erwog das Verwaltungsgericht, dass bei anschlusspflichtigen Neubauten gemäß § 2 Abs. 3 des Kanalabgabengesetzes die Pflicht zur Entrichtung eines Kanalisationsbeitrages mit der erstmaligen Benützung der Baulichkeit oder ihrer Teile entstehe. Zumindest im Oktober 2015 sei das in Rede stehende Gebäude benützt worden. Der Abgabenanspruch sei sohin mit diesem Zeitpunkt entstanden. Im Revisionsfall sei der Abgabenanspruch somit frühestens am 19. Juni 2013 (Anmerkung: wohl im Zusammenhang mit der Eingabe um Erteilung der Benützungsbewilligung), spätestens im Oktober 2015 (Anmerkung: wohl im Zusammenhang mit dem Ortsaugenschein) entstanden. Das konkrete Datum der tatsächlichen Benützung könne im Revisionsfall dahingestellt bleiben, weil in dem gesamten Zeitraum die Revisionswerberin grundbücherliche Eigentümerin des in Rede stehenden Grundstückes gewesen sei und die Liegenschaft erst mit Kaufvertrag vom 31. Jänner 2017 veräußert worden sei.

9 Die Ausnahmegenehmigung von der Anschlussverpflichtung erfordere einen entsprechenden Bescheid der Baubehörde; solange ein solcher nicht bestehe, sei das Vorliegen der in dieser Bestimmung angeführten Umstände für die Beurteilung der Anschlusspflicht durch die Abgabenbehörde ohne Bedeutung. Eine solche Ausnahmegenehmigung sei erst auf Grund eines Ansuchens der Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 27. September 2017 (gemeint: 27. September 2016) nachträglich erteilt worden. Eine nach Entstehung des Abgabenanspruchs erteilte Ausnahmegenehmigung bringe einen bereits entstandenen Abgabenanspruch nicht mehr zum Erlöschen.

10 Das Landesverwaltungsgericht sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

11 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

12 Gemäß § 4 Abs. 1 des Steiermärkischen Kanalgesetzes 1988 sind in Gemeinden, in denen öffentliche Kanalanlagen betrieben oder errichtet werden, die Eigentümer von bebauten Grundstücken verpflichtet, die Schmutz- und Regenwässer ihrer bestehenden oder künftig zu errichtenden Bauwerke auf eigene Kosten über die öffentliche Kanalanlage abzuleiten, sofern die kürzeste Entfernung eines Bauwerkes von dem für den Anschluss in Betracht kommenden Kanalstrang nicht mehr als 100 m beträgt. Ausnahmen davon sind gemäß § 4 Abs. 5 leg. cit. von der Baubehörde für Bauten vorübergehenden Bestandes, für untergeordnete Nebengebäude und Bauteile sowie für Bauten mit einer nach den Erfahrungen der technischen Wissenschaften, den Erfordernissen des Umweltschutzes und der Hygiene entsprechenden Schmutzwasserentsorgung zu erteilen, wenn dadurch eine schadlose Entsorgung der Abwässer gewährleistet ist und eine Schädigung öffentlicher Interessen sowie ein Nachteil für die Nachbarschaft nicht entsteht.

13 Gemäß § 2 Abs. 1 des Steiermärkischen Kanalabgabengesetzes 1955 ist der Kanalisationsbeitrag einmalig für alle Liegenschaften im Gemeindegebiete zu leisten, für welche eine gesetzliche Anschlusspflicht an das bereits bestehende öffentliche Kanalnetz besteht, ohne Rücksicht darauf, ob sie an das Kanalnetz tatsächlich angeschlossen sind oder nicht. Bei anschlusspflichtigen Neubauten und bei Zu- und Umbauten in anschlusspflichtigen Baulichkeiten nach dem Inkrafttreten des Kanalabgabengesetzes entsteht die Beitragspflicht gemäß § 2 Abs. 3 leg. cit. mit der erstmaligen Benützung der Baulichkeit oder ihrer Teile.

14 Gemäß § 1 der Grazer Kanalabgabenordnung 2005 werden für die öffentliche Kanalanlage der Stadt Graz Kanalisationsbeiträge und Kanalbenützungsgebühren nach Maßgabe der Bestimmung des Kanalabgabengesetzes 1955 und dieser Verordnung erhoben.

15 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

16 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

17 Die Revisionswerberin trägt zur Zulässigkeit ihrer Revision vor:

"Die belangte Behörde hat sich im Rahmen ihrer Beurteilung ausschließlich mit dem Begriff des Entstehens des Abgabenanspruches auseinandergesetzt. Die Behörde negiert aber den Rechtsbegriff der Fälligkeit vollkommen, wobei der zivilrechtliche Begriff der Fälligkeit hier in Form des Abgabenzahlungsanspruches auch den Normen der BAO zugrunde liegt.

Bestehende und einheitliche Rechtssprechung in Österreich ist, dass ein Abgabenanspruch erst nach Fälligkeit und Vorschreibung, sohin nach Entstehen des Abgabenzahlungsanspruches/der Abgabenzahlungsschuld zu begleichen ist.

Diese vorgenannten Begriffe stellen einen Unterschied nach Lehre und Rechtssprechung zum Begriff des Abgabenanspruches/Abgabenschuld dar. Aufgrund des Umstandes, dass der Bescheid der angefochtenen Behörde sich nur mit dem Abgabenanspruch/der Abgabenschuld auseinandersetzt und ausschließlich unter Außerachtlassung der Fälligkeit/des Abgabenzahlungsanspruches die Zahlpflicht normiert, widerspricht die vorliegende und angefochtene Entscheidung der gesamten österreichischen Abgabenrechtssprechung.

Die vorgenannte unrichtige rechtliche Auslegung des Sachverhaltes begründet die Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Darüber hinaus, wenn auch in der gegenständlichen Entscheidung von Seiten der belangten Behörde nicht eingehend erörtert, stellt sich die Frage, ob eine Behörde durch die Verwendung einer durchgehenden Aktenzahl auch für mehrere Bescheide, formal rechtsgültig handelt oder hier in widerrechtlicher gegebenenfalls auch in strafrechtlicher Sichtweise eine Handlung zum Nachteil der Parteien vornimmt um eine Abgabenzahlungsschuld/einen Abgabenzahlungsanspruch durch eine mögliche Vorverlegung des Fälligkeitstermines zu generieren.

Da sich diesbezüglich die entscheidungserlassende Behörde nicht mit dem gesamten zeitlichen Ablauf auseinandergesetzt hat, insbesondere mit dem Termin des zweiten Bescheides, in Verbindung mit dem Termin des Antrages auf Ausnahmegenehmigung von der Kanalanschlussgebühr und dem dazugehörigen Entscheid, hat das LVwG Steiermark den Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unvollständig ausgeführt und beurteilt."

18 Dass eine nachträgliche Befreiung von der Anschlussverpflichtung nach § 4 Abs. 5 des Steiermärkischen Kanalgesetzes zulässig ist (vgl. in ständiger Rechtsprechung etwa VwGH 21.9.2000, 2000/06/0014, mwN) ändert nichts am Umstand, dass im Revisionsfall im Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruches gemäß § 2 Abs. 3 des Steiermärkischen Kanalabgabengesetzes ("mit der erstmaligen Benützung der Baulichkeit oder ihrer Teile") eine Ausnahme von der Anschlusspflicht noch nicht bestanden hat. Der entstandene Abgabenanspruch erlischt durch eine nachfolgende Befreiung von der Anschlusspflicht nicht.

19 Die Fälligkeit der entstandenen Abgabenschuld ergibt sich mangels näherer Bestimmungen im Steiermärkischen Kanalabgabengesetzes gemäß § 210 Abs. 1 BAO mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe des Abgabenbescheides.

20 Die Aufhebung des erwähnten Bescheides des Bürgermeisters der Stadt Graz wegen Unzuständigkeit bewirkt nicht, dass die zuständige Behörde den Kanalisationsbeitrag nicht vorschreiben könnte.

21 Vor diesem rechtlichen Hintergrund legt die Revisionswerberin mit ihren Ausführungen zum Abgabenanspruch, zum Abgabenzahlungsanspruch und zur Fälligkeit sowie zu einer für die Wirksamkeit eines Bescheides nicht ausschlaggebenden Aktenzahl nicht dar, von welcher Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision abhinge.

22 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückweisen.

Wien, am 11. September 2018

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