Normen
BAO §279 Abs1
BAO §295a
BAO §323a
BauO NÖ 1996 §38
BauO NÖ 1996 §38 Abs1
BauO NÖ 1996 §42
F-VG 1948 §17 Abs3d
F-VG 1948 §7 Abs6
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018160109.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die Mitbeteiligten sind je zur Hälfte Eigentümer des Grundstücks x/1 der KG M.
2 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Marchegg vom 17. August 2010 wurde den Mitbeteiligten die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Einfamilienhauses auf diesem Grundstück erteilt und das Grundstück der Mitbeteiligten (hinsichtlich der im Bauland liegenden Fläche) gemäß § 11 iVm § 23 Abs. 3 NÖ BauO 1996 zum Bauplatz erklärt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
3 Mit Bescheid vom 4. November 2015 schrieb der Bürgermeister der Stadtgemeinde Marchegg für das Grundstück x/1 der KG M gemäß § 38 Abs. 1 Z 2 NÖ BauO 2014 eine Aufschließungsabgabe iHv 19.598,30 € vor.
4 Mit Bescheid vom 8. Februar 2016 gab der Gemeindevorstand der Stadtgemeinde Marchegg der Berufung der Mitbeteiligten gegen die Vorschreibung der Aufschließungsabgabe keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
5 Die gegen den Bescheid des Gemeindevorstands der Stadtgemeinde Marchegg erhobene Beschwerde der Mitbeteiligten wies das Landesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 19. August 2016 ab und erklärte eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig. Das Landesverwaltungsgericht führte aus, die streitgegenständliche Aufschließungsabgabe sei mit dem rechtskräftigen Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Marchegg vom 17. August 2010 (betreffend Baubewilligung und Bauplatzerklärung) entstanden. Der Abgabenbescheid stelle die kraft Gesetzes bereits entstandene Abgabe lediglich fest. An der Verwirklichung des Abgabentatbestands, der durch die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung eines Einfamilienhauses erfüllt sei, ändere die nachträgliche Willenserklärung, das Bauvorhaben nicht mehr durchführen zu wollen, nichts mehr. Für die Festsetzung der Abgabe sei jene Rechtslage maßgebend, die im Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestands gegolten habe. Zutreffend sei daher der Beschwerdeeinwand, dass sich die Berechnung der Aufschließungsabgabe nicht auf § 38 Abs. 5 NÖ BauO 2014 hätte stützen dürfen; daraus sei aber für die Beschwerde nichts zu gewinnen, weil diese Bestimmung inhaltlich mit der gegenständlich anzuwendenden Regelung des § 38 Abs. 5 NÖ BauO 1996 übereinstimme.
6 Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde nicht erhoben.
7 Mit Antrag vom 14. Oktober 2016 begehrten die Mitbeteiligten gemäß § 42 Abs. 3 NÖ BauO 1996 iVm § 295a BAO die Abänderung (Aufhebung) des Bescheids vom 4. November 2015 sowie die Rückzahlung der bereits geleisteten Aufschließungsabgabe (zzgl. 4% Zinsen p.a.). Ihr Recht aus dem Baubewilligungsbescheid vom 17. August 2010 sei mangels Ausführung des bewilligten Bauvorhabens erloschen. Diesem Erlöschen komme nach § 42 NÖ BauO 1996 abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit zu, sodass ein rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO vorliege.
8 Mit Bescheid vom 10. Oktober 2017 wies der Bürgermeister der Stadtgemeinde Marchegg den Antrag der Mitbeteiligten auf Abänderung (Aufhebung) des Abgabenbescheids vom 4. November 2015 ab. Mit Bescheid vom 17. August 2010 sei den Mitbeteiligten nicht nur eine Baubewilligung erteilt, sondern auch ihr Grundstück zum Bauplatz erklärt worden, was ebenfalls die Aufschließungsabgabe auslöse. Nach § 38 Abs. 1 NÖ BauO 1996 sei eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit rechtskräftigem Bescheid ein Grundstück zum Bauplatz erklärt werde oder eine Baubewilligung für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage auf einem Bauplatz erteilt werde.
9 Die Vorschreibung der Aufschließungsabgabe mit Bescheid vom 4. November 2015 habe sich nicht nur auf die Erteilung der Baubewilligung, sondern auch auf die Erklärung zum Bauplatz gestützt. Zwar sei die Baubewilligung, nicht jedoch die Bauplatzerklärung erloschen. Letztere erlösche nach § 11 Abs. 2 letzter Satz NÖ BauO 1996 nur dann, wenn das Grundstück seine Baulandwidmung verliere. Da dies nicht der Fall sei, habe keine Aufhebung des Abgabenbescheids zu erfolgen.
10 In der gegen den Bescheid vom 10. Oktober 2017 erhobenen Berufung wurde u.a. vorgebracht, gemäß § 42 Abs. 3 NÖ BauO 1996 sei eine Vorschreibung der Aufschließungsabgabe aufzuheben, wenn ‑ wie im gegenständlichen Fall ‑ das Recht aus einer Baubewilligung erloschen sei.
11 Der Gemeindevorstand der Stadtgemeinde Marchegg wies die Berufung mit Bescheid vom 13. Dezember 2017 ab. Zwar sei die Baubewilligung mittlerweile erloschen. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Marchegg vom 17. Oktober 2010 sei aber nicht nur eine Baubewilligung erteilt, sondern das betroffene Grundstück auch zum Bauplatz erklärt worden. Somit möge zwar ‑ wegen des Erlöschens der Baubewilligung ‑ der Tatbestand des § 42 Abs. 3 NÖ BauO 1996 erfüllt sein, im Hinblick auf die gültige Bauplatzerklärung bestehe die Pflicht zur Entrichtung der Aufschließungsabgabe aber aufgrund der Z 1 des § 38 Abs. 1 NÖ BauO 1996.
12 In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde von den Mitbeteiligten vorgebracht, die Abgabenvorschreibung des Bürgermeisters habe sich auf die Z 2 des § 38 Abs. 1 NÖ BauO 1996 gestützt. Daher sei gemäß der Anordnung des § 42 Abs. 3 NÖ BauO 1996 der die Aufschließungsabgabe vorschreibende Bescheid aufzuheben.
13 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich der Beschwerde der Mitbeteiligten statt. Der Spruch des Erkenntnisses lautet:
„Der Berufung vom 10. November 2017 wird stattgegeben und gemäß § 295a BAO iVm §§ 24 Abs. 1 und 38 Abs. 1 Z 2 NÖ Bauordnung 2014 der Spruch des Abgabenbescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Marchegg vom 4. November 2015, Zl 920/2015, dahingehend abgeändert, als die zu entrichtende Aufschließungsabgabe mit 0 € festgesetzt wird. Das entstandene Guthaben in der Höhe von € 19.589,30 ist zurückzuerstatten.“
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Landesverwaltungsgericht für nicht zulässig.
14 In der Begründung führte das Landesverwaltungsgericht nach einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und Zitierung gesetzlicher Bestimmungen der BAO, der NÖ BauO 1996 und der NÖ BauO 2014 aus, das Beschwerdevorbringen lasse sich auf die Frage reduzieren, ob angesichts des behaupteten Erlöschens der Baubewilligung die entrichtete Aufschließungsabgabe zu refundieren sei.
15 Mit Bescheid vom 17. August 2010 sei den Mitbeteiligten die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses auf ihrem Grundstück x/1 der KG M erteilt worden. Diese Baubewilligung sei nie konsumiert worden, da ‑ bis auf Probebohrungen nach der erfolgten Anzeige des Baubeginns am 24. Juni 2011 ‑ keinerlei Baumaßnahmen gesetzt worden seien. Die Baubewilligung sei daher spätestens am 24. Juni 2016 erloschen, da eine Bauvollendung nicht einmal ansatzweise erfolgt sei. Die Erklärung des Grundstücks zum Bauplatz sei nicht erloschen.
16 Nach § 295a BAO könne ein Bescheid auf Antrag der Partei oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintrete, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruchs habe. Einen Anwendungsbereich im Rahmen der Vorschreibung der Aufschließungsabgabe stelle das Erlöschen eines Rechts aus einer Baubewilligung dar.
17 Durch das Erlöschen der Baubewilligung nach Erlassung des Abgabenbescheids vom 4. November 2015 sei ein Ereignis eingetreten, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruchs ‑ hier betreffend die Aufschließungsabgabe ‑ habe. Die Rückwirkung iSd § 295a BAO ergebe sich daraus, dass die erloschene Baubewilligung die entstandene Abgabenschuld an ihrer Wurzel berühre. Durch das Erlöschen der Baubewilligung sei ein veränderter Sachverhalt der Abgabenvorschreibung im Bescheid des Bürgermeisters vom 4. November 2015 zugrunde zu legen, sodass eine Abgabenvorschreibung nach § 38 Abs. 1 Z 2 NÖ BauO (1996 oder 2014) nicht mehr erfolgen könne. Den Mitbeteiligten sei daher die entrichtete Aufschließungsabgabe zurückzuerstatten.
18 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision des Gemeindevorstands der Stadtgemeinde Marchegg, in der zur Zulässigkeit u.a. vorgebracht wird, das Erkenntnis stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach der unterinstanzliche Bescheid in der Entscheidung der Rechtsmittelinstanz aufgehe. Das Landesverwaltungsgericht hätte daher im Spruch seines Erkenntnisses nicht den (rechtlich nicht mehr existenten) Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Marchegg vom 4. November 2015 abändern dürfen. Weiters fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob bei der Entscheidung über einen Antrag nach § 295a BAO zu berücksichtigen sei, dass derselbe Abgabenanspruch trotz einer Änderung der Umstände, die zu einer Vernichtung des Abgabenanspruchs nach einem Tatbestand führe, aufgrund eines anderen Tatbestands bestehe.
19 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens (§ 36 VwGG) und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die Mitbeteiligten erwogen:
20 Die Revision ist zulässig und begründet.
21 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Landesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass „der Spruch des Abgabenbescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Marchegg vom 4. November 2015, Zl 920/2015, dahingehend abgeändert [wird], als die zu entrichtende Aufschließungsabgabe mit 0 € festgesetzt wird.“
22 Das Landesverwaltungsgericht hat damit ausdrücklich den (erstinstanzlichen) Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Marchegg vom 4. November 2015 abgeändert. Dieser Bescheid ist jedoch nicht in Rechtskraft erwachsen, haben die Mitbeteiligten doch gegen diesen Bescheid Berufung erhoben. An die Stelle des erstinstanzlichen Abgabenbescheids ist zunächst der den erstinstanzlichen Bescheid bestätigende Bescheid des Gemeindevorstands vom 8. Februar 2016 getreten. Dieser Bescheid wurde in weiterer Folge durch das die Beschwerde der Mitbeteiligten abweisende Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts vom 19. August 2016 verdrängt. Mit der Sachentscheidung des Verwaltungsgerichts tritt der bekämpfte Bescheid zur Gänze aus dem Rechtsbestand; das gilt auch dann, wenn das Verwaltungsgericht die Beschwerde abweist (vgl. Zorn, Leitentscheidungen des VwGH zur neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit, ZVG 2017, 34 (41 f)). Die Abweisung ist dahingehend zu verstehen, dass das Verwaltungsgericht ein mit dem Spruchinhalt des verwaltungsbehördlichen Bescheids übereinstimmendes Erkenntnis erlässt.
23 Das Landesverwaltungsgericht hat in Verkennung der Rechtslage den nicht mehr in Rechtsbestand befindlichen (erstinstanzlichen) Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Marchegg vom 4. November 2015 abgeändert und in diesem Bescheid die Abgabenhöhe auf Null gesetzt.
24 Die (weitere) Anordnung im Spruch des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts, wonach „[das] entstandene Guthaben in der Höhe von € 19.589,30 [...] zurückzuerstatten [ist]“, ist schon deshalb rechtswidrig, weil die Frage der Rückzahlung (vgl. §§ 239 bis 241 BAO) nicht Gegenstand des Abspruchs des Bescheids des Bürgermeisters vom 10. Oktober 2017 und damit auch nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens und des nachfolgenden Beschwerdeverfahrens gewesen ist.
25 Zudem scheint das Landesverwaltungsgericht diesen Abspruch betreffend das Entstehen des Guthabens und dessen Rückzahlung noch auf den Abs. 5 des mit „Behebung oder Änderung der Vorschreibung einer Abgabe“ überschriebenen § 42 NÖ BauO 1996 zu stützen, worin angeordnet war: „Wenn eine Entscheidung, mit der eine Abgabe nach §§ 38 bis 41 vorgeschrieben wurde, behoben wird, nachdem die Abgabe entrichtet wurde, dann entsteht mit der Zustellung der Behebungsentscheidung ein Guthaben im Sinne der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, in der Fassung BGBl. I Nr. 52/2009.“ Abgesehen davon, dass neue Verfahrensbestimmungen ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens grundsätzlich auch auf Vorgänge, die sich vor Inkrafttreten ereignet haben, anwendbar sind (vgl. Mairinger/Twardosz, Die maßgebende Rechtslage im Abgabenrecht, ÖStZ 2007, 16 (17)), sind im gegenständlichen Fall in Bezug auf die nach § 38 NÖ BauO 1996 entstandenen Abgaben die Regelungen des § 42 NÖ BauO 1996 ab dem Jahr 2010 schon aufgrund des § 17 Abs. 3d F‑VG nicht mehr anzuwenden. Mit Art. 5 (Verfassungsbestimmung) des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 103/2007 wurde einerseits dem § 7 F‑VG der Abs. 6 angefügt, wonach die allgemeinen Bestimmungen und das Verfahren für die von den Abgabenbehörden des Bundes, der Länder und der Gemeinden verwalteten Abgaben durch die Bundesgesetzgebung geregelt werden, und andererseits der § 17 Abs. 3d F‑VG geschaffen mit folgenden Wortlaut: „(3d) § 7 Abs. 6 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 103/2007 tritt mit 1. Jänner 2010 in Kraft. Bundesgesetze auf Grund dieser Bestimmung dürfen bereits von der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 103/2007 an erlassen werden. Sie dürfen jedoch nicht vor dem 1. Jänner 2010 in Kraft treten. Soweit die Bundesgesetzgebung nicht anderes bestimmt, treten mit diesem Zeitpunkt in den Angelegenheiten § 7 Abs. 6 bestehende landesrechtliche Vorschriften außer Kraft.“
26 Mit 1. Jänner 2010 sind somit gemäß § 17 Abs. 3d F‑VG landesrechtliche Vorschriften, welche „die allgemeinen Bestimmungen und das Verfahren für die von den Abgabenbehörden des Bundes, der Länder und der Gemeinden verwalteten Abgaben“ betreffen, außer Kraft getreten, soweit nicht eine besondere bundesgesetzliche Norm anderes regelt. Anzuwenden war daher nur die BAO (vgl. § 323a BAO).
27 Nach § 295a Abs. 1 BAO kann ein Bescheid auf Antrag der Partei oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruchs hat.
28 § 295a BAO ist nur der Verfahrenstitel zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft von vor Eintritt des Ereignisses erlassenen Bescheiden. Es ist eine Frage des Inhalts bzw. der Auslegung der materiell‑rechtlichen Abgabenvorschriften, welchen Ereignissen Rückwirkung (bezogen auf den Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruchs) zukommt (vgl. VwGH 22.7.2020, Ra 2017/16/0174, sowie Ritz, BAO6, § 295a Tz 3 f und die dort zitierte hg. Judikatur).
29 Das Landesverwaltungsgericht hat im angefochtenen Erkenntnis ausgeführt, dass nach der erfolgten Anzeige des Baubeginns am 24. Juni 2011 keinerlei Baumaßnahmen gesetzt worden sind, sodass (mangels Fertigstellung des Bauvorhabens innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren) die Baubewilligung „spätestens am 24. Juni 2016“ erloschen ist. Mit diesem Erlöschen der Baubewilligung nach der Erlassung des Abgabenbescheids vom 4. November 2015 sei die Voraussetzung des § 295a BAO erfüllt.
30 Im gegenständlichen Fall kann dahingestellt bleiben, ob die bezughabenden Normen des materiellen Steuerrechts (hier insbesondere § 38 NÖ BauO 1996) anordnen, dass ein Erlöschen der Baubewilligung rückwirkend den Abgabenanspruch zum Wegfall bringt (und auch, ob der nämliche Abgabenanspruch auf den Steuertatbestand der Bauplatzwidmung gestützt werden könnte). Da das Landesverwaltungsgericht einen Umstand als rückwirkendes Ereignis herangezogen hat, der bei der Erlassung des die Abgabenvorschreibung bestätigenden Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts vom 19. August 2016 bereits bestanden hat (Erlöschen der Baubewilligung), ist von vornherein die Anwendung des § 295a BAO für rechtswidrig zu erkennen.
31 Das vom Verwaltungsgericht als iSd § 295a BAO für maßgeblich angesehene Ereignis ist bereits vor der rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens betreffend die Vorschreibung der Aufschließungsabgabe eingetreten. § 295a BAO kann nur im Falle von sich nachträglich ereignenden Umständen ein Verfahrenstitel zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft von Erledigungen sein; § 295a BAO dient nicht der Nachholung unterlassener Rechtsbehelfe gegen eine (rechtskräftige) Erledigung.
32 Gesetzt den Fall, die Normen des bezughabenden materiellen Steuerrechts sollten dahingehend zu interpretieren sein, dass das Erlöschen der Baubewilligung rückwirkend den nämlichen Abgabenanspruch (auch bei Vorliegen einer Bauplatzwidmung) zum Wegfall bringt, hätte dieses Erlöschen der Baubewilligung bereits in dem zu diesem Zeitpunkt noch anhängigen Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht betreffend die Vorschreibung der Aufschließungsabgabe berücksichtigt werden müssen. Eine Anwendung des § 295a BAO scheidet im revisionsgegenständlichen Fall jedenfalls aus.
33 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 8. März 2021
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