VwGH Ra 2018/16/0103

VwGHRa 2018/16/010322.10.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des M H in W, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 11. Dezember 2017, Zl. VGW-002/011/2324/2017-1, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), zu Recht erkannt:

Normen

VwGVG 2014 §29 Abs4;
VwGVG 2014 §29 Abs5;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018160103.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis vom 22. Dezember 2016 erkannte die Landespolizeidirektion Wien den Revisionswerber schuldig, neun Verwaltungsübertretungen nach § 52 Abs. 1 Z 1 dritter Fall des Glücksspielgesetzes (GSpG) begangen zu haben, indem er zu einem näher genannten Zeitpunkt an einem näher genannten Ort hinsichtlich neun näher bezeichneter funktionsfähiger und in betriebsbereitem Zustand aufgestellter Glückspielgeräte gegen Entgelt verbotene Ausspielungen geduldet und an der Auszahlung der erzielten Gewinne mitgewirkt habe, an denen Personen die Möglichkeit zur Teilnahme an Glückspielen ermöglicht worden sei, um fortgesetzt Einnahmen aus dem Glückspiel zu erzielen. Über ihn wurde gemäß § 52 Abs. 2 GSpG neun Geldstrafen zu jeweils 5.000 EUR (Ersatzfreiheitsstrafen für den Fall deren Uneinbringlichkeit jeweils 1 Tag 12 Stunden) verhängt. Ferner wurde ausgesprochen, dass der Revisionswerber als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 500 EUR für jede Verwaltungsübertretung zu zahlen habe.

2 Mit Schriftsatz vom 25. Jänner 2017 erhob der Revisionswerber dagegen Beschwerde.

3 Am Ende der vor dem Verwaltungsgericht Wien über diese Beschwerde abgeführten mündlichen Verhandlung vom 14. November 2017 verkündete der Verhandlungsleiter das Erkenntnis, wonach die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde und der Revisionswerber einen näher bestimmten Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe.

4 Das angefochtene Erkenntnis vom 11. Dezember 2017, ist als "gekürzte Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 5 iVm § 50 Abs. 2 VwGVG" bezeichnet und enthält folgenden Spruch:

"I Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat die beschwerdeführende Partei einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von EUR 9.000,00 (das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, jedoch mindestens EUR 10,--) zu leisten.

II Gegen diese mündliche Entscheidung war gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz - VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG unzulässig."

5 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Verwaltungsgericht Wien unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

6 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); Revisionsbeantwortungen wurden keine eingebracht.

 

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Der Revisionswerber releviert zur Zulässigkeit seiner Revision, das Verwaltungsgericht habe ohne die dafür erforderlichen Voraussetzungen lediglich eine gekürzte Ausfertigung des Erkenntnisses zugestellt.

11 Gemäß § 29 Abs. 2a des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) hat das Verwaltungsgericht im Fall einer mündlichen Verkündung die Niederschrift den zur Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof legitimierten Parteien und Organen auszufolgen oder zuzustellen. Der Niederschrift ist eine Belehrung anzuschließen:

1. über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß Abs. 4 zu verlangen;

2. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt.

12 Gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG ist den Parteien eine schriftliche

Ausfertigung des Erkenntnisses zuzustellen.

13 § 29 Abs. 5 VwGVG lautet:

"(5) Wird auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof von den Parteien verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß Abs. 2a eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 von mindestens einem der hiezu Berechtigten beantragt, so kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden. Die gekürzte Ausfertigung hat den Spruch sowie einen Hinweis auf den Verzicht oder darauf, dass eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 nicht beantragt wurde, zu enthalten."

14 Gemäß § 25a Abs. 4a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) ist eine Revision, wenn das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes mündlich verkündet wurde (§ 29 Abs. 2 VwGVG), nur nach einem Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG durch mindestens einen der hiezu Berechtigten zulässig.

15 Nach der Aktenlage hat der Vertreter des Revisionswerbers nach Verkündung des Erkenntnisses bei der mündlichen Verhandlung "eine volle Ausfertigung", somit eine Ausfertigung des Erkenntnisses nach § 29 Abs. 4 VwGVG beantragt. Dergestalt war die gekürzte Ausfertigung nach § 29 Abs. 5 VwGVG im Revisionsfall unzulässig.

16 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

17 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-AufwErsV.

Wien, am 22. Oktober 2018

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