VwGH Ra 2018/15/0043

VwGHRa 2018/15/004319.12.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Innsbruck in 6021 Innsbruck, Innrain 32, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 21. Dezember 2017, Zl. RV/3100341/2011, betreffend Einkommensteuer 2009 (mitbeteiligte Partei: Mag. B H in I, vertreten durch die TU Reitschuler Steuerberatungs-GmbH in 6020 Innsbruck, Anton-Melzer-Straße 7), zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §16 Abs1 Z10;
EStG 1988 §16 Abs1 Z9;
EStG 1988 §20 Abs1 Z2 lita;
EStG 1988 §4 Abs5;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018150043.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte ist Lehrerin an einer allgemeinbildenden höheren Schule und unterrichtet das Fach Französisch. Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung 2009 beantragte sie u.a. die Berücksichtigung von Aufwendungen für eine Fortbildungsveranstaltung auf Martinique vom 26. Dezember 2009 bis 6. Jänner 2010 (600 EUR) sowie die damit zusammenhängenden Kosten für Transfer und Unterkunft (1.726 EUR) als Werbungskosten.

2 Mit Bescheid vom 15. März 2011 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2009 fest. Das Finanzamt führte unter Verweis auf § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 aus, die Kosten für "Sprachferien in Frankreich" hätten keine Berücksichtigung finden können.

3 Die Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Berufung. Sie beantragte darin neben den bereits bisher geltend gemachten Kosten für die Fortbildungsveranstaltung insbesondere weiters Tagesgelder in Höhe von 163,50 EUR (fünfmal 32,70 EUR). Bei der Fortbildungsveranstaltung habe es sich um ein Weiterbildungsseminar für Französisch-Lehrer gehandelt, welches an jedem Werktag 8 Stunden sowie am 31. Dezember 2009 und am Samstag (2. Jänner 2010) 4 Stunden lang abgehalten worden sei.

4 Mit Berufungsvorentscheidung vom 14. Juli 2011 wurde der Einkommensteuerbescheid 2009 in einem nicht von der Revision betroffenen Punkt (Fachliteratur) geändert. Die für Sprachferien bzw. Fremdsprachkurse geltend gemachten Kosten wurden nicht anerkannt. Die Reise weise ein Mischprogramm auf; der berufliche Aspekt der Reiseteilnahme sei von einer privaten Mitveranlassung überlagert gewesen. Die Fortbildungs- bzw. Reisekosten seien daher als Ausgaben für die Lebensführung vom Abzug als Werbungskosten ausgeschlossen.

5 Die Mitbeteiligte stellte einen als Berufung bezeichneten Vorlageantrag.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der (nunmehrigen) Beschwerde teilweise Folge und änderte den Einkommensteuerbescheid ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.

7 Begründend führte das Bundesfinanzgericht nach Wiedergabe des Verfahrensgangs aus, die Reise nach Martinique habe während der Weihnachtsferien vom 26. Dezember 2009 bis 6. Jänner 2010 stattgefunden. Der von der Mitbeteiligten besuchte Sprachkurs sei von der X Sprachferien GmbH organisiert worden. Die Ecole Superieure de FranCais Langue Etrangere X habe den Sprachkurs als Bildungsmaßnahme durchgeführt.

8 Die von der Mitbeteiligten bezahlten Gesamtkosten in Höhe von 2.326 EUR unterteilten sich in 600 EUR für den Sprachkurs sowie 1.726 EUR für Reisekosten (Flug samt Hin- und Rückfahrt zum Flughafen sowie Unterkunft).

9 Der Anreisetag sei der 26. Dezember 2009 gewesen. Am 27. Dezember 2009, am 1., 3. und am 5. Jänner 2010 seien keine Kurse abgehalten worden. An den anderen Tagen hätten acht Kursstunden (28., 29., 30. Dezember 2009 und 4. Jänner 2010) bzw. vier Kursstunden (31. Dezember 2009 und 2. Jänner 2010) stattgefunden. Die Heimreise sei hauptsächlich am 6. Jänner 2010 erfolgt.

10 Der Teilnehmerkreis habe sich nicht ausschließlich aus Französischlehrern zusammengesetzt. Inhaltlich habe sich der Kurs mit Themen wie Kultur, Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft auf Martinique befasst. Die Mitbeteiligte habe anschließend ein Zertifikat samt verbaler Beurteilung betreffend ihre Teilnahme erhalten. Der Sprachkurs sei für die Mitbeteiligte (nahezu) ausschließlich beruflich veranlasst gewesen.

11 Das vorgelegte Kurszertifikat des "Weiterbildungsseminars" habe folgende Programmpunkte umfasst:

28.12.2009: die wirtschaftliche und soziale Situation der Insel; ihre Abhängigkeit von Europa; die Probleme beim Export von Bananen in Hinblick auf die neuen Richtlinien der Welthandelsorganisation WTO ( Stunden) 29.12.2009: das Kreolische in Martinique; die Geschichte; die kreolische Identität von heute in Hinblick auf die Unabhängigkeitsbewegung; Diskussion mit dem Unabhängigkeitsbefürworter und Bürgermeister der Stadt St. Anne (8 Stunden)

30.12.2009: die Literatur von Martinique; die Inspiration von Leopold Sedar Senghor und der Abgeordnete und Bürgermeister von Fort-de-France (8 Stunden);

31.12.2009: der Rum - Geschichte, Herstellung, Export, verschiedene Arten, Herkunftsbezeichnungen (4 Stunden);

2.1.2010: Musik und Folklore von Martinique, Tänze Musikinstrumente, bekannte Musikgruppen und Sänger, spezifische Wörter und Redewendungen; Unterricht anhand von aktuellen Beispielen (4 Stunden);

4.1.2010: die Pflanzen von Martinique. Blumen und tropische Pflanzen, Exkursion in den Jardin de Balata. Die Hotellerie in Martinique, Unterschiede zum Tourismus in Europa. Ausführliche Studie im Hotel Bakoua und Diskussion mit dem Direktor für Personalmanagement (8 Stunden).

12 Die vorliegende Reise als Ganzes erfülle nicht die Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung von Studienreisen. Getrennt davon sei aber die Frage zu beurteilen, ob die Kurskosten für den im Rahmen der Reise absolvierten Sprachkurs Werbungskosten darstellten. Die Mitbeteiligte habe im Rahmen des Sprachkursbesuches zusätzliche Sprachpraxis sammeln, ihre Sprachkompetenz fördern sowie ihre Französischkenntnisse auffrischen und intensivieren können. Es sei daher von einer berufsspezifischen Sprachausbildung und somit von einer Fortbildungsmaßnahme auszugehen. Die Kosten für den Sprachkurs seien deshalb in voller Höhe als Werbungskosten iSd § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 abzugsfähig. Es sei eine eindeutige Abgrenzung der beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge und Trennung der Reise nach Martinique nach Zeitanteilen (Tagen) in einen durch die Einkünfteerzielung veranlassten Reiseabschnitt sowie in einen privaten Reiseabschnitt möglich. Vor diesem Hintergrund komme neben der Anerkennung der gesamten Kosten für den Sprachkurs auch eine Aufteilung der Reisekosten in Betracht, weshalb die strittigen Aufwendungen im nachstehend dargestellten Umfang als Werbungskosen anerkannt würden: Die Kosten für den Sprachkurs in Höhe von 600 EUR seien im vollen Umfang als Werbungskosten abziehbar. Die Kosten für die Unterbringung sowie die Kosten für die An- und Abreise seien anteilsmäßig im Verhältnis 6 zu 10 (sechs beruflich veranlasste Tage von insgesamt 10 Aufenthaltstagen bei zwei neutralen Tagen der Hin- und Rückreise), sohin im Ausmaß von 1.035,60 EUR abziehbar. Die Tagesgelder seien ebenso für die beruflich veranlassten Tage (sechsmal 32,70 EUR) anzuerkennen. Weiters seien im Sinne der Berufungsvorentscheidung die Ausgaben für Fachliteratur im dort anerkannten Umfang zu bestätigen.

13 Das Bundesfinanzgericht habe sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an der einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur zur steuerlichen Anerkennung von Studienreisen orientiert. Zudem hänge die Entscheidung von den Umständen des vorliegenden Einzelfalls ab. Die Revision sei daher nicht zulässig.

14 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts.

15 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die Mitbeteiligte beantragt, die Revision nicht zuzulassen. Es liege keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Aufwandersatz wurde nicht geltend gemacht.

 

16 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

17 Zur Zulässigkeit macht die Revision geltend, im vorliegenden Fall liege nach Ansicht des Finanzamts eine "Gemengelage" (Hinweis auf VwGH 27.1.2011, 2010/15/0197) vor, sodass ein Werbungskostenabzug nicht zustehe. Es gehe hier um die grundsätzliche Frage, ob für Reisen eines Fremdsprachenlehrers in ein fremdes Land und das dabei durch die Teilnahme an Vorträgen über allgemein interessierende länderspezifische Themen wie Folklore, Pflanzenwelt, Geschichte, Kultur etc. bewirkte Auffrischen und Intensivieren von Fremdsprachenkenntnissen Werbungskosten zustehen.

18 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision aufgezeigt; diese ist auch begründet.

19 Werbungskosten sind nach § 16 Abs. 1 EStG 1988 die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

20 Nach § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 sind auch Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Verpflegung und Unterkunft bei ausschließlich beruflich veranlassten Reisen Werbungskosten. Diese Aufwendungen sind ohne Nachweis ihrer Höhe als Werbungskosten anzuerkennen, soweit sie die sich aus § 26 Z 4 EStG 1988 ergebenden Beträge nicht übersteigen. Dabei steht das volle Tagesgeld für 24 Stunden zu. Höhere Aufwendungen für Verpflegung sind nicht zu berücksichtigen.

21 Nach § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 sind auch

u. a. Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit Werbungskosten. Aufwendungen für Nächtigungen sind jedoch höchstens im Ausmaß des den Bundesbediensteten zustehenden Nächtigungsgeldes der Höchststufe bei Anwendung des § 13 Abs. 7 der Reisegebührenvorschrift zu berücksichtigen.

22 Nach § 20 Abs. 1 EStG 1988 dürfen hingegen bei den einzelnen Einkünften u.a. nicht abgezogen werden: Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen (Z 2 lit. a), sowie Reisekosten, soweit sie nach § 4 Abs. 5 und § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 nicht abzugsfähig sind (Z 2 lit. c).

23 Zur steuerlichen Anerkennung von Studienreisen hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass deren Kosten grundsätzlich Aufwendungen für die Lebensführung im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 sind, es sei denn, es liegen vier näher bestimmte Voraussetzungen kumulativ vor (vgl. z.B. VwGH 19.10.1999, 99/14/0131; 19.10.2006, 2005/14/0117; 24.9.2008, 2008/15/0032, mwN). Eine dieser Voraussetzungen ist, dass das Reiseprogramm und seine Durchführung derart einseitig und nahezu ausschließlich auf interessierte Teilnehmer der Berufsgruppe des Abgabepflichtigen abgestellt sein müssen, dass sie jeglicher Anziehungskraft auf andere als in der spezifischen Richtung beruflich interessierte Teilnehmer entbehren.

24 Kosten einer Reise, die in Form einer Gemengelage sowohl durch private Erholungs- und Bildungsinteressen wie auch durch betriebliche/berufliche Interessen veranlasst sind, bilden keine Betriebsausgaben oder Werbungskosten, zumal § 4 Abs. 5 wie auch § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 auf "ausschließlich" betrieblich bzw. beruflich veranlasste Reisen abstellt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 27.1.2011, 2010/15/0197) wird die Veranlassungsprüfung grundsätzlich für den einzelnen Reisetag vorgenommen.

25 Nach welchen Kriterien bei Studienreisen die ausschließliche betriebliche bzw. berufliche Veranlassung einer Reise (eines Reiseabschnittes) zu prüfen ist, wurde oben bereits ausgeführt.

26 Im gegenständlichen Fall einer Reise in touristisch interessante Regionen sind nicht alle Kriterien erfüllt. Die berufliche Fortbildung ist damit nicht als das "auslösende Moment" der Reise im Sinne des Erkenntnisses VwGH 27.1.2011, 2010/15/0043, anzusehen; es liegt auch keine beruflich "fremdbestimmte Reise" im Sinne dieser Rechtsprechung vor. Deshalb erweist sich die vom Bundesfinanzgericht vorgenommene Anerkennung von Kosten für Verpflegungsmehraufwand (Tagessätze) und Nächtigung sowie von Fahrtkosten als rechtswidrig.

27 Unabhängig davon ist jedoch zu prüfen, ob die Kosten für den Sprachkurs als solchen als Bildungskosten iSd § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 absetzbar sind. Für die Absetzbarkeit von Kurskosten macht es keinen Unterschied, ob der Steuerpflichtige einen Kurs an seinem Wohnort oder an einem anderen Ort absolviert.

28 Die Bildungsmaßnahme war - wie auch vom Finanzamt nicht bestritten - zweifellos für die Berufstätigkeit der Mitbeteiligten förderlich, wobei zu berücksichtigen ist, dass im Rahmen des Unterrichts von Fremdsprachen auch Landes- und Kulturkunde einzubinden ist bzw. für grundlegende Einblicke etwa in Wirtschaft, Kultur und Kunst des betreffenden Sprachraums zu sorgen ist (vgl. etwa die Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 14. November 1984 über die Lehrpläne der allgemeinbildenden höheren Schulen, BGBl. Nr. 88/1985), wofür im Rahmen des geschilderten Programms Inhalte vermittelt wurden.

29 Im gegenständlichen Fall sind die Kosten des im Zuge der Reise besuchten Kurses gemäß § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 als Werbungskosten zu berücksichtigen. Das Bundesfinanzgericht wird allerdings im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien ergänzend die Höhe dieser Kosten zu erörtern haben (reine Kurskosten von 600 EUR oder - laut Revision - nur von 420 EUR).

30 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Wien, am 19. Dezember 2018

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