Normen
B-VG Art130 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
GSpG 1989 §50 Abs4
GSpG 1989 §52 Abs1
GSpG 1989 §53
GSpG 1989 §54
VwGG §34 Abs1
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018090081.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 553,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Am 13. April 2017 fand in einem Lokal der revisionswerbenden Partei in Dornbirn eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz statt. Aufgrund dieser Kontrolle erhob (u.a.) die revisionswerbende Partei mit Schriftsatz vom 26. Mai 2017 Maßnahmenbeschwerde wegen des gewaltsamen Eindringens in das Lokal und wegen der Durchführung einer Hausdurchsuchung.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 5. März 2018 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, die revisionswerbende Partei zum Kostenersatz verpflichtet und ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei. 3 Das Verwaltungsgericht traf auszugsweise folgende Sachverhaltsfeststellungen:
"Auf Anordnung der vor Ort anwesenden Behördenvertreterin begannen die Beamten der PI Dornbirn sowie des EKO-Cobra, welche alle entweder uniformiert waren oder einen Überwurf mit der Aufschrift ‚Polizei' getragen haben, gegen 18.00 Uhr an der Hauptsowie an der Nebeneingangstür des Lokals zu klopfen. Die Beamten haben lautstark darauf hingewiesen, dass es sich um eine Kontrolle nach dem Glückspielgesetz handelt und haben mehrmals dazu aufgefordert die Eingangstüre zu öffnen. Im Eingangsbereich waren Kameras angebracht, welche eingeschaltet waren. Das Bild der Polizeibeamten, welche sich vor der Eingangstüre befanden, w(u)rde über die Kameras ins Innere des Lokals übertragen. Um 18.01 Uhr wurde die Öffnung der Eingangstüre durch Zwangsgewalt angedroht. Die Aufforderung zur Türöffnung und die Androhung der zwangsweisen Öffnung waren im Lokalinneren klar und deutlich zu hören.
Nachdem der Aufforderung zur Türöffnung nicht entsprochen wurde, wurde um 18.04 Uhr die Türöffnung von den Behördenvertretern angeordnet und von den Beamten des EKO-Cobra durchgeführt. Ein Schlüsseldienst wurde nicht herangezogen, da die Gefährdung einer Zivilperson/Schlüsseldienst als ein zu hohes Gefahrenrisiko angesehen wurde und weiters nicht ausgeschlossen werden konnte, dass an der Türe noch weitere Sperrvorrichtungen angebracht sind. Der Türzylinder konnte nicht gezogen werden, da dieser bündig mit der Türe geschlossen war und ein Abdrehen nicht möglich war.
Da sich - wie den Beamten bekannt war - bei der Haupteingangstüre eine Schleuse mit zwei Türen befand, öffneten die Beamten des EKO-Cobra die Nebeneingangstüre. Die Türbänder wurden mittels Motorflex durchgetrennt und die Türe wurde mittels Einsatz einer Kralle und Körperkraft geöffnet. Da die Türe - was den Beamte(n) im Vorfeld nicht bekannt war - durch eine Trockenbauwand verbaut war, wurde diese Trockenbauwand mittels Schlegel, Motorflex und geradem Fußstoß durchbrochen.
...
Im Lokal haben sich drei Personen befunden; die Zweitbeschwerdeführerin sowie zwei männliche Personen. Im Lokal waren insgesamt 17 Glückspielgeräte aufgestellt, welche alle ausgeschaltet waren. Ein männlicher Gast (...) teilte den Beamten mit, dass er die Polizeibeamten am Überwachungsbildschirm im Lokal gesehen und die Aufforderung zur Türöffnung auch klar und deutlich gehört habe.
Derselbe männliche Gast (...) gab gegenüber den Beamten an, dass er kurz zuvor von der Zweitbeschwerdeführerin noch bedient worden sei. Auch hing eine Damenlederjacke hinter der Bar, welche augenscheinlich die Größe der Zweitbeschwerdeführerin hatte. Die Zweitbeschwerdeführerin gab jedoch an, dass sie lediglich Gast im Lokal sei und ihr die Jacke nicht gehöre. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde von den Beamten dazu aufgefordert, die Kameras auszuschalten und die Glückspielgeräte wieder in Betrieb zu nehmen. Die Zweitbeschwerdeführerin beharrte darauf nicht Angestellte zu sein und daher der Aufforderung nicht nachzukommen.
Bei der Kontrolle besichtigten die Polizeibeamten und die Behördenvertreter sämtliche Räumlichkeiten des Lokals und blickten umher um festzustellen, ob sich weitere Personen und Glückspielgeräte im Lokal befinden. Sie schauten sich im Lokal nach sonstigen Eingriffsgegenständen wie Fernbedienungen, Knöpfe etc für die Automaten um. Auch suchten sie nach Lokalschlüsseln, insbesondere dem Schlüssel für die Schleuse, da sie nicht wussten, ob sich weitere Personen in der Schleuse befinden. Die Suche beschränkte sich auf die Vornahme eines Augenscheines; nur Offensichtliches, was herumgestanden ist, wurde angeschaut. Es wurden keine Schubladen oder andere Behältnisses geöffnet. Eine Durchsuchung fand nicht statt.
...
Die Beamten konnten während der Kontrolle nicht ausschließen, dass sich weitere Personen in der Schleuse befinden. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde mehrfach aufgefordert, die Schleuse zu öffnen.
...
Da die Schleuse mit Folien beklebt war, konnten die Beamten in die Schleuse nicht einsehen. Daher wurde ein kleines Außenfenster über der Haupteingangstüre eingedrückt und die Rigipsplatte mittels Multifunktionstool aufgeschnitten. Da in der Schleuse keine Personen aufgefunden wurden, wurde das Fenster oberhalb der Türe wieder zugezogen."
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
5 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor.
6 Die belangte Behörde erstattet eine Revisionsbeantwortung.
7 Die Revision erweist sich als unzulässig:
8 Gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. 9 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Soweit in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision zunächst die Unvereinbarkeit der nationalen Glücksspielbestimmungen mit Unionsrecht geltend gemacht wird, ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 50 Abs. 4 GSpG die Behörden gemäß § 50 Abs. 1 (die Bezirksverwaltungsbehörden bzw. die Landespolizeidirektion) und die in § 50 Abs. 2 und 3 GSpG genannten Organe (Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Abgabenbehörden) zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt sind, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erforderlich ist. 11 Eine Kontrolle nach § 50 Abs. 4 GSpG dient demnach grundsätzlich der Überwachung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes und nicht nur ausschließlich der Überwachung der Einhaltung des in den §§ 3 und 4 GSpG normierten Glücksspielmonopols. Sinn und Zweck einer Kontrolle gemäß § 50 Abs. 4 GSpG ist es, einen Sachverhalt festzustellen, der die Beurteilung ermöglicht, ob die Bestimmungen des Glücksspielgesetzes und nicht nur die das Glücksspielmonopol des Bundes betreffenden Bestimmungen eingehalten werden (vgl. VwGH 20.3.2019, Ra 2018/09/0172, 0173; 21.2.2019, Ra 2018/09/0197; 24.1.2019, Ra 2018/09/0162).
12 Die behauptete Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols des Bundes und eine etwa daraus folgende Unanwendbarkeit der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen des Glücksspielgesetzes würde daher nicht zwangsläufig die Rechtswidrigkeit einer Kontrolle gemäß § 50 Abs. 4 GSpG und damit verbundener Maßnahmen unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bewirken (vgl. VwGH 10.10.2016, Fr 2016/17/0005). Fragen der Unionsrechtswidrigkeit der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes stellen sich im vorliegenden Verfahren daher nicht. Mit ihren unionsrechtlichen Ausführungen zeigt die revisionswerbende Partei somit keine Rechtsfrage auf, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
13 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird im Weiteren geltend gemacht, eine Rechtsfrage in der Qualität des Art. 133 Abs. 4 B-VG liege darin, ob § 5 Z 1 Sondereinheiten-Verordnung einem Betroffenen ein subjektives Recht gewähre. Im Revisionsfall seien die Voraussetzungen zur Beiziehung des Einsatzkommandos Cobra nach § 6 Abs. 3 SPG und § 5 Z 1 Sondereinheiten-Verordnung nicht vorgelegen, sodass sich der in Beschwerde gezogene Akt behördlicher Befehlsgewalt schon aus diesem Grund als rechtswidrig erweise.
14 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG - also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung - vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. VwGH 2.8.2019, Ra 2018/11/0017; 30.4.2019, Ra 2018/10/0066; 6.9.2016, Ra 2015/09/0094).
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der angesprochenen Frage bereits in seinem Erkenntnis vom 28. August 2019, Ra 2017/17/0923, auseinandergesetzt und ausgesprochen, dass es sich bei der Verordnungsermächtigung nach § 6 Abs. 3 SPG sowie der dazu ergangenen Sondereinheiten-Verordnung um eine Organisationsvorschrift handelt, aus der kein subjektives Recht abgeleitet werden kann. Es genügt daher hier, gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm Abs. 9 VwGG auf dieses Erkenntnis zu verweisen. 16 Die revisionswerbende Partei sieht die Zulässigkeit der Revision auch in einer Unverhältnismäßigkeit der im Einzelfall angewendeten Zwangsgewalt begründet, da "auch gelindere Mittel, wie etwa die zwangsweise Öffnung der Eingangstüre unter Zuhilfenahme von Instrumenten, wie sie bei Schlüsseldiensten in Verwendung stehen", möglich gewesen wäre.
17 Dem ist zu erwidern, dass der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit einer Kontrolle nach § 50 Abs. 4 GSpG bereits ausgesprochen hat, dass für die Beurteilung eines zwangsweisen Betretens von Geschäftsräumlichkeiten als unverhältnismäßig feststehen müsste, dass den konkret einschreitenden Organen, bevor sie in das Lokal eingedrungen sind, bekannt war, dass sie mit geringerer Gewaltanwendung in das Lokal gelangen hätten können (vgl. VwGH 29.8.2019, Ro 2018/17/0015; 22.11.2017, Ra 2016/17/0302, 0303). Derartige Feststellungen liegen auch im vorliegenden Fall nicht vor; die einschreitenden Organe haben nach den - in der Revision im Übrigen unbekämpft gebliebenen - Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis zunächst versucht, ohne Anwendung von Gewalt in die Geschäftsräumlichkeiten zu gelangen, was jedoch auch hier mangels Reaktion der im Lokal befindlichen Person nicht möglich war. Durch das Nichtöffnen der Türen trotz entsprechender Aufforderung der einschreitenden Beamten wurde die gewaltsame Türöffnung in Kauf genommen.
18 Zudem ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Frage der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme um eine Beurteilung im Einzelfall handelt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge im Zusammenhang mit einer einzelfallbezogenen Beurteilung nur dann vor, wenn diese grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führen würde (vgl. VwGH 21.11.2018, Ra 2018/09/0140, mwN). Dass dies vorliegend der Fall wäre, wird von der revisionswerbenden Partei aber nicht aufgezeigt und ist dies für den Verwaltungsgerichtshof auf dem Boden der getroffenen Feststellungen auch nicht ersichtlich.
19 Die revisionswerbende Partei macht in der Zulässigkeitsbegründung auch geltend, das Erkenntnis stehe "im Widerspruch zu Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts betreffend das Vorliegen einer Hausdurchsuchung" (Verweis auf VfSlg. 13.049/1992 und 14.868/1997 sowie auf das bereits genannte hg. Erkenntnis 22.11.2017, Ra 2016/17/0302, 0303). Es habe eine Hausdurchsuchung stattgefunden, da "festgestelltermaßen nach Personen und Sachen gesucht" worden sei.
20 Dem ist zu erwidern, dass nach den ausdrücklichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes die "Suche" nach dem Schlüssel für die Schleuse - sollten sich die nicht näher konkretisierten Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung darauf beziehen - sich auf die Vornahme eines Augenscheines beschränkt, nur "Offensichtliches" angeschaut und keine Schubladen oder andere Behältnisses geöffnet wurden. Ein "Durchsuchen" erfordert aber begrifflich eine Besichtigung der in der Wohnung befindlichen Sachen und insbesondere der dort vorhandenen Behältnisse mit dem Ziel, bestimmte Sachen oder Sachen bestimmter Art darunter zu finden (vgl. VfSlg. 6.528/1971, 1.906/1950). Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes liegt demnach gerade kein Fall vor, bei dem von einer systematischen Besichtigung wenigstens eines bestimmten Objektes durch ein behördliches Organ im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 11.895/1988, 10.897/1986, 9.525/1982, 8.642/1979, 6.528/1971) auszugehen war (vgl. demgegenüber - wegen der Suche nach einem Schlüssel durch Öffnen einer Lade - etwa VwGH 22.5.2019, Ra 2019/09/0054).
21 Soweit die revisionswerbende Partei aber eine "Suche nach Personen" behauptet, wird nicht offen gelegt, worauf diesbezüglich Bezug genommen wird. Die bloße Einschau in die Schleuse im Zuge der Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz zur Überprüfung, ob sich darin Personen befinden, ist nicht als Hausdurchsuchung zu qualifizieren, zumal nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes das Betreten einer Wohnung bzw. von Betriebsräumen allein zum Zwecke bestimmter behördlicher Feststellungen - z.B. zur Feststellung, von wem die Wohnung bewohnt ist, oder zur Feststellung der Räume nach Größe, Zahl und Beschaffenheit - keine Hausdurchsuchung darstellt (vgl. VfSlg. 12.056/1989, 10.272/1984, 6.528/1971, 6.328/1970, 2.991/1956, 1.906/1950). Entgegen der Ansicht der revisionswerbenden Partei überschreitet eine derartige Überprüfung - nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes wurde die nicht einsehbare Schleuse trotz mehrfacher Aufforderung nicht geöffnet - auch nicht die Betretungsbefugnis nach § 50 Abs. 4 GSpG.
22 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 19. November 2019
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