VwGH Ra 2018/07/0446

VwGHRa 2018/07/044628.2.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des DI Dr. A G in S, vertreten durch die DDr. Karl Scholz Rechtsanwalts GmbH in 8501 Lieboch, Am Mühlbach 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 2. Juli 2018, Zl. LVwG 46.23-695/2018-12, betreffend die Zurückweisung von Einwendungen in einem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG:

Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg; mitbeteiligte Partei:

Gemeinde St. Josef in der Weststeiermark), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §41 Abs1;
AVG §42 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
WRG 1959 §107 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018070446.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg (BH) erteilte nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16. Juni 2014 der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 2. Februar 2018 die nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb der Kanalisationsanlage "G" (Spruchpunkt I). Mit Spruchpunkt III dieses Bescheides wurden Einwendungen des Revisionswerbers mangels Parteistellung zurückgewiesen.

2 Der Revisionswerber erhob dagegen Beschwerde. 3 Das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) wies die Beschwerde als unbegründet ab. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.

4 Das LVwG stellte als Sachverhalt fest, dass die Wasserrechtsverhandlung mit Kundmachung vom 27. Mai 2014 für den 16. Juni 2014 in der mitbeteiligten Gemeinde anberaumt worden sei. In dieser Kundmachung sei ausdrücklich darauf verwiesen worden, dass gemäß § 42 AVG "jene Person" ihre Stellung als Partei verliere, soweit sie nicht spätestens am Tag vor der Verhandlung oder während der Verhandlung Einwendungen erhebe. Die bekannten Parteien und Beteiligten seien persönlich geladen worden. In der Verhandlung sei angemerkt worden, dass die mitbeteiligte Gemeinde zwei Kundmachungen erhalte und eine Kundmachung zwecks öffentlicher Bekanntmachung an der Amtstafel anzuschlagen sei.

5 Die Kundmachung sei vom 30. Mai bis 16. Juni 2014 an der Amtstafel der Gemeinde St. Josef angeschlagen gewesen. Mit Schreiben vom 23. Juni 2014 habe der Revisionswerber der BH mitgeteilt, nicht zur Verhandlung geladen worden zu sein; in diesem Schreiben seien auch inhaltliche Einwendungen erhoben worden. Die BH habe diese Einwendungen mit Bescheid vom 2. Februar 2018 mangels Parteistellung zurückgewiesen.

6 Im Rahmen seiner rechtlichen Überlegungen führte das LVwG nach Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 12 und 107 Abs. 1 WRG 1959 sowie §§ 39 und 41 AVG aus, dass die Kundmachung durch persönliche Ladung der bekannten Beteiligten erfolgt sei. Eine Parteistellung des Revisionswerbers alleine aus dem Umstand, dass er an ein Grundstück angrenze, auf welchem die Kanalisationsanlage errichtet worden sei, "bewirkt keine Parteistellung als Grundeigentümer". Eine Parteistellung des Revisionswerbers als grundbücherlicher Eigentümer komme nur in Betracht, wenn dieser durch Auswirkungen, welche bereits durch das Projekt vorgesehen seien, substanzielle Eingriffe erlitte. Durch das vorgelegte Projekt und auch durch die Beurteilung des Sachverständigen habe bei projektgemäßem Betrieb der bewilligten Kanalanlage eine tatsächliche Beeinträchtigung der Rechte des Revisionswerbers als Grundeigentümer ausgeschlossen werden können.

7 Hinsichtlich der allfälligen Beeinträchtigung des Wassers im Hausbrunnen werde ausgeführt, dass der Revisionswerber mit diesem Vorbringen jedenfalls präkludiert sei. Die Kundmachung für die Verhandlung sei ordnungsgemäß am 16. Juni 2014 an der Amtstafel der mitbeteiligten Gemeinde angeschlagen gewesen und sei dort auch auf die Präklusionsfolgen hingewiesen worden. Der Revisionswerber hätte spätestens am Tag vor der Verhandlung schriftlich oder während der Verhandlung mündlich Einwendungen erheben müssen.

8 Auch wenn der Revisionswerber eine persönlich zu ladende Partei gewesen wäre, hätte er seine Parteistellung verloren. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 17. November 2004, 2004/04/0169, ua ausführe, trete bei Unterlassung von Einwendungen der Verlust der Parteistellung ein, wenn persönlich zu ladende Parteien nicht geladen worden seien, aber die Verhandlung im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG kundgemacht worden sei. Aus all diesen Erwägungen sei somit Präklusion eingetreten und die Beschwerde abzuweisen gewesen.

9 Die ordentliche Revision wurde mit Formelbegründung nicht zugelassen.

10 In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen außerordentlichen Revision macht der Revisionswerber Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend. Als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung macht er eine rechtswidrige Anwendung der §§ 41 und 42 AVG durch das LVwG geltend.

11 Die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus erstattete eine Stellungnahme zur Revision vom 14. November 2018, in der sie ua die Ansicht vertrat, die seitens des LVwG im Zusammenhang mit der Präklusion vertretene Rechtsansicht verletze Rechte des Revisionswerbers.

 

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13 1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

15 Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16 Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch berechtigt, weil sie erfolgreich einen Widerspruch der seitens des LVwG zum Verlust der Parteistellung vertretenen Rechtsansicht zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufzeigt:

17 2. Nach § 107 Abs. 1 erster bis dritter Satz WRG 1959 ist das Verfahren nach Maßgabe der Bestimmungen des § 39 Abs. 2 AVG durch Anberaumung einer mündlichen Verhandlung fortzusetzen. Zu dieser sind der Antragsteller und die Eigentümer jener Grundstücke, die durch die geplanten Anlagen oder durch Zwangsrechte (§ 60) in Anspruch genommen werden sollen, persönlich zu laden; dies gilt auch für jene im Wasserbuch eingetragenen Wasserberechtigten und Fischereiberechtigten, in deren Rechte durch das Vorhaben eingegriffen werden soll. Wenn noch andere Personen als Beteiligte in Betracht kommen, ist die Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz AVG kundzumachen und darüber hinaus auf sonstige geeignete Weise (insbesondere durch Verlautbarung in einer Gemeindezeitung oder Tageszeitung, Postwurfsendungen).

18 Nach § 41 Abs. 1 AVG hat die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen. Wenn noch andere Personen als Beteiligte in Betracht kommen, ist die Verhandlung überdies an der Amtstafel der Gemeinde, durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung oder durch Verlautbarung im elektronischen Amtsblatt der Behörde kundzumachen.

19 Nach § 42 Abs. 1 AVG hat, sofern eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz AVG und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht wurde, dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz AVG und in geeigneter Form kundgemacht wurde.

20 § 107 Abs. 1 dritter Satz WRG 1959 sieht keine besondere Kundmachungsform vor, sondern wiederholt inhaltlich nur die Regelung des § 41 Abs. 1 zweiter Satz AVG und des § 42 Abs. 1 zweiter Satz AVG, wobei Beispiele dafür angeführt werden, was (jedenfalls) als Kundmachung "auf sonstige geeignete Weise" anzusehen ist (VwGH 28.1.2016, Ro 2014/07/0017).

21 § 42 Abs. 1 AVG verlangt für den Eintritt der Präklusion zwingend eine "doppelte" Kundmachung der mündlichen Verhandlung. Eine dieser Formen allein, so etwa die Kundmachung durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel, genügt nicht (VwGH 24.11.2008, 2005/05/0355; 15.11.2007, 2006/07/0037).

22 Dies ergibt sich im Übrigen auch aus dem seitens des LVwG ins Treffen geführten hg. Erkenntnis vom 17. November 2004, 2004/04/0169. Demnach ist eine persönliche Verständigung aller der Behörde bekannt gewordenen Nachbarn nicht (mehr) Voraussetzung für den Eintritt der Präklusionsfolge gemäß § 42 Abs. 1 AVG (siehe auch VwGH 9.11.2011, 2010/06/0131). § 42 Abs. 1 AVG normiert als Voraussetzung für den Eintritt der Präklusionsfolge nämlich nicht, dass die Bestimmungen des § 41 Abs. 1 AVG eingehalten wurden, sondern dass die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz AVG und in der nach den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form oder in anderer geeigneter Form (also: doppelt) kundgemacht wurde. Ist dies der Fall, dann betrifft die Präklusionswirkung (Verlust der Parteistellung) auch jene Personen, die - als "bekannte Beteiligte" - von der Behörde persönlich zu laden gewesen wären (siehe auch VwGH 9.11.2011, 2010/06/0131).

23 Das LVwG stellte fest, dass im vorliegenden Fall die mündliche Verhandlung lediglich durch Anschlag in der Gemeinde kundgemacht wurde. Dass die Verhandlung darüber hinaus, in welcher Form auch immer, zusätzlich kundgemacht worden wäre, wurde hingegen nicht festgestellt.

24 Damit wurde aber den Anforderungen der doppelten Kundmachung, die § 42 Abs. 1 AVG an die Voraussetzungen für den Verlust der Parteistellung knüpft, nicht entsprochen. Die Rechtsansicht des LVwG, der Revisionswerber habe mangels rechtzeitiger Erhebung von Einwendungen seine Parteistellung - im Zusammenhang mit der allfälligen Beeinträchtigung des Wassers im Hausbrunnen - verloren, widerspricht damit der Rechtslage.

25 Das angefochtene Erkenntnis war aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 28. Februar 2019

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