VwGH Ra 2018/03/0111

VwGHRa 2018/03/01112.11.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revisionen 1. des Ing. T T, 2. der T GmbH, beide in B, beide vertreten durch die Grünbart-Lison Rechtsanwälte GmbH in 5280 Braunau/Inn, Stadtplatz 43, gegen die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 25. Juni 2018, Zlen. 405-1/239/2/1-2018, 405-1/250/2/1-2018, betreffend Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde in einer Jagdsache (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §13 Abs2;
VwGVG 2014 §13 Abs4;
VwGVG 2014 §13 Abs5;
VwGVG 2014 §22 Abs2;
VwGVG 2014 §22 Abs3;
VwGVG 2014 §31 Abs1;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018030111.L00

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht vom 27. Oktober 2017 (berichtigt durch den Bescheid vom 21. November 2017) waren gemäß § 90 Abs. 1 bis 6 des Salzburger Jagdgesetzes 1993 (SJG) iVm § 1 der Schonzeitenverordnung LGBl. Nr. 28/2008 und § 3 Abs. 3 der Wildfütterungsverordnung LGBl. Nr. 94/1996 der Zweitrevisionswerberin als Inhaberin der Eigenjagd G und Betreiberin der Rotwildfütterung R näher genannte jagdbetriebliche Maßnahmen aufgetragen worden, nämlich eine zeitliche Beschränkung der Saftfuttervorlage bei der Rotwildfütterung R (frühestens ab 1. Dezember der Fütterungsperioden 2017/18 und 2018/19) und eine stückmäßige Beschränkung des Rotwildstands an der Fütterung (maximal 70 Stück zum März 2020) sowie die - von näheren Bedingungen abhängig gemachte - Einstellung der Rotwildfütterung mit Beginn der Fütterungsperiode 2020/21.

2 Weitere jagdbetriebliche Aufträge (Erlegung sämtlichen Rotwilds, ausgenommen beschlagene und führende Tiere, bis 30. Juni 2018 in den jeweiligen Jagdgebieten mit einer näher konkretisierten örtlichen Ausnahme) richten sich an die Jagdinhaber der Eigenjagden A und B.

3 Unter einem wurde der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung allfälliger Beschwerden "gemäß § 64 Abs. 2 AVG" verfügt.

4 Dieser Entscheidung legte die belangte Behörde im Wesentlichen zu Grunde, es bestünden - wie sich aus dem Gutachten des beigezogenen forstfachlichen Amtssachverständigen ergebe - näher konkretisierte waldgefährdende Wildschäden durch jagdbare Tiere, welche die aufgetragenen jagdbetrieblichen Maßnahmen erforderten. Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung sei notwendig gewesen, um eine rasche Wiederbewaldung von Verjüngungsflächen samt deren Schutz gegen Verbiss, Fegung und Schälung durch Rotwild auf Schutzwaldstandorten samt Vorbeugung weiterer Schäden zu gewährleisten.

5 Gegen diesen Bescheid erhoben die nunmehrigen Revisionswerber Beschwerde mit dem Antrag auf ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheids, in eventu auf Aufhebung und Zurückverweisung zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung, in eventu auf Entscheidung in der Sache selbst.

6 In der darüber durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 2018 wurde von den Revisionswerbern beantragt, "der bereits eingebrachten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, da die unverzügliche Vollstreckung weder im öffentlichen Interesse geboten ist, noch aufgrund der aufgezeigten Verfahrensmängel eine Rechtsgrundlage für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gegeben ist".

7 Mit dem nunmehr in Revision gezogenen "Erkenntnis" des Verwaltungsgerichts erging über diesen Antrag folgende Entscheidung:

"Gemäß § 28 iVm § 13 VwGVG werden die Beschwerden mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung statt auf § 64 Abs 2 AVG auf § 13 Abs 2 VwGVG gestützt wird".

Unter einem wurde die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen.

8 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen Folgendes aus:

9 Die belangte Behörde hätte den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung richtigerweise zwar auf § 13 Abs. 2 VwGVG (und nicht § 64 Abs. 2 AVG) stützen müssen, durch die Fehlzitierung seien aber subjektive Rechte der Revisionswerber nicht verletzt worden, zumal eine Richtigstellung durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erfolgt sei.

10 Der Sache nach sei die Vorgangsweise der belangten Behörde, die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wegen der im hohen öffentlichen Interesse gelegenen Erhaltung eines Schutzwaldes auszuschließen, berechtigt gewesen: Bei Gegenüberstellung des hohen öffentlichen Interesses an der Erhaltung des Schutzwaldes und der Vermeidung von Wildschäden im Schutzwald einerseits und dem Interesse der Revisionswerber an der Erhaltung eines bestimmten Rotwildstands in ihrem Jagdrevier andererseits überwiege das öffentliche Interesse deutlich.

11 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende - außerordentliche - Revision.

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 In der demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit maßgebenden Zulässigkeitsbegründung der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

16 Gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung.

17 Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheids wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

18 Gemäß § 13 Abs. 4 VwGVG kann die Behörde Bescheide gemäß Abs. 2 von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt so geändert hat, dass seine neuerliche Beurteilung einen im Hauptinhalt des Spruchs anderslautenden Bescheid zur Folge hätte.

19 Gemäß § 22 Abs. 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG die aufschiebende Wirkung durch Beschluss ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheids wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

20 Gemäß § 22 Abs. 3 VwGVG kann das Verwaltungsgericht Bescheide gemäß § 13 und Beschlüsse gemäß Abs. 2 auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn es die Voraussetzungen der Zuerkennung bzw. des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben.

21 Die Entscheidung über Zuerkennung bzw. Aberkennung (Ausschluss) der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung. Wurde eine im Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung vom Verwaltungsgericht auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel. Bei der von ihm vorzunehmenden Entscheidung, die auf dem Boden der im Entscheidungszeitpunkt bestehenden Sach- und Rechtslage zu treffen ist, darf das Verwaltungsgericht regelmäßig von den nicht von vornherein als unzutreffend erkennbaren Annahmen der belangten Behörde ausgehen (vgl. zum Ganzen nur etwa VwGH 1.9.2014, Ra 2014/03/0028, 24.5.2016, Ra 2016/07/0039, und 5.9.2018, Ra 2017/03/0105).

22 Fallbezogen ist einleitend Folgendes klarzustellen: Vor dem Hintergrund der Aktenlage (die Beschwerden gegen den behördlichen Bescheid vom 27. Oktober 2017 richteten sich gegen diesen zwar "in vollem Umfang", Vorbringen oder Anträge zur Frage der aufschiebenden Wirkung wurden darin aber nicht erstattet; erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 12. Juni 2018 wurde der nun verfahrensgegenständliche Antrag gestellt) war der von den Revisionswerbern gestellte Antrag, über den mit dem nun in Revision gezogenen "Erkenntnis" entschieden wurde, als ein Antrag nach § 22 Abs. 3 VwGVG zu verstehen, mit dem also (über Antrag der Partei) der von der belangten Behörde erlassene Bescheid nach § 13 Abs. 2 VwGVG, also über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung, abgeändert werden sollte. Über einen solchen Antrag ist mit Beschluss zu entscheiden, weil damit die Rechtssache (das Beschwerdeverfahren) nicht abgeschlossen wird (§ 31 Abs. 1 VwGVG). Indem das Verwaltungsgericht anstatt mit Beschluss durch Erkenntnis entschieden hat, wurden allerdings subjektive Rechte der Revisionswerber nicht verletzt.

23 Dass dem Interesse an der Erhaltung bzw. der Wiederherstellung der Funktionen eines Schutzwaldes regelmäßig deutlich höheres Gewicht zukommt als dem Interesse eines Jagdinhabers an der Erhaltung eines bestimmten Wildstandes oder auch nur an der Beibehaltung einer bislang vorgenommen Fütterung, bedarf keiner weiteren Begründung (ob im jeweils zu beurteilenden Fall zum Schutz des Waldes jagdbetriebliche Maßnahmen erforderlich sind und welche gegebenenfalls - nach dem iSd § 90 Abs. 2 SJG maßgebenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - vorzuschreiben sind, betrifft die Entscheidung in der Hauptsache).

24 Dass die Abwägungsentscheidung des Verwaltungsgerichts dem entgegen verfehlt wäre, zeigt die Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht auf: Eine offenbare Unrichtigkeit der behördlichen Beurteilung (die es nach dem Gesagten dem Verwaltungsgericht verwehren würde, seine Abwägungsentscheidung auf Basis der im Bescheid getroffenen Annahmen vorzunehmen), wird mit dem Hinweis auf Lichtbilder vom 8. November 2016, die schneefreie Flächen zeigten, samt Bezugnahme auf ein Gutachten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik vom 15. Februar 2018, wonach am genannten Tag "im Bereich von H" "den ganzen Tag hindurch eine geschlossene Schneedecke vorhanden" gewesen sei, nämlich nicht dargelegt.

25 Bei diesem Ergebnis muss auf die Parteistellung des Erstrevisionswerbers (dem der behördliche Bescheid vom 27. Oktober 2017 der Aktenlage nach als Vertreter der Zweitrevisionswerberin zugestellt wurde) nicht weiter eingegangen werden.

26 Die Revisionen waren daher zurückzuweisen.

Wien, am 2. November 2018

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