VwGH Ra 2017/22/0146

VwGHRa 2017/22/014625.10.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl sowie Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Lechner, in der Revisionssache des M N, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/23, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 22. Juni 2017, VGW-151/032/6434/2017- 6, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

ASVG §88 Abs1 Z1;
B-VG Art133 Abs4;
NAG 2005 §11 Abs2 Z3;
NAG 2005 §11 Abs2;
NAG 2005 §63 Abs1;
NAGDV 2005 §7 Abs1 Z6;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, mit dem der Antrag des Revisionswerbers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Schüler" gemäß § 63 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen worden war, gemäß § 11 Abs. 2 Z 3 NAG als unbegründet abgewiesen. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Begründend stellte das Verwaltungsgericht ua. fest, dass der Revisionswerber einen Reisekrankenversicherungsvertrag mit der M. Reiseversicherung AG abgeschlossen habe. Diese Krankenversicherung decke grundsätzlich Kosten für medizinisch notwendige Heilbehandlungen wegen Krankheit oder Unfall ab. Keine Leistungspflicht bestehe jedoch - unter anderem - für bei Vertragsabschluss bereits bestehende und der versicherten Person bekannte Krankheiten und Beschwerden, für Krankheiten und Folgen von Unfällen, die durch Streik, Krieg, kriegsähnliche Ereignisse oder Kernenergie verursacht werden, für Erziehungsmaßnahmen, für eine "durch Siechtum, Pflegebedürftigkeit oder Verwahrung" bedingte Behandlung oder Unterbringung, für Behandlungen wegen Störungen und Schäden der Fortpflanzungsorgane, für Behandlungen von HIV-Infektionen und deren Folgen und für "Selbstmord" oder Selbstmordversuche.

3 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Verwaltungsgericht, dass die vorgelegte Krankenversicherung eine Vielzahl von Einschränkungen der Leistungspflicht vorsehe, welche von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung abweichen würden, und daher nicht den Anforderungen des § 11 Abs. 2 Z 3 NAG entspreche.

4 Dagegen wurde die gegenständliche außerordentliche Revision erhoben.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG bei einer außerordentlichen Revision gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte (vgl. den hg. Beschluss 19. Dezember 2016, Ra 2016/02/0249, mwN).

7 Zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision wird im Wesentlichen die Unterlassung einer mündlichen Verhandlung gerügt. Es hätte eine Erörterung des Versicherungsumfanges in einer mündlichen Verhandlung stattfinden müssen. Es wäre festzustellen gewesen, dass jegliche medizinisch notwendigen Heilbehandlungen wegen Krankheit, wozu auch akut gewordene Geisteskrankheiten zu zählen seien, vom Versicherungsschutz der abgeschlossenen Privatversicherung mitumfasst seien.

8 Mit diesem Vorbringen bleibt jedoch der vom Verwaltungsgericht festgestellte und entscheidungsrelevante Sachverhalt, wonach die vorgelegte Versicherungspolizze der M. Reiseversicherung AG ua. einen Ausschluss der Leistungspflicht für bei Vertragsabschluss bereits bestehende und der versicherten Person bekannte Krankheiten und Beschwerden, für Krankheiten und Folgen von Unfällen, die durch Streik, Krieg, kriegsähnliche Ereignisse oder Kernenergie verursacht werden, für Erziehungsmaßnahmen, für Behandlungen wegen Störungen und Schäden der Fortpflanzungsorgane, für Behandlungen von HIV-Infektionen und deren Folgen und für Selbstmordversuche vorsieht, unbestritten.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat - worauf die Revision selbst hinweist - mit Erkenntnis vom 7. Dezember 2016, Fe 2015/22/0001, bereits festgehalten, dass der Nachweis eines alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutzes gemäß § 11 Abs. 2 Z 3 NAG iVm § 7 Abs. 1 Z 6 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV) durch eine entsprechende Versicherungspolizze erbracht werden kann, sofern kein Fall der gesetzlichen Pflichtversicherung besteht. Aus dieser Regelung ergibt sich, dass eine nicht bestehende gesetzliche Pflichtversicherung durch eine Privatversicherung substituiert werden kann; zudem wird damit zum Ausdruck gebracht, dass die Versicherungen im gegebenen Zusammenhang als gleichwertig zu erachten sind. Eine Gleichwertigkeit setzt jedoch - auch im Hinblick auf den Zweck des § 11 Abs. 2 NAG, finanzielle Belastungen der Gebietskörperschaften zu verhindern (wie sie etwa mit einer Anstaltspflege unabweisbarer Patienten ohne entsprechende Krankenversicherung verbunden wären) - voraus, dass der Leistungsumfang (das Leistungsspektrum) einer Privatversicherung im Wesentlichen jenem der gesetzlichen Pflichtversicherung entspricht. Zwar ist auch der Leistungsumfang der gesetzlichen Pflichtversicherung nicht unbeschränkt, setzt doch der Versicherungsfall der Krankheit neben dem Vorliegen einer Krankheit als regelwidrigem Körper- und Geisteszustand die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung, bei Anstaltspflege zudem das Erfordernis einer stationären Behandlung, voraus, doch betrafen die im Privatversicherungsvertrag enthaltenen umfangreichen Risikoausschlüsse auch Behandlungsfälle, die von der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sind. Soweit der Revisionswerber darauf verweist, dass auch die gesetzliche Pflichtversicherung Leistungsansprüche gemäß § 88 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) durch vorsätzlich herbeigeführte Selbstschädigung als verwirkt sehe, übersieht er, dass gemäß dem eindeutigen Wortlaut des § 88 Abs. 1 Z 1 leg. cit. Versicherten, die den Versicherungsfall durch Selbstbeschädigung vorsätzlich herbeigeführt haben, lediglich Geldleistungen nicht zustehen; Sachleistungen sind dagegen zu gewähren (vgl. OGH vom 11. Juli 2000, 10 ObS 361/99g). Die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts, wonach die vorgelegte Krankenversicherung eine Vielzahl von Einschränkungen der Leistungspflicht vorsehe, welche von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung abwichen, und die Versicherung daher nicht den Anforderungen des § 11 Abs. 2 Z 3 NAG entspräche, findet somit in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Deckung.

10 In der Revision wird nicht dargelegt, inwiefern der Sachverhalt nicht als geklärt anzusehen sei und das Verwaltungsgericht zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen habe.

11 Weiters wendet sich die Revision nicht gegen die vom Verwaltungsgericht durchgeführte Abwägung nach § 11 Abs. 3 NAG.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 25. Oktober 2017

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