VwGH Ra 2017/20/0134

VwGHRa 2017/20/013410.8.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, in der Rechtssache der Revision des K M M in B, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. März 2017, Zl. W123 2129988-1/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 22. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Im Rahmen seiner Erstbefragung gab er an, vor den Taliban und dem IS geflüchtet zu sein.

2 Im Zuge der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 19. Mai 2016 änderte der Revisionswerber sein Fluchtvorbringen ab: Die in der Erstbefragung gemachten Angaben seien unwahr und ihm von einem anderen Asylwerber auf der Flucht empfohlen worden. Tatsächlich werde der Revisionswerber von den Mitgliedern einer der Volksgruppe der Hazara zugehörigen Familie zu Unrecht des Mordes an einem ihrer Angehörigen verdächtigt. Diese Familie habe dem Revisionswerber wiederholt mit Rache gedroht. Aus diesem Grund sei er geflohen.

3 Mit Bescheid des BFA vom 24. Juni 2016 wurde der Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich der Zuerkennung von Asyl und subsidiärem Schutz abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und unter einem eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, das Vorbringen des Revisionswerbers sei gänzlich unglaubwürdig: So habe er sich im Lauf des Verfahrens hinsichtlich seines Wohnortes in Widersprüche verwickelt, den Ablauf des von ihm beobachteten und vermeintlich von ihm begangenen Mordes sowie das Geschehen danach mehrfach modifiziert und habe der Revisionswerber - auch auf mehrfaches Nachfragen hinsichtlich der konkreten Drohungen durch die Familie des Ermordeten - nur vage und allgemeine, nichts mit einer aktuellen und individuellen Bedrohung oder Gefährdung zu tun habende Aussagen getätigt.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 6. März 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde ab. Das BVwG schloss sich - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - der Begründung des Bescheids an, wonach das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers nicht glaubhaft sei. Zur Nichtzuerkennung subsidiären Schutzes und zur Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, die Heimatprovinz Balkh und der ehemalige Wohnort des Revisionswerbers, Mazar-e-Sharif, seien nicht derart unsicher, dass es jenem von vornherein unmöglich wäre, dorthin zurückzukehren. Weiters sei der Revisionswerber gesund und arbeitsfähig, habe Berufserfahrung sowie in Mazar-e-Sharif drei Onkel als Familienangehörige.

5 2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 3. Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG weiche vom hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2015, Ra 2014/18/0108, ab, wonach die Asylbehörden im Rahmen der Beweiswürdigung den realen Hintergrund des Fluchtvorbringens einzubeziehen und die Glaubwürdigkeit der Behauptungen an der einschlägigen Berichtslage zu messen haben: Das BVwG setze sich nicht mit der Frage auseinander, ob das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers nach der Berichtslage plausibel sei. Das BVwG gehe weiters aktenwidrig davon aus, dass der Revisionswerber vor dem BFA keine Angaben dahingehend getätigt habe, dass auch seine Familie in die Feindschaft mit jener Familie, die ihn bedroht habe, einbezogen gewesen sei; dies widerspreche den Angaben des Revisionswerbers in der Einvernahme.

10 Vor dem Hintergrund des Umfangs der Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit einer im Einzelfall erfolgten Beweiswürdigung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer grob fehlerhaften, unvertretbaren Weise vorgenommen hat, sodass dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt ist (vgl. den hg. Beschluss vom 31. März 2016, Ro 2016/07/0002, mwN). Dass die Beweiswürdigung des BVwG fallbezogen derart fehlerhaft wäre, wird von der Revision nicht dargetan. Daran kann der Verweis auf die Länderberichte betreffend Fälle von Blutfehden oder die Verheiratung von Frauen als Kompensation zur Beilegung stammesrechtlicher Fehden nichts ändern, zumal das BVwG die grundsätzliche Möglichkeit solcher Ereignisse keineswegs ausschließt. Wenn das BVwG jedoch nachvollziehbar begründet, weshalb fallbezogen das Vorbringen aufgrund der konkreten Schilderung des vorgebrachten Sachverhalts durch den Revisionswerber nicht glaubhaft sei, wird kein revisibler Mangel des angefochtenen Erkenntnisses im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung aufgezeigt.

11 Soweit die Revision die Aktenwidrigkeit des Erkenntnisses behauptet, so ist zu entgegnen, dass das BVwG eine Involvierung der Familie des Revisionswerbers in die angebliche Fehde in seiner Beweiswürdigung nicht verwertet und insofern eine Aktenwidrigkeit nicht erkannt werden kann.

12 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 10. August 2017

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