VwGH Ra 2017/19/0553

VwGHRa 2017/19/055312.12.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, die Hofräte Dr. Pürgy, Mag. Stickler sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11. Oktober 2017, I416 2164464- 1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (mitbeteiligte Partei: V O), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §3 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 2005 §10 Abs1;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §55;
AsylG 2005 §57;
AVG §59 Abs1;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §52 Abs2;
FrPolG 2005 §52 Abs9;
FrPolG 2005 §59 Abs2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017190553.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 20. Juli 2011 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesasylamtes vom 26. Juli 2011 wurde der Antrag zur Gänze abgewiesen und der Mitbeteiligte nach Nigeria ausgewiesen.

2 Ein weiterer, am 21. September 2011 eingebrachter Antrag auf internationalen Schutz wurde vom Bundesasylamt mit rechtskräftigem Bescheid vom 28. September 2011 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und erneut ausgesprochen, dass der Mitbeteiligte nach Nigeria ausgewiesen werde.

3 Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 8. Juni 2013 wurde gegen den Mitbeteiligten gemäß § 52 Abs. 1 FPG eine Rückkehrentscheidung und damit verbunden ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht Wien mit Erkenntnis vom 21. Jänner 2014 mit der Maßgabe ab, dass anstelle der Wortfolge "Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 und Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGB1. I Nr. 100/2005 idgF, wird gegen Sie ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot für den gesamten Schengenraum erlassen," die Wortfolge "Gemäß § 65b in Verbindung mit § 67 Abs. 1 und 2 FPG idF BGB1. I Nr. 38/2011 wird gegen Sie ein Aufenthaltsverbot im Ausmaß von 5 Jahren verhängt" zu treten habe.

4 Am 8. Juni 2017 stellte der Mitbeteiligte den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

5 Mit Bescheid vom 27. Juni 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 11. Oktober 2017 wurde der Bescheid des BFA "behoben" und die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

7 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG auch für den Fall der Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG die Rechtsgrundlage für die Verbindung dieser Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung darstelle. Da die belangte Behörde die auf § 68 AVG gestützte Zurückweisung des Folgeantrages des Mitbeteiligten mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden gehabt hätte, sei der angefochtene Bescheid "gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG zu beheben" gewesen, um den Weg für die Erlassung eines neuen Bescheides "freizumachen".

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des BFA, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Einleitung des Vorverfahrens und Erstattung einer Revisionsbeantwortung erwogen hat:

9 In der Amtsrevision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit unter anderem vorgebracht, selbst wenn eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen wäre, sei nicht ersichtlich, weshalb die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz rechtswidrig sein sollte. Die Rückkehrentscheidung baue auf der Entscheidung über internationalen Schutz auf und nicht umgekehrt. Es handle sich um trennbare Spruchpunkte.

10 Die Amtsrevision ist zulässig und berechtigt. 11 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass

es sich bei den Aussprüchen, mit denen der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt, der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt, ein Aufenthaltstitel nach § 55 und § 57 A.sylG 2005 nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wird, dass die Abschiebung in ein bestimmtes Land zulässig ist, um voneinander rechtlich trennbare Aussprüche handelt. Demgemäß sind diese Aussprüche separat anfechtbar; sie können auch unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen. Es besteht zwischen diesen gemäß den maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 und des FPG insofern ein rechtlicher Zusammenhang, als es :für manche Aussprüche Tatbestandsvoraussetzung ist, dass bereits andere Aussprüche getätigt wurden und zudem manche Aussprüche miteinander zu verbinden sind, sodass im Fall der Aufhebung eines Spruches ein darauf rechtlich aufbauender Ausspruch seine Grundlage verlieren kann (vgl. VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0001).

12 Letztere Konstellation liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Ein rechtlicher Zusammenhang besteht vielmehr in der Weise, dass eine Rückkehrentscheidung mit der negativen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz "zu verbinden" ist (§ 10 Abs. 1 AsylG 2005) bzw. sie "unter einem" zu ergehen hat (§ 52 Abs. 2 FPG). Die Rückkehrentscheidung setzt also die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz voraus (vgl. VwGH 4.8.2016, Ra 2016/21/0162). Eine allfällige Säumnis mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung führt daher nicht zur Rechtswidrigkeit des Ausspruchs über den Antrag auf internationalen Schutz. Dieser hängt nämlich nicht von der Rückkehrentscheidung ab.

13 Indem das Bundesverwaltungsgericht dies verkannte und den Bescheid auf Grund der nicht getroffenen Rückkehrentscheidung aufhob, hat es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 12. Dezember 2018

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