Normen
32011L0095 Status-RL Art8 Abs1;
AsylG 2005 §11 Abs1;
EURallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017190431.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 14. April 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 1. April 2016 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Die Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
5 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht, dass das angefochtene Erkenntnis die näher angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Feststellungen zu allgemeinen Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens des Revisionswerbers nicht beachtet habe. Die für die Entscheidung nach § 8 AsylG 2005 relevanten Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan und insbesondere in der Herkunftsprovinz des Revisionswerbers seien mangelhaft. Das Bundesverwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass dem Revisionswerber eine innerstaatliche Fluchtalternative beziehungsweise Ansiedlungsmöglichkeit in Kabul oder Herat offen stehe. Beide Orte seien für den Revisionswerber jedoch keine mögliche und zumutbare Fluchtalternative. Im Übrigen stelle sich die Frage, ob das Bundesverwaltungsgericht auf Grund der rapiden Verschlechterung der für die Entscheidung relevanten allgemeinen Lage in Afghanistan nicht eine weitere mündliche Verhandlung hätte durchführen müssen. Schließlich sei die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts unschlüssig und weiche von der diesbezüglichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.
6 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Asylbehörden bei den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen. Das gilt ebenso für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Es reicht aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074, mwN). Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist dabei in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 28.3.2017, Ra 2016/01/0173, mwN). Eine solche Relevanz zeigt die vorliegende Revision nicht auf.
8 Das gilt in gleicher Weise für das Vorbringen, das Bundesverwaltungsgericht hätte die Länderfeststellungen aktualisieren und in Folge dessen eine zweite mündliche Verhandlung durchführen müssen. Auch hier wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels für den Verfahrensausgang nicht ausreichend dargetan.
9 Soweit die Revision rügt, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Prüfung der Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz ab, ist ihr entgegen zu halten, dass das Bundesverwaltungsgericht zwar eine Rückkehrmöglichkeit in die Heimatprovinz des Revisionswerbers bejahte, aber alternativ auch innerstaatliche Fluchtalternativen für den Revisionswerber in Kabul und Herat für gegeben erachtete. Dass das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, ist jedoch nicht zu erkennen.
So hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. Jänner 2018, Ra 2018/18/0001, ausführlich mit der Bestimmung des § 11 Abs. 1 AsylG 2005 und dem diesbezüglichen unionsrechtlichen Hintergrund des Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) auseinandergesetzt und ist zu dem Schluss gekommen, dass das Kriterium der "Zumutbarkeit" nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 gleichbedeutend ist mit dem Erfordernis nach Art. 8 Abs. 1 Statusrichtlinie, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.
Auch hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Hinblick auf das ihr unter anderem innewohnende Zumutbarkeitskalkül insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit erfordert (vgl. VwGH 8.8.2017, Ra 2017/19/0118, mwN).
10 Im vorliegenden Fall hat das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung konkrete, sowohl die persönliche Situation des Revisionswerbers (unter anderem zu dessen Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner mehrjährigen Schulbildung sowie zum Vorhandensein sozialer Anknüpfungspunkte in Kabul) als auch die allgemeine Sicherheits- und Menschenrechtslage im Herkunftsstaat (unter anderem auch in Bezug auf Kabul) betreffende Feststellungen getroffen.
11 Ausgehend davon wirft das vom Bundesverwaltungsgericht erzielte Ergebnis, der Revisionswerber finde auf Grund der aufgezeigten Umstände des Einzelfalles (in Bezug auf den maßgeblichen Zeitpunkt des angefochtenen Erkenntnisses) in der afghanischen Hauptstadt Kabul eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative vor, keine die Zulässigkeit der Revision begründende grundsätzliche Rechtsfrage auf.
12 Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 28.6.2018, Ra 2018/19/0157, mwN).
Im vorliegenden Fall erachtete das Bundesverwaltungsgericht das Vorbringen des Revisionswerbers zu seinen Fluchtgründen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unglaubwürdig. Der Revision gelingt es nicht aufzuzeigen, dass die einzelfallbezogene Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leiden würde.
13 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 10. September 2018
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