VwGH Ra 2017/19/0298

VwGHRa 2017/19/029818.10.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in den Revisionssachen 1. der R H (alias R A alias R A H) und 2. der Y H, beide vertreten durch Mag. Petra Illek-Klingenschmid, Rechtsanwältin in 2500 Baden, Wassergasse 2, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. Juni 2017, 1) W175 2149143-1/6E und 2) W175 2149144-1/6E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

32013R0604 Dublin-III;
AsylG 2005 §4a;

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberinnen sind Staatsangehörige Somalias. Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter der am 11. Mai 2016 geborenen Zweitrevisionswerberin. Die Revisionswerberinnen stellten am 12. Oktober 2015 (Erstrevisionswerberin) und am 30. Mai 2016 (Zweitrevisionswerberin) einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2 Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 16. Februar 2017 wurde der Antrag der Erstrevisionswerberin gemäß § 4a Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) zurückgewiesen und diese aufgefordert, sich nach Italien zu begeben. Unter einem wurde die Außerlandesbringung der Erstrevisionswerberin gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) angeordnet, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und festgestellt, dass die Abschiebung der Erstrevisionswerberin nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

3 Mit Bescheid vom selben Tag wies das BFA den Antrag der Zweitrevisionswerberin gemäß § 5 Abs. 1 AslyG 2005 zurück und sprach aus, dass für die Prüfung des Antrages nach Art. 20 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-Verordnung) Italien zuständig sei. Unter einem wurde gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung der Zweitrevisionswerberin angeordnet. Weiters enthält der Bescheid den Ausspruch, dass "demzufolge" gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung der Zweitrevisionswerberin nach Italien zulässig sei.

4 Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der Revisionswerberinnen ab. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

5 Gegen diese Erkenntnisse richten sich die vorliegenden außerordentlichen Revisionen.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Ihre Zulässigkeit begründen die Revisionen ausschließlich damit, dass die Revisionswerberinnen zu einer besonders vulnerablen Personengruppe zählten, weshalb im vorliegenden Fall eine Einzelfallzusicherung der italienischen Behörden einzuholen gewesen wäre. Die Revisionen zielen dabei erkennbar auf die Darstellung ab, dass den Revisionswerberinnen in Italien die Gefahr einer Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC widersprechenden Behandlung drohe und daher im vorliegenden Fall das im Dublin-System vorgesehene Selbsteintrittsrecht auszuüben gewesen wäre.

10 Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei der auf § 4a AsylG 2005 gestützten Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz der Erstrevisionswerberin um eine Entscheidung außerhalb des Anwendungsbereiches der Dublin III-Verordnung handelt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Dezember 2016, Ra 2016/21/0327, sowie vom 30. Juni 2016, Ra 2016/19/0072). Im vorliegenden Fall werfen die Revisionen keine Rechtsfragen in Bezug auf § 4a AsylG 2005 auf.

11 Der auf die Zweitrevisionswerberin bezogenen Revision gelingt es mit ihrem allgemein gehaltenen Zulässigkeitsvorbringen weder im Hinblick auf das Erfordernis einer grundrechtskonformen Interpretation des AsylG 2005 noch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verpflichtung, im Rahmen von Entscheidungen nach § 5 AsylG 2005 bei einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK und Art. 8 EMRK das Selbsteintrittsrecht nach der Dublin III-Verordnung auszuüben (vgl. den hg. Beschluss vom 25. Mai 2016, Ra 2016/19/0069, mwN), eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen.

12 Im vorliegenden Fall stützte sich das Bundesverwaltungsgericht auf aktuelle Berichte zur Unterbringungssituation von Asylwerbern in Italien, insbesondere auch zur Versorgung von Familien mit Kindern, und leitete daraus ab, dass das italienische Asylwesen keine "groben" systemischen Mängel aufweise. Es hielt weiters fest, dass die in Italien subsidiär schutzberechtigte Erstrevisionswerberin Zugang zum italienischen Arbeitsmarkt habe und vor diesem Hintergrund in der Lage sei, für sich und ihre Tochter eine ausreichende Existenzgrundlage zu schaffen. Diesen Feststellungen und dem daraus abgeleiteten Schluss des Bundesverwaltungsgerichts, dass den Revisionswerberinnen in Italien nicht die Gefahr einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC garantierten Rechte drohe, treten die Revisionen in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht substantiiert entgegen.

13 Schließlich ist ein behaupteter, aber nicht näher dargestellter Widerspruch der angefochtenen Erkenntnisse zu dem Urteil des EGMR vom 4. November 2014, Nr. 29217/12, "Tarakhel", nicht ersichtlich (vgl. im Übrigen zu zeitlich nach dem Urteil in der Rechtssache "Tarakhel" ergangener Rechtsprechung des EGMR den hg. Beschluss vom 23. März 2017, Ra 2017/20/0061).

14 In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 18. Oktober 2017

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