VwGH Ra 2017/19/0200

VwGHRa 2017/19/020018.10.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, in der Revisionssache des A H, vertreten durch Mag. Clemens Lahner, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9. Mai 2017, I403 1436406-1/44E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §11;
AsylG 2005 §8 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017190200.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Sudan, stellte am 8. April 2011 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu brachte er vor, er sei geflüchtet, weil Krieg herrsche und seine Familie nichts mehr zu essen gehabt habe. Zudem gab er an, dass sein Bruder entführt und getötet worden sei und dass ihm dasselbe Schicksal drohe.

2 Das Bundesasylamt wies den Antrag mit Bescheid vom 28. Juni 2013 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab und wies den Revisionswerber in den Sudan aus.

3 Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde, soweit hier relevant, mit Erkenntnis vom 28. Oktober 2015 als unbegründet ab.

4 Mit Erkenntnis vom 7. September 2016, Ra 2015/19/0303, hob der Verwaltungsgerichtshof dieses Erkenntnis, soweit dem Revisionswerber der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf und wies die Revision im Übrigen, nämlich hinsichtlich der Nicht-Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, als unzulässig zurück. Der Verwaltungsgerichtshof begründete die Aufhebung - auf Grund der Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, dass der Revisionswerber aus der Region Darfur stamme - damit, dass sich das Bundesverwaltungsgericht mit vom Revisionswerber vorgelegten Berichten zur schlechten Sicherheits- und Versorgungslage auseinandersetzen und angesichts der in Darfur herrschenden instabilen Lage die aktuellsten Berichte in seine Entscheidung einbeziehen hätte müssen. Es hätte auch auf das Vorbringen, die Familie des Revisionswerbers lebe in einem Flüchtlingslager, und auf die dortige Versorgungslage eingehen müssen. Im Hinblick auf die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, dass der Revisionswerber in der Umgebung von Khartum leben könne, fehlten Feststellungen zur Lage (von Flüchtlingen) in Khartum. Zudem hätte das Bundesverwaltungsgericht prüfen müssen, ob dem Revisionswerber in Khartum eine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehe.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht im fortgesetzten Verfahren die Beschwerde gegen die Nicht-Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Mit Beschluss vom 11. Juni 2018, E 1985/2017-13, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG ab und trat die Beschwerde mit Beschluss vom 2. Juli 2018, E 1985/2017-15, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, die vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderberichte seien mit jenen des vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Erkenntnisses vom 28. Oktober 2015 "zu einem großen Teil ident" und nicht aktuell; das Bundesverwaltungsgericht hätte näher angeführte, aktuelle Berichte zur Menschenrechtssituation und zur Nahrungsmittelversorgung im Sudan berücksichtigen müssen. Das Bundesverwaltungsgericht habe keine konkreten, einzelfallbezogenen Feststellungen dazu getroffen, ob für den Revisionswerber bei einer Rückkehr in den Sudan ein "real risk" einer Verletzung des Art. 3 EMRK bestehe. Es sei nicht ersichtlich, wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Annahme komme, für den Revisionswerber seien zumindest in Khartum die für den Mindestbedarf nötigen Güter vorhanden, zumal es sich dabei nicht auf aktuelle Länderberichte stütze; die Begründung sei mangelhaft. Das Bundesverwaltungsgericht habe auch keine konkreten, einzelfallbezogenen Feststellungen zur Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Khartum getroffen und seiner Beurteilung veraltete Länderberichte zu Grunde gelegt; auch insofern sei die Begründung mangelhaft.

11 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Asylbehörden bei den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen. Das gilt ebenso für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Es reicht aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074, mwN; 10.9.2018, Ra 2017/19/0431). Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist dabei in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 28.3.2017, Ra 2016/01/0173, mwN).

13 Eine solche Relevanz zeigt die vorliegende Revision nicht auf. Der Revision ist zunächst entgegen zu halten, dass die im angefochtenen Erkenntnis enthaltenen Länderfeststellungen keineswegs mit jenen des aufgehobenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2015 "ident" sind, sondern vielmehr dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 16. Dezember 2015, aktualisiert am 2. Dezember 2016, entnommen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat seinen Feststellungen überdies mehrere Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation vom Februar 2017 zu Grunde gelegt. Soweit die Revision bruchstückhaft aus weiteren Berichten zum Sudan zitiert, zeigt sie damit fallbezogen nicht auf, dass die vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zum Entscheidungszeitpunkt nicht die erforderliche Aktualität aufgewiesen hätten.

14 Wenn die Revision in diesem Zusammenhang das Fehlen von Feststellungen zur Situation von Deserteuren im Sudan rügt, ist ihr zu entgegnen, dass das BVwG die Behauptung des Revisionswerbers, er sei ein Deserteur, als unglaubwürdig beurteilt hat. Dagegen wurde in der Revision aber nichts vorgebracht, sodass die Revision schon deshalb nicht von der Lösung der geltend gemachten Rechtsfrage abhängt.

15 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK seitens des Betroffenen notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 7.9.2016, Ra 2015/19/0303, mwN).

16 Das Bundesverwaltungsgericht geht erkennbar vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Khartum aus. Auf der Grundlage der zu Khartum getroffenen Feststellungen weicht die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dass es dem gesunden und arbeitsfähigen Revisionswerber, der Arabisch (also eine Amtssprache) spreche und hinsichtlich dessen keine besondere Vulnerabilität vorliege, möglich sei, sich in Khartum durch einfache Tätigkeiten ein Existenzminimum zu sichern, - bezogen auf den maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt - nicht von den Leitlinien der hg. Judikatur (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001) ab. Entgegen dem Vorbringen der Revision legte das Bundesverwaltungsgericht dieser Beurteilung insbesondere die - im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation enthaltene - Feststellung zu Grunde, dass in Khartum die für den Mindestbedarf zum Leben erforderlichen Güter vorhanden sind.

17 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 18. Oktober 2018

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