VwGH Ra 2017/19/0095

VwGHRa 2017/19/009519.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30. Jänner 2017, W119 2132906-1/13E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG (Mitbeteiligter: A H H in B), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §11;
AsylG 2005 §8 Abs1;
AsylG 2005 §8;
MRK Art2;
MRK Art3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird in seinen Spruchpunkten A. II., A. III. sowie A. IV. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger von Afghanistan aus der Provinz Paktia und Angehöriger der paschtunischen Volksgruppe, stellte am 12. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu brachte er zusammengefasst vor, bei einem Überfall der Taliban auf das Heimatdorf im Jahr 2005 sei sein Vater getötet und er selbst verletzt worden. Der Mitbeteiligte werde von den Taliban mit dem Tod bedroht. Er habe keine Möglichkeit in Kabul zu leben, weil er auch dort in Gefahr sei.

2 Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 29. Juli 2016 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Es erteilte dem Mitbeteiligten keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise des Mitbeteiligten mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte - soweit hier entscheidungsrelevant - aus, es könne nicht festgestellt werden, dass dem Mitbeteiligten in seinem Heimatland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen gewesen sei oder dass er bei einer Rückkehr in eine die Existenz bedrohende Notlage gedrängt werde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gehe daher davon aus, dass der Mitbeteiligte sich in einem anderen Teil seines Heimatlandes niederlassen könne und auch in der Lage sei, dort selbstständig seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon aus, es könne - selbst wenn man dem Fluchtvorbringen des Mitbeteiligten Glauben schenken wolle - nicht davon ausgegangen werden, dass ihm im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan Gefahr vor den Taliban drohe. Eine über das unglaubwürdige Fluchtvorbringen des Mitbeteiligten hinausgehende Gefährdungslage im Heimatland sei von ihm nicht behauptet worden und aus den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat nicht ersichtlich. Auf Grundlage der Feststellungen sei davon auszugehen, dass er im Fall der Rückkehr zumindest auf einem bescheidenen Niveau eine neue Existenz aufbauen könne und ihm keinesfalls die völlige Entziehung seiner Existenzgrundlage drohe. Der Mitbeteiligte habe von Geburt an bis zu seiner Ausreise in Afghanistan gelebt. Selbst wenn er in Kabul niemanden kenne, sei kein Grund dafür zu sehen, dass er nicht in Kabul eine Arbeit finden werde, zumal es sich bei ihm um einen erwachsenen, gesunden und arbeitsfähigen Mann handle.

4 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in welcher er unter anderem das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul bestritt und dazu Berichte zur dortigen Sicherheitslage zitierte.

5 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Mitbeteiligten nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet ab (Spruchpunkt A I.) und erkannte ihm in Stattgebung seiner gegen Spruchpunkt II. des Bescheides gerichteten Beschwerde den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu (Spruchpunkt A II.). Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilte das Bundesverwaltungsgericht dem Mitbeteiligten eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 30. Jänner 2018 (Spruchpunkt A III.) und behob die vom der belangten Behörde ausgesprochene Rückkehrentscheidung sowie die Frist für die freiwillige Ausreise ersatzlos (Spruchpunkt A IV.). Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig (Spruchpunkt B).

6 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, der Mitbeteiligte habe keine Schule besucht und seinen Lebensunterhalt durch die Beteiligung an der Gewinnausschüttung des Holzhandels eines Freundes verdient. Er sei im Jahr 2005 mit seiner Familie (Ehefrau und fünf Kinder) in das Dorf Saparan in der Provinz Paktia übersiedelt, wo seine Familie weiterhin lebe und der Mitbeteiligte bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 gelebt habe. Das von seiner Familie erzielte Einkommen aus dem Holzhandel reiche nicht für eine Existenzgrundlage des Mitbeteiligten außerhalb der Provinz Paktia. In den Großstädten Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat verfüge der Mitbeteiligte über keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte, weil er dort nie gelebt habe. Sodann zitierte das Bundesverwaltungsgericht Berichte zur allgemeinen Lage in Afghanistan und zur Provinz Paktia sowie ein in der mündlichen Verhandlung erstattetes Gutachten eines länderkundigen Sachverständigen zu den Taliban und deren Einfluss in der Provinz Paktia.

7 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesverwaltungsgericht - soweit im Revisionsfall noch von Relevanz -, der Mitbeteiligte habe bis zu seiner Ausreise nur in seiner Herkunftsprovinz gelebt und besitze daher keine Kenntnis über die örtlichen und infrastrukturellen Verhältnisse in den Großstädten. Es könne zudem nicht davon ausgegangen werden, dass der Mitbeteiligte, der über keine Berufsausbildung verfüge, zumindest in der Anfangsphase des Aufbaues einer neuen Existenz in Afghanistan auf einen finanziellen Rückhalt durch seine Angehörigen zurückgreifen könne, da seine Familie mit dem aus dem Holzhandel erwirtschafteten Gewinn lediglich für sich selbst sorgen könne. Aus den zitierten Länderfeststellungen gehe hervor, dass die Versorgung mit Wohnraum und Nahrungsmitteln (offenbar gemeint: in den Großstädten) sich insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne familiären Rückhalt meist nur als unzureichend darstelle. Der Mitbeteiligte würde daher aufgrund der schlechten Sicherheitslage in seiner Herkunftsprovinz, wegen seiner fehlenden Berufsausbildung und der fehlenden tragfähigen Beziehungen "und/oder" Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse sowie der mangelnden Unterstützung im Fall seiner Rückkehr in eine ausweglose Situation geraten, weil ihm die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und er darüber hinaus einem massiven Sicherheitsrisiko ausgesetzt wäre. Bezogen auf das gesamte Staatsgebiet Afghanistans würde der Mitbeteiligte in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen, eine Verletzung seiner durch Art. 2, Art. 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden.

8 Gegen diese Entscheidung erhob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Amtsrevision, welche sich ausdrücklich nur gegen die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Mitbeteiligten und Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung sowie gegen die Behebung der Rückkehrentscheidung richtet.

 

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Amtsrevision nach Vorlage derselben und der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht sowie nach Einleitung des Vorverfahrens und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch den Mitbeteiligten in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

10 Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision unter anderem vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen für das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage im Sinn des Art. 3 EMRK und zur innerstaatlichen Fluchtalternative abgewichen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei das Vorliegen einer realen Gefahr im Sinn des § 8 AsylG 2005 im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu prüfen, wobei diese Prüfung auf entsprechenden Feststellungen aufzubauen habe. Das Bundesverwaltungsgericht habe die Voraussetzungen des Art. 8 EMRK undifferenziert in Bezug auf ganz Afghanistan geprüft, ohne sich näher mit möglichen Regionen für eine innerstaatliche Fluchtalternative sachverhaltsmäßig und rechtlich auseinanderzusetzen. Das Bundesverwaltungsgericht habe den Schluss gezogen, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative in einer der Großstädte unzumutbar sei und sei nicht näher darauf eingegangen, warum es dem Mitbeteiligten nicht möglich sei, in Kabul oder einer anderen Großstadt wie Mazar-e Sharif oder Herat zu leben bzw. warum gerade er im Fall einer Rückkehr in eine ausweglose Lage geraten werde. Die rechtliche Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes sei daher im konkreten Fall nicht auf entsprechenden Tatsachenfeststellungen aufgebaut.

11 Die Amtsrevision erweist sich als zulässig. Sie ist auch

begründet.

12 § 8 AsylG 2005 lautet auszugsweise:

"Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist

einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen

Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des

Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. (...)

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) ...

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

(4) ...

..."

§ 11 AsylG 2005 lautet:

"Innerstaatliche Fluchtalternative

§ 11. (1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen."

13 Das Bundesverwaltungsgericht orientiert sich in seinen Feststellungen zur allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan und jenen der Herkunftsregion des Mitbeteiligten in der Provinz Paktia an den Länderberichten und dem eingeholten Gutachten des beigezogenen länderkundigen Sachverständigen. Zusammenfassend geht das Bundesverwaltungsgericht in seiner Conclusio davon aus, dass der Mitbeteiligte bis zu seiner Ausreise in seiner Heimatprovinz gelebt habe und noch nie in einer Großstadt aufhältig gewesen sei und daher keine Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten der Hauptstadt Kabul oder anderen Großstädten wie Mazar-e Sharif oder Herat verfüge, wegen der schlechten Sicherheitslage in seiner Herkunftsprovinz und wegen seiner fehlenden Berufs-/Fachausbildung würde er im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan in eine für ihn ausweglose Situation geraten und einer realen Gefahr im Sinn des Art. 3 EMRK ausgesetzt sein. Ausdrücklich weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass diese Ausführungen sich auf das gesamte Staatsgebiet bezögen.

14 Auf der Grundlage der vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zur Person der Mitbeteiligten und unter Einbeziehung der im angefochtenen Erkenntnis ebenfalls enthaltenen Feststellungen zum Herkunftsstaat teilt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der Amtsrevision, dass die Schwelle des Art. 3 EMRK im vorliegenden Fall nicht erreicht ist.

15 Nach der hg. Rechtsprechung ist bei der Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. Mai 2016, Ra 2016/19/0036, und vom 25. April 2017, Ra 2016/01/0307, jeweils mit mwN).

16 In diesem Zusammenhang ist neuerlich auf die ständige Judikatur des EGMR hinzuweisen, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos darzulegen, dass ihr im Fall der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. den hg. Beschluss vom 23. Februar 2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 5. September 2013, I gegen Schweden, Nr. 61 204/09).

17 Was die spezifische Situation von Afghanistan betrifft, hat der Verwaltungsgerichthof in dem zitierten Beschluss Ra 2015/01/0134 auch auf die Rechtsprechung des EGMR in jüngst ergangenen Urteilen hingewiesen, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert sei, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde.

18 Der Verwaltungsgerichthof verkennt nicht, dass die Lage in Afghanistan sowohl hinsichtlich der Sicherheitslage in einzelnen Landesteilen als auch der wirtschaftlichen Situation angespannt ist. Davon zu unterscheiden ist aber das Prüfungskalkül des Art. 3 EMRK, das - wie dargelegt - für die Annahme einer solchen Menschenrechtsverletzung das Vorhandensein einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen fordert.

19 Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die Prüfung des Vorliegens einer realen Gefahr im Sinn des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 eine rechtliche Beurteilung darstellt, die auf Basis der getroffenen Feststellungen zu erfolgen hat.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seinen Feststellungen zwar eine schwierige Lebenssituation für den Mitbeteiligten im Fall seiner Rückführung in den Herkunftsstaat bezogen auf das gesamte Staatsgebiet aufgezeigt, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht, primär gestützt auf mangelnde tragfähige Beziehungen des Mitbeteiligten und fehlende Ortskenntnisse in Großstädten. Darauf gestützt verneint das Bundesverwaltungsgericht explizit auch das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative. Weshalb der Mitbeteiligte dadurch und insbesondere aufgrund mangelnder Ortskenntnisse in Großstädten trotz Vertrautheit mit den kulturellen Gegebenheiten und der Sprache aber in eine Situation ernsthafter individueller Bedrohung des Lebens käme, zeigt das Bundesverwaltungsgericht nicht auf. Es ist eine solche auch nicht von vornherein erkennbar. Die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, er würde im gesamten Herkunftsstaat in eine ausweglose Situation geraten, ist eine Schlussfolgerung, die in den Feststellungen keine Deckung findet.

20 Die Entscheidung war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 19. Juni 2017

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