Normen
AVG §39 Abs2;
AVG §58;
AVG §60;
AVG §9;
GSpG 1989 §54 Abs1;
VStG §25 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §29;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017170732.L00
Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 7. März 2017 wurde die Einziehung von zehn näher bezeichneten Glücksspielgeräten gemäß § 54 Abs. 1 Glücksspielgesetz (GSpG) verfügt.
2 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) die dagegen erhobene Beschwerde als unzulässig zurück und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
3 Begründend führte das LVwG dazu aus, die revisionswerbende Gesellschaft sei seit 12. Dezember 2013 als Limited Company nach englischem Recht unter einer näher genannten Company Nr. im Companies House (Cardiff) registriert gewesen. Aus dessen Register sei ersichtlich, dass die "Firma" mit der genannten Company Nr. am 10. Februar 2015 aufgelöst und aus dem Register gelöscht worden sei. Aus zwei näher bezeichneten, bzw. passagenweise wiedergegebenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes ergebe sich, dass die Löschung einer Gesellschaft im englischen Register nach englischem Recht konstitutiv wirke und die Beendigung dazu führe, dass die Existenz der Gesellschaft als Rechtsträger aufhöre und die Vertretungsbefugnisse endeten. "Somit" komme gegenständlich der juristischen Person weder Partei- und Prozessfähigkeit noch Rechtsfähigkeit zu. Mangels Zustellung des Einziehungsbescheides an einen rechtlich existenten Adressaten handle es sich bei dem vor dem LVwG bekämpften Bescheid um einen Nichtbescheid; die Beschwerde sei daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
4 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, diesen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte Aufwandersatz.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Die Revision erweist sich bereits hinsichtlich des Zulässigkeitsvorbringens in Bezug auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechts- und Parteifähigkeit einer in Großbritannien gelöschten Limited Company nach englischem Recht betreffend allfällig in Österreich (noch) gelegener Vermögenswerte als zulässig. Sie ist auch berechtigt.
6 In Bezug auf ausländisches Recht gilt der Grundsatz "iura novit curia" nicht, sodass dieses in einem - grundsätzlich amtswegigen - Ermittlungsverfahren festzustellen ist, wobei aber auch hier die Mitwirkung der Beteiligten erforderlich ist, soweit eine Mitwirkungspflicht der Partei besteht (vgl. VwGH 10.7.2018, Ra 2018/01/0094).
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründungspflicht der Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte gemäß § 29 VwGVG bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Begründung jenen Anforderungen zu entsprechen hat, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheids geführt haben (vgl. VwGH 27.6.2017, Ra 2016/18/0277).
8 Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgeblichen Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. nochmals etwa VwGH 27.6.2017, Ra 2016/18/0277).
9 Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das LVwG vorliegend gegen die ihm obliegende Begründungs- und Ermittlungspflicht verstoßen, weil es unterlassen hat, das englische Recht in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren festzustellen. Das LVwG stützt sich - im Rahmen der rechtlichen Beurteilung - ausschließlich auf zwei Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, unterlässt demgegenüber aber jegliche Feststellung zur vorliegend anzuwendenden englischen Rechtslage, sodass schon daher nicht nachvollziehbar ist, aus welchem Grund die dort verfahrensgegenständlichen Konstellationen vergleichbar mit dem vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt sein sollen.
10 Darüberhinaus ist darauf hinzuweisen, dass der Oberste Gerichtshof im einen vom LVwG teilweise wiedergegebenen Beschluss die dort angefochtene Entscheidung aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen hat und es sich in der anderen vom LVwG herangezogenen Entscheidung um einen die irische Rechtslage betreffenden Sachverhalt handelte, sodass der für den vorliegenden Fall vom LVwG gezogene rechtliche Schluss, nämlich die fehlende Partei- und Prozessfähigkeit bzw. Rechtsfähigkeit der revisionswerbenden Partei, jedenfalls aus diesen Entscheidungen schon nicht von vorneherein ableitbar erscheint.
11 Dem Verwaltungsgerichtshof ist es damit nicht möglich, die angefochtene Entscheidung in der vom Gesetz geforderten Weise einer nachprüfenden Kontrolle zu unterziehen (z.B. VwGH 25.10.2018, Ra 2017/20/0513, mwN).
12 Das LVwG wird daher im fortgesetzten Verfahren auf Grundlage eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens Feststellungen zu den maßgeblichen Vorschriften des englischen Rechts sowie allenfalls zur Frage, ob bzw. in welcher Form noch in Österreich gelegene Vermögenswerte der Gesellschaft überhaupt bestehen, zu treffen haben. Auf dieser Grundlage wird das LVwG die Parteistellung der revisionswerbenden Partei und damit die Zulässigkeit der Beschwerde gegen den Einziehungsbescheid zu beurteilen haben.
13 Aus den genannten Gründen war der angefochtene Beschluss wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
14 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 7. Jänner 2019
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)