VwGH Ra 2017/17/0723

VwGHRa 2017/17/07235.6.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Redinger, LL.M., über die Revision der U G s.r.o. in B in der S, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 16. März 2017, E 018/06/2017.012/005, betreffend Einziehung nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See), zu Recht erkannt:

Normen

GSpG 1989 §54;
VwGVG 2014 §44 Abs3;
VwGVG 2014 §44 Abs5;
VwGVG 2014 §44;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170723.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 30. November 2016 wurde die Einziehung von zwei näher bezeichneten Glücksspielgeräten gemäß § 54 Abs. 1 Glücksspielgesetz (GSpG) angeordnet.

2 Gegen diesen Bescheid erhob die revisionswerbende Partei Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Burgenland, in welcher sie unter anderem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht der Beschwerde - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - keine Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte Kostenersatz.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Die Revision ist schon in Bezug auf die im Zulässigkeitsvorbringen aufgeworfene Rechtsfrage zur Verletzung der Verhandlungspflicht gemäß § 44 VwGVG zulässig und berechtigt.

6 Das Verwaltungsgericht begründete das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung dahin, dass im Hinblick auf die Aufforderung des Verwaltungsgerichts vom 21. Februar 2017, die revisionswerbende Partei möge binnen 14 Tagen bekanntgeben, ob sie die Einwände zum Sachverhalt und den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufrecht erhalte, von der Zurückziehung der sachverhaltsbezogenen Einwände sowie von einem Verhandlungsverzicht auszugehen sei. Da der Sachverhalt somit feststehe und sich die Beschwerde auf die Geltendmachung einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung (Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielgesetzes, Vorliegen eines Schuldausschließungsgrundes, mangelnde Spruchkonkretisierung und Strafhöhe) beschränke, habe gemäß § 44 Abs. 3 Z 1 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden können.

7 Das Verfahren zur Erlassung des Einziehungsbescheides stellt eine "Verwaltungsstrafsache" dar (vgl. VwGH 22.8.2012, 2011/17/0323), sodass im Hinblick auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung § 44 VwGVG anzuwenden war.

8 Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs. 2 bis 5 leg. cit. finden sich Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. Gemäß § 44 Abs. 3 Z 1 VwGVG kann das Verwaltungsgericht von einer Verhandlung absehen, wenn in der Beschwerde nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Sofern die Parteien ausdrücklich auf die Durchführung einer Verhandlung verzichten, kann das Verwaltungsgericht davon absehen (§ 44 Abs. 5 VwGVG).

9 Die revisionswerbende Partei hat in ihrer Beschwerde ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Allein aus dem Umstand, dass die revisionswerbende Partei in ihrer fristgerechten Stellungnahme vom 6. März 2017 zur Aufforderung des Landesverwaltungsgerichts vom 21. Februar 2017, binnen 14 Tagen mitzuteilen, ob sie ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufrecht erhalte, nicht konkret einging, kann nicht auf einen ausdrücklichen Verzicht auf die von der revisionswerbenden Partei in der Beschwerde beantragte mündliche Verhandlung im Sinne des § 44 Abs. 5 VwGVG geschlossen werden; dies umso mehr als in der Stellungnahme zum Einwand der Unionsrechtswidrigkeit Zeugenbeweise angeboten wurden. Im Übrigen müssten alle Parteien auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichten oder einem Zurückziehungsantrag betreffend die Verhandlung zustimmen, damit rechtmäßigerweise von der Durchführung der mündlichen Verhandlung abgesehen werden könnte (vgl. ausführlich VwGH 28.2.2018, Ra 2017/17/703).

10 Da das Landesverwaltungsgericht mit Erkenntnis entschieden hat, kommt auch ein Absehen nach § 44 Abs. 4 VwGVG (das voraussetzt, dass das Verwaltungsgericht einen Beschluss zu fassen hat) nicht in Betracht (vgl. VwGH 5.4.2017, Ra 2017/04/0028, mwN).

11 Das angefochtene Erkenntnis war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

12 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am 5. Juni 2018

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