VwGH Ra 2017/13/0041

VwGHRa 2017/13/004112.9.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des M in K, vertreten durch Dr. Frank Riel, Dr. Wolfgang Grohmann und Dr. Christoph Sauer, Rechtsanwälte in 3500 Krems, Gartenaugasse 1, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 12. Mai 2017, Zl. RV/7105835/2016, betreffend Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2004 bis 2007, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1313a;
EStG 1988 §47 Abs2;
FamLAG 1967 §41;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017130041.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionsfall ist nach den Erkenntnissen vom 21. November 2013, 2011/15/0122, und vom 20. Oktober 2016, Ra 2016/13/0005, zum dritten Mal beim Verwaltungsgerichtshof anhängig.

2 Der Revisionswerber, ein Facharzt für Urologie, der eine Ordination mit Kassenvertrag betreibt, ließ sich in seiner Praxis in den Streitjahren 2004 bis 2007 an ein bis zwei Nachmittagen pro Woche von zwei (hauptberuflich in einem Spital angestellten) Ärztinnen vertreten.

3 Das Finanzamt befragte im Zuge einer beim Revisionswerber durchgeführten Außenprüfung im Februar 2009 die beiden Ärztinnen und nahm bei der Schlussbesprechung am 15. Juli 2009 eine Stellungnahme des Revisionswerbers entgegen, in der er u. a. vorbrachte, an den Vertretungsnachmittagen seien die Patienten durch einen Aushang im Empfangsbereich der Ordination "über den Namen des jeweiligen behandelnden Arztes informiert" worden und die Beschäftigung von Ärzten als Dienstnehmer sei ihm "sowohl kassenrechtlich als auch berufsrechtlich untersagt". Nach Ansicht der Prüferin waren die beiden Ärztinnen jedoch Dienstnehmerinnen des Revisionswerbers.

4 Davon ausgehend setzte das Finanzamt mit Bescheiden vom 31. Juli 2009 für die Streitjahre entsprechende Dienstgeberbeiträge fest, wogegen der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 3. September 2009 Berufung erhob.

5 Nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung gab der unabhängige Finanzsenat der Berufung mit Bescheid vom 3. Mai 2011 Folge. Diesen Bescheid hob der Verwaltungsgerichtshof auf Grund der vom Finanzamt dagegen erhobenen Amtsbeschwerde mit dem Erkenntnis vom 21. November 2013 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, weil die Begründung des Bescheides nicht erkennen ließ, von welchem Sachverhalt der unabhängige Finanzsenat ausgegangen war. Der Verwaltungsgerichtshof hob hervor, den Anforderungen an die Bescheidbegründung komme im Beschwerdefall besondere Bedeutung zu, weil bei Abgrenzungsfragen zwischen selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit das Gesamtbild der Tätigkeit auf das Überwiegen der Merkmale der Selbständigkeit oder jener der Unselbständigkeit zu untersuchen sei. Ein Urteil darüber erfordere "ein genaues Bild über die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit der beschäftigten Personen".

6 Mit Schreiben des bisherigen Referenten des unabhängigen Finanzsenates vom 12. März 2014 forderte das Bundesfinanzgericht, das die Berufung nun als Beschwerde zu behandeln hatte, das Finanzamt zu näherem Vorbringen über die Tätigkeit der Vertretungsärztinnen auf. Zum daraufhin eingebrachten Schriftsatz des Finanzamtes vom 25. März 2014 erstattete der Revisionswerber mit Schreiben vom 25. April 2014 eine Stellungnahme, auf die das Finanzamt am 13. Mai 2014 replizierte.

7 In dieser Replik beantragte das Finanzamt u.a. "die zeugenschaftliche Einvernahme von Patienten zur Frage, ob diesen bewusst war, dass sie keinen Behandlungsvertrag mit dem" Revisionswerber, sondern in den Vertretungsfällen jeweils einen solchen mit einer der Vertretungsärztinnen eingegangen seien. Auf den Auftrag des Bundesfinanzgerichtes, "Name und Anschrift dieser Zeugen" mitzuteilen, reagierte das Finanzamt mit der an den Revisionswerber gerichteten Aufforderung, Namen und Adressen "der Patienten der Jahre 2004 bis 2007" bekanntzugeben. Dieser Aufforderung entsprach der Revisionswerber aus von ihm näher dargestellten (berufsrechtlichen) Gründen nicht.

8 Mit Erkenntnis vom 19. November 2015 gab das Bundesfinanzgericht dem Rechtsmittel des Revisionswerbers erneut Folge. Diese Entscheidung hob der Verwaltungsgerichtshof auf Grund der vom Finanzamt dagegen erhobenen außerordentlichen Revision mit dem Erkenntnis vom 20. Oktober 2016 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, weil auch diesmal nicht klar erkennbar war, auf welchen Annahmen zum Sachverhalt die Entscheidung beruhte.

9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 12. Mai 2017 wies das (nun anders besetzte) Bundesfinanzgericht das Rechtsmittel des Revisionswerbers als unbegründet ab. Es legte dieser Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde:

"Der Bf. ist Facharzt für Urologie und ließ sich in den o.a. Streitjahren in seiner Ordination von Dr. X (Dienstag Nachmittag) und Dr. Y (Donnerstag Nachmittag) vertreten. Diese Vertretung erfolgte regelmäßig wiederkehrend an ein bis zwei Tagen wöchentlich beginnend ab 14 Uhr (Ende meist zwischen 19 und 20 Uhr). Das Honorar betrug pro Nachmittag pauschal 300 EUR und konnte von den Vertretungsärztinnen nicht beeinflusst werden. Welche Untersuchungen durchgeführt wurden, hat sich aufgrund einer Regelung mit dem Bf. bzw. aufgrund eines Schemas der Gebietskrankenkasse ergeben. Alle benötigten medizinischen Geräte wurden den Vertretungsärztinnen vom Bf. zur unentgeltlichen Verwendung zur Verfügung gestellt. Vertretungen der ‚Vertretungsärztinnen' wurden durch den Bf. organisiert. Die Abrechnung mit den Patienten erfolgte ausschließlich durch den Bf. Die Ordination verfügte über 3 Behandlungsräume mit Computer. Nach Aufruf der Patienten im Computer durch die Ordinationshilfen, erhielt die Vertretungsärztin ein Formular mit den Daten der Patienten. Die Diagnose gab die Vertretungsärztin schriftlich (auf einen Zettel), als auch in den Computer ein. Spezielle Behandlungsentscheidungen haben die Vertretungsärztinnen dem Bf. überlassen bzw. mit ihm (persönlich oder telefonisch) abgesprochen."

10 Erwiesen sei dieser Sachverhalt unter "Berücksichtigung der Ermittlungen der belangten Behörde, der im Verwaltungsverfahren hervorgekommenen Unterlagen, der übereinstimmenden Aussagen der beiden o.a. Vertretungsärztinnen am

6. und 23. Februar 2009, die vom Bf. nicht bestritten wurden, sowie unter Berücksichtigung der Angaben und Vorbringen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens".

11 Rechtlich würdigte das Bundesfinanzgericht den festgestellten Sachverhalt - eingebettet in allgemeine, hier nicht wiedergegebene Rechtsausführungen und unter Hinzufügung weiterer Annahmen zum Sachverhalt - wie folgt:

"Nachdem die Ordinationshilfen die Patienten im Computer aufgerufen hatten, hatten die beiden Vertretungsärztinnen diese zu untersuchen. Die Patientendaten wurden den Ärztinnen schriftlich mittels Formular zur Verfügung gestellt. Die Ärztinnen entschieden somit nicht über das Ausmaß der vorzunehmenden Behandlungen und Diagnosen, dieses wurde ihnen vom Bf. bzw. seinen Ordinationshilfen vorgegeben.

Die Übergabe oder Zuteilung der Untersuchungen (= im Sinne erforderlicher Behandlungen, Diagnosen und Rezeptverordnungen) lässt nicht auf die Erteilung einzelner Aufträge schließen, sondern stellt vielmehr eine persönliche Weisung dar, die vorgegebene Arbeit zu erledigen. Den beiden o.a. Ärztinnen stand es auch nicht frei, den Patientenkreis frei zu wählen. Durch die Übergabe der Patienten, die von den Ärztinnen zu behandeln waren, wurde der Patientenkreis vom Bf. vorgegeben. Darin zeigt sich, dass die beiden Ärztinnen dem Bf. ihre Arbeitskraft geschuldet haben und nicht eine Reihe von Aufträgen übernommen haben.

Erklärt sich jemand bereit, über einen bestimmten Zeitraum (die Ärztinnen waren in all den verfahrensgegenständlichen Jahren für den Bf. tätig) die gerade anfallenden Untersuchungen vorzunehmen, so überwiegen in entscheidender Weise die Merkmale eines Dienstverhältnisses. Die Ärztinnen schuldeten nicht bloß einen bestimmten Arbeitserfolg, sondern für eine bestimmte Zeit ihre Arbeitskraft. Sie unterlagen daher mit der Verpflichtung, jene Untersuchungen der für die Vertretungstage vorgemerkten Patienten, die ihnen vom Bf. übergeben worden sind, zu betreuen, auch den persönlichen Weisungen des Bf. (VwGH 21.2.1984, 83/14/0102).

Daran vermochte auch der Umstand, dass keine fixen Beginn- und Endzeiten vorgegeben waren, nichts zu ändern. Die Möglichkeit einer flexiblen Arbeitszeiteinteilung spricht bei einer Tätigkeit wie bei der der beiden Ärztinnen weder gegen das Bestehen einer persönlichen Abhängigkeit dieser noch gegen deren Eingliederung in den Betrieb des Bf. (vgl. VwGH 2.2.2010, 2009/15/0191).

Neben den vorstehend angeführten und für eine persönliche Gebundenheit sprechenden Gründen spricht auch die Art der Entlohnung für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses. Die Ärztinnen haben stets den vereinbarten fixen Pauschalbetrag ausbezahlt bekommen, die für die Untersuchungen erhaltenen Entgelte unterlagen somit keinen Schwankungen. Es spricht für ein Dienstverhältnis, wenn (wie gegenständliche) wöchentlich wiederkehrende, im Wesentlichen gleich bleibende Arbeiten Untersuchungs- und Behandlungstätigkeiten mit einem gleich bleibenden Betrag entlohnt werden (VwGH 13.5.2000, 97/14/0167).

Die Ärztinnen haben ihre Untersuchungen und Behandlungen ausschließlich in den Räumlichkeiten der Ordination des Bf. vorgenommen, die die dafür notwendigen Gerätschaften und Unterlagen zur Verfügung gestellt hat. Das Bereitstellen der für die Durchführung der Arbeiten erforderlichen Infrastruktur, zu der die Ärztinnen Zugriff hatten, und der benötigten Materialien sprechen für das Bestehen einer organisatorischen Eingliederung in den Betrieb des Bf. Die Möglichkeit, die Betriebsräume des Bf. jederzeit insbesondere an den Vertretungstagen betreten zu können (um die ihnen zugewiesenen Untersuchungen der vorgemerkten Patienten auf den Gerätschaften des Bf. abarbeiten zu können) spricht auch eindeutig für eine organisatorische Eingliederung in den Betrieb des Bf.

Das für eine selbständige Tätigkeit typische Unternehmerrisiko besteht darin, dass der Leistungserbringer die Möglichkeit hat, im Rahmen seiner Tätigkeit sowohl die Einnahmen als auch die Ausgabenseite maßgeblich zu beeinflussen und solcherart den finanziellen Erfolg seiner Tätigkeit weitgehend selbständig zu gestalten (VwGH 28.5.2009, 2007/15/0163), etwa durch die Annahme oder Ablehnung von Aufträgen. Die Ärzte (gemeint: Ärztinnen) hatten grundsätzlich die ihnen zugeteilten Untersuchungen der vorgemerkten Patienten zu betreuen (Rezeptausstellung etc.). Einkommensschwankungen lagen im gegenständlichen Fall nicht vor und wurden auch nicht eingewendet. Durch das stets gleichbleibende Entgelt (300 EUR pro Nachmittag) lag ein einnahmenseitiges Unternehmerrisiko nicht vor. Die Ärzte konnten ihre Einnahmen auch durch eine große Anzahl von vorgenommenen Untersuchungen und Behandlungen nicht beeinflussen. Ebenso spricht die Zurverfügungstellung der für die Untersuchungen erforderlichen Infrastruktur gegen ein Unternehmerrisiko.

Die vorrangig zu prüfenden Kriterien der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung sprechen somit in der Gesamtbetrachtung überwiegend für das Vorliegen von Dienstverhältnissen. Darüber hinaus spricht auch das Fehlen eines Unternehmerrisikos für das Vorliegen von Dienstverhältnissen im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988."

12 Darauf, ob sich die Vertretungsärztinnen ihrerseits vertreten lassen konnten, komme es unter diesen Umständen nicht mehr an, doch habe es auch insoweit an "echten Vertretungen" gefehlt.

13 Eine Revision sei nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil das Bundesfinanzgericht von bestehender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen eines Dienstverhältnisses nicht abgewichen sei.

14 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der es die Abweisung der Revision beantragt.

 

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16 Die steuerrechtliche Stellung von Praxisvertretern niedergelassener Ärzte stellt - wie auch ihre sozialversicherungsrechtliche Stellung (vgl. insoweit Auer-Mayer, SozSi 2015, 64 (74)) - einen oft schwer zu beurteilenden Grenzfall dar, was im vorliegenden Fall auch im Verfahrensverlauf Ausdruck findet. Das einzige zum Steuerrecht ergangene Erkenntnis, in dem sich der Verwaltungsgerichtshof damit - aus umsatzsteuerlicher Sicht (vgl. zu deren Verwandtschaft mit der einkommensteuerrechtlichen Kirchmayr/Denk in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18, § 47 Tz 21) - auseinandergesetzt hat, liegt lange zurück und beurteilte die Vertretungstätigkeit im Gegensatz zum angefochtenen Erkenntnis, das diese im Verfahren zur Sprache gebrachte Entscheidung unerwähnt lässt, als selbständig (VwGH 6.7.1956, 954/54, VwSlg 1463/F; vgl. unter Berufung auf dieses Erkenntnis auch Rz 5222 der EStR 2000). Die Revision ist daher zulässig.

17 Strittig ist im Hinblick auf die mit der Beschäftigung von Dienstnehmern gemäß § 41 FLAG verbundene Pflicht zur Entrichtung von Dienstgeberbeiträgen, ob die beiden Vertretungsärztinnen Dienstnehmerinnen des Revisionswerbers waren. Der dafür maßgeblichen Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 sind - wie im Vorerkenntnis vom 20. Oktober 2016 erwähnt - zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die (nicht bloß sachliche, sondern persönliche) Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. Nur in Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 47 Abs. 2 EStG 1988 auf weitere Abgrenzungskriterien, wie etwa das Fehlen eines Unternehmerrisikos und der Befugnis, sich vertreten zu lassen, Bedacht zu nehmen.

18 Mit dieser Unterscheidung zwischen vorrangigen und nur in Zweifelsfällen maßgeblichen Kriterien hat der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. November 2004, 2003/13/0018, VwSlg 7979/F, das der ständigen Rechtsprechung seither zugrunde liegt, die in einem Teil der bis dahin bestehenden Judikatur vertretene Annahme der Gleichwertigkeit insbesondere des Kriteriums eines fehlenden Unternehmerrisikos mit den Merkmalen der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung verworfen und im Schrifttum auch danach noch wiedergegebene Aussagen über die "besondere Bedeutung" des Unternehmerwagnisses für die Prüfung des Gesamtbildes relativiert (vgl. - jeweils ohne Bezugnahme auf das Erkenntnis vom 10. November 2004 - die Nachweise bei Kirchmayr/Denk, a. a.O., Tz 56 und 58).

19 Auf dieser Grundlage hat der Verwaltungsgerichtshof im selben Erkenntnis eines verstärkten Senates für den damals zu beurteilenden Fall einer Ausschaltung des Merkmals der Weisungsgebundenheit durch eine besondere Bestimmung (§ 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988) in der Eingliederung "das verbleibende gesetzliche Kriterium" gesehen und anderen Gesichtspunkten - wie dem Bestehen eines Unternehmerrisikos als gegen ein Dienstverhältnis sprechendem Kriterium - nur für den Fall einer nicht klar erkennbaren Eingliederung Bedeutung beigemessen.

20 Von solchen Fällen einer gesetzlichen Ausschaltung des Merkmals der Weisungsgebundenheit zu unterscheiden sind Fälle, in denen dem Kriterium der Weisungsgebundenheit auf Grund der Art der Tätigkeit wenig Unterscheidungskraft beizumessen ist, was nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes bei höher qualifizierten Tätigkeiten, wie u.a. denen der Ärzte, zutreffen kann (vgl. die Nachweise dazu bei Kirchmayr/Denk, a.a.O., Tz 34; die dort wiedergegebenen Aussagen zu Ärzten bezogen sich allerdings nur auf Ärzte in leitender Position und nur auf sachliche Weisungen, insbesondere durch medizinische Laien; vgl. ausdrücklich VwGH 19.1.1984, 83/15/0114, ÖStZB 1984, 322, mit Verweis auf das denselben Fall betreffende Vorerkenntnis VwGH 16.9.1982, 81/15/0118, ÖStZB 1983, 250, und auf VwGH 27.9.1960, 1190/57, ÖStZB 1961, 22; der mitbeteiligte Primararzt war nach diesem Erkenntnis "an sonstige Weisungen gebunden, soweit es nicht um die Art der ärztlichen Behandlung der Patienten geht"; zur jeweils fallbezogenen Annahme der Unselbständigkeit von Ärzten siehe zuletzt auch VwGH 20.1.2016, 2012/13/0095; 18.12.2017, Ra 2016/15/0079; 27.6.2018, Ra 2017/15/0057).

21 In einem Fall einer höher qualifizierten Tätigkeit, der nicht einen Arzt, sondern einen Statiker betraf und in dem die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus auf Grund der Nutzung der Büroräumlichkeiten und Infrastruktur des Vertragspartners auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes zu bejahen war, hat der Verwaltungsgerichtshof dies nicht genügen lassen, auf Fragen des Unternehmerrisikos (einnahmenseitig durch eine nach Prozentsätzen bemessene Entlohnung, ausgabenseitig durch eine uneingeschränkte Haftung) Bezug genommen, auch dem berufsrechtlichen Verbot der Erbringung der Leistungen in einem Dienstverhältnis indizielle Bedeutung beigemessen und letztlich die Auffassung vertreten, bei völligem Fehlen einer Bindung an persönliche Weisungen könne kein Dienstverhältnis angenommen werden (VwGH 21.11.2013, 2012/15/0025).

22 Im vorliegenden Fall hat das Bundesfinanzgericht im nunmehr dritten Rechtsgang erneut nur kursorische Feststellungen getroffen, die vor allem einen im Verfahren mehrfach erörterten und für die rechtliche Beurteilung nach dem Gesamtbild wesentlichen Gesichtspunkt unbehandelt lassen. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kann der in der Ordination des Vertretenen tätig werdende Praxisvertreter eines niedergelassenen Arztes dessen Erfüllungsgehilfe bei der Behandlung der Patienten sein, wenn diese der Meinung sein mussten, "entweder vom Ordinationsinhaber persönlich oder zumindest innerhalb seines Verantwortungsbereichs behandelt zu werden". Werden die Patienten aber "mittels entsprechender Maßnahmen (z.B. Anbringen eines entsprechenden Hinweises am Ordinationsschild oder an der Eingangstür zum Behandlungsraum, Anweisung an den Vertreter oder sein Personal, die Patienten entsprechend zu informieren)" vor Beginn der Behandlung über den Vertretungsfall aufgeklärt, so kommt der (in der Regel konkludent abgeschlossene) Behandlungsvertrag nicht mit dem (diesfalls nicht im rechtlichen Sinn) Vertretenen, sondern mit dem Praxisvertreter selbst zustande (OGH 22.1.2008, 4 Ob 210/07x; vgl. dazu Dullinger, JBl 2008, 656 f). Eine solche nach Denk, taxlex 2016, 238 (239 f), und Wallner, JAS 2017, 305 (311 f), den Regelfall bildende Information der Patienten (hier: mittels "Aushang") hat der Revisionswerber im vorliegenden Fall behauptet, worüber das Bundesfinanzgericht keine Feststellungen getroffen hat. Entgegen der vom Finanzamt dazu vertretenen Auffassung kommt es nicht darauf an, was den Patienten "bewusst war", sondern nur darauf, ob durch die Unterlassung geeigneter Maßnahmen ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, der auf die Behandlung zumindest "im Verantwortungsbereich" des Ordinationsinhabers schließen ließ. Letzteres wurde umgekehrt, anders als der Revisionswerber meint, nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass die Vertretungsärztinnen nicht mit dem männlichen Ordinationsinhaber identisch sein konnten.

23 Traf es zu, dass die Vertretungsärztinnen aus den vom Revisionswerber behaupteten Gründen eigene Behandlungsverträge mit den Patienten schlossen, was nach der dargestellten Rechtsprechung ihre volle vertragliche Haftung gegenüber den Patienten begründete, so würden die im vorliegenden Fall für ein Dienstverhältnis sprechenden Gesichtspunkte bei einem solchen Tätigwerden an Stelle eines Ordinationsinhabers (im eigenen Namen und auf eigenes Risiko) - anders als in den schon entschiedenen Fällen ärztlicher Dienstleistungen in Krankenanstalten, im Bewilligungsdienst einer Versicherungsanstalt oder in Dialysestationen - in den Hintergrund treten.

24 Was das Bundesfinanzgericht in dieser Hinsicht ins Treffen führt, ist auch für sich genommen nicht überzeugend, insoweit die als persönliche Weisungen des Revisionswerbers "bzw." seines Personals an die Vertretungsärztinnen gedeuteten Umstände zum Teil Notwendigkeiten sind, denen auch der Ordinationsinhaber als Kassenarzt unterlag, und es sich bei ihnen insgesamt nicht um individuell-konkrete Anordnungen in Bezug auf das arbeitsbezogene Verhalten, sondern um Vereinbarungen über den Aufgabenumfang handelt (vgl. dazu Kirchmayr/Denk, a.a.O., Tz 33; VwGH 22.10.2002, 2001/14/0219, VwSlg 7757/F; 26.1.2017, Ra 2015/15/0064).

25 Die jeweils für die Dauer der "Vertretung" zu bejahende Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Ordinationsinhabers, in dessen Räumen und mit dessen Einrichtungen und Personal die "Vertretung" erfolgte, spricht tendenziell für ein Dienstverhältnis, ist dabei aber weniger aussagekräftig als im erwähnten (und auch nicht durch Bejahung eines Dienstverhältnisses schon wegen der Eingliederung erledigten) Fall der Zusammenarbeit eines Statikers mit einer Planungsgesellschaft, weil sie bei zeitlich begrenzten "Vertretungen" am Sitz einer Kassenplanstelle auf einem Sachzwang beruht (vgl. ähnlich Denk, a.a.O., 241) und der geschäftliche Organismus des Ordinationsinhabers für Behandlungen zum Einsatz kommt, die ihm nicht als eigene zuzurechnen sind.

26 Dass die Abrechnung über den Ordinationsinhaber erfolgt, steht einer Selbständigkeit der Tätigkeit in solchen Fällen nicht entgegen (vgl. Denk, a.a.O., 240, mit zutreffendem Hinweis auf VwGH 9.6.1965, 2031/64, ÖStZB 1965, 142). Fraglich kann nur sein, ob es darauf ankommt, welche Vereinbarungen über die Aufteilung der Einnahmen und damit (zumindest implizit) auch über die Abgeltung des Gebrauchs der Einrichtungen und des Personals des Ordinationsinhabers getroffen werden. Die Vereinfachung dieser Abrechnung durch die im vorliegenden Fall vorgenommene Pauschalierung trägt - wie dem Bundesfinanzgericht beizupflichten ist - nicht dazu bei, den Eindruck des Vorliegens einer selbständigen Tätigkeit zu verstärken.

27 Angesichts einerseits des völligen Fehlens tragfähiger Feststellungen über eine persönliche Weisungsgebundenheit (wobei deren völliges Fehlen im Allgemeinen ein Dienstverhältnis bereits ausschließt; vgl. z.B. VwGH 28.6.2006, 2002/13/0175) und andererseits - unter den erwähnten Voraussetzungen - des Abschlusses eigener, mit vollem Haftungsrisiko verbundener Behandlungsverträge durch die Ärztinnen kann dies jedoch nicht den Ausschlag geben, wozu noch kommt, dass die Anstellung von Ärzten durch Ärzte mit dem ärztlichen Berufsrecht nach überwiegender Ansicht nicht vereinbar wäre und auch die Ansprüche gegenüber der Krankenversicherung beeinträchtigen könnte (vgl. dazu Schrattbauer, SozSi 2018, 90 (99 f), und im vorliegenden Akt die Hinweise u.a. auf Verbote in Verträgen mit der Krankenkasse). Dieser vom Revisionswerber im Verfahren ins Treffen geführte Gesichtspunkt ist für sich genommen zwar nicht entscheidend, kann nach dem bereits mehrfach angesprochenen Erkenntnis vom 21. November 2013, 2012/15/0025, aber im Zweifel von indizieller Bedeutung sein.

28 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

29 Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

30 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 12. September 2018

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