Normen
AVRAG 1993 §7d Abs2
AVRAG 1993 §7i Abs4 Z2
AVRAG 1993 §7m
AVRAG 1993 §7m Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017110153.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit Bescheid vom 25. Februar 2016 wurde der Erstmitbeteiligten als Auftraggeberin (in Folge: Auftraggeberin) der (in Ungarn etablierten) Zweitmitbeteiligten (in Folge: Auftragnehmerin) gemäß § 7m Abs. 3 AVRAG der Erlag einer Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 54.000,-- aufgetragen. Begründet wurde dies damit, dass die Auftragnehmerin auf Grund einer durch die Finanzpolizei am 18. Februar 2016 bei einem näher bezeichneten Bauvorhaben durchgeführten Kontrolle in Ansehung der damals angetroffenen neun Arbeitnehmer in Verdacht von insgesamt 27 Übertretungen des AVRAG (verspätete ZKO-Meldungen entgegen § 7b Abs. 3 AVRAG, unterlassene Bereithaltung der A1-Bescheinigungen am Arbeitsort entgegen § 7b Abs. 5 AVRAG und unterlassene Bereithaltung der Lohnunterlagen entgegen § 7d Abs. 1 AVRAG) stehe. Da die Strafverfolgung und der Strafvollzug aufgrund des Unternehmenssitzes in Ungarn wesentlich erschwert seien und überdies Ungarn trotz Ratifizierung des EU-Rechtshilfeübereinkommens und des EU-Verwaltungsvollstreckungsgeset zes erfahrungsgemäß die Rechtshilfe verweigere und auch eine vorläufige Sicherheit nach § 7l AVRAG bei der Auftragnehmerin nicht eingehoben werden konnte, sei der Auftraggeberin die entsprechende Sicherheit aufzuerlegen gewesen.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark - nach Abweisung seines auf Art. 140 Abs. 1 B-VG gestützten Antrags auf Aufhebung der §§ 7l letzter Satz und 7m AVRAG mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Dezember 2016, G 283/2016 ua - der gegen das Straferkenntnis erhobenen Beschwerde Folge und behob letzteres. Unter einem sprach es gemäß § 25a VwGG aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2016 klargestellt, dass auch bei Vorliegen aller übrigen gesetzlichen Voraussetzungen Gegenstand einer Sicherheitsleistung gemäß § 7m AVRAG von vornherein nur jene Teile des vereinbarten Werklohns sein könnten, welche zum einen "noch aushaftend" (dh zum Zeitpunkt der Verfügung des Zahlungsstopps noch nicht bezahlt) und zusätzlich bezugnehmend auf den bis dahin erbrachten Leistungsfortschritt und die jeweils getroffene vertragliche Vereinbarung bereits fällig seien. Im vorliegenden Fall seien von der insgesamt in Betracht kommenden Auftragssumme von EUR 101.220,-- null Euro "noch aushaftend" und "bereits fällig" im Sinne der Rechtsprechung des VfGH gewesen. Das Straferkenntnis erweise sich schon aus diesem Grund als rechtswidrig.
4 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. VwGH 25.3.2014, Ra 2014/04/0001, und vom 28.2.2015, Ra 2015/08/0008).
7 2.2.1. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es gebe noch keine Rechtsprechung zur Frage, was unter dem noch zu leistenden Werklohn im Sinne des § 7m Abs. 1, 3 und 4 AVRAG zu verstehen sei. Für die Abgabenbehörde als den Zahlungsstopp verfügende Kontrollinstanz, und die Behörde, die über die Höhe der Sicherheitsleistung zu erkennen habe, sei die Klärung der Rechtsfrage von entscheidender Bedeutung, ob auf den tatsächlich fälligen Werklohn oder auf den ursprünglich vereinbarten und somit - nach allfälligen Teilzahlungen - noch aushaftenden Werklohn abzustellen sei. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtes ("allein untermauert mit einem Zitat aus einem VfGH-Erkenntnis"), wonach der Werklohn sowohl aushaftend als auch bereits fällig sein müsse, damit eine Sicherheitsleistung eingehoben werden könne, treffe nach Ansicht der Revisionswerberin nicht zu und würde zudem die Einhebung einer Sicherheitsleistung massiv erschweren bzw. oft sogar verunmöglichen und deshalb dem Willen des Gesetzgebers bzw. dem Sinn der Regelung völlig widersprechen.
8 Mit diesem Vorbringen wird nicht aufgezeigt, dass die Behandlung der Revision von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhinge, der grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt.
9 2.2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2016, G 283/2016 ua, Folgendes ausgeführt (auszugsweise):
"2.2.2.2. Dem Auftraggeber wird aber auch keine Zahlungsverpflichtung auferlegt, die sich gegenüber dem Auftragnehmer nicht bereits aus dem Zivilrecht ergibt: Entgegen der Auffassung der Landesverwaltungsgerichte ist der Auftraggeber nämlich nicht verpflichtet, die Sicherheitsleistung vor Fälligkeit des Werklohns zu leisten. Wie das Zusammenspiel von "Zahlungsstopp" in § 7m Abs 1 leg.cit. und der daran anknüpfenden Verpflichtung zur ‚Sicherheitsleistung' an die Behörde aus dem ‚noch zu leistenden Werklohn' gemäß § 7m Abs 3 leg. cit. zeigt, geht es bei der Zahlungsverpflichtung im Rahmen der Sicherheitsleistung immer nur um jenen Werklohn (oder um Teile desselben), den der Auftraggeber tatsächlich bereits schuldet. Es gibt weder im Gesetz noch in den Materialien einen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber dem Auftraggeber jeglichen Schutz habe entziehen wollen, den ihm das Werkvertragsrecht gegenüber dem Auftragnehmer bietet. Der Auftraggeber ist vielmehr nach Erlassung eines Zahlungsstopps durch die Organe der Abgabenbehörden gemäß § 7m Abs 1 AVRAG sowie nach Erlassung des - von diesen Behörden sodann bei sonstigem Außerkrafttreten des Zahlungsstopps - gemäß § 7m Abs 2 AVRAG binnen drei Arbeitstagen zu beantragenden Bescheides über die Sicherheitsleistung nach § 7m Abs 3 leg.cit. nicht anders gestellt, als er es im Falle einer Pfändung der Forderung des Auftragnehmers gegen den Auftraggeber durch Dritte mittels Erlassung eines Zahlungsverbotes (‚Drittverbot') an den Auftraggeber und Überweisung der Forderung zur Einziehung an den Gläubiger gemäß § 294 EO wäre.
2.2.2.3. Da der Auftraggeber somit lediglich mit dem dem Auftragnehmer geschuldeten Werklohn in Anspruch genommen werden kann, haftet er entgegen der Auffassung der Landesverwaltungsgerichte auch nicht unmittelbar für die Verwaltungsstrafe des Auftragnehmers. Es ist daher die Parallele verfehlt, welche die antragstellenden Landesverwaltungsgerichte zu Fällen ziehen, in denen es der Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erklärt hat, wenn Auftraggeber mit dem eigenen Vermögen ohne zureichenden sachlichen Grund für das Verschulden Dritter in Anspruch genommen werden konnten (wie in VfSlg 16.662/2002).
..."
10 Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem - erst nach dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ergangenen - Erkenntnis vom 27. April 2017, Ra 2016/11/0123, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes und sich diesem anschließend ausgesprochen, dass beim Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung nach § 7m AVRAG letztlich (mittelbar) auf einen Vermögenswert des Verdächtigen zugegriffen werde, nämlich auf eine Forderung gegen seinen Vertragspartner. Bestehe im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über einen Auftrag nach Abs. 3 keine solche Forderung, bestehe - abgesehen vom Fall der trotz Zahlungsstopps geleisteten Zahlungen - auch kein Raum für einen Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung. Der Auftraggeber solle mithin davor geschützt werden, mehr zahlen zu müssen, als er auf Grund des Werkvertrages schuldet. Auf das erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes hat sich der Verwaltungsgerichtshof auch im Beschluss vom 13. Juni 2017, Ra 2017/11/0013, berufen.
11 Vor diesem Hintergrund - die Revision tritt der Feststellung des Verwaltungsgerichtes, wonach eine fällige Forderung im maßgeblichen Zeitpunkt nicht vorliege, nicht entgegen - ist nicht erkennbar, dass das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre.
12 2.3. Die Revision war daher zurückzuweisen. Wien, am 6. März 2018
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