Normen
AVG §68 Abs4 Z1;
AVG §69 Abs1;
AVG §69 Abs2;
AVG §71 Abs1;
AVG §71 Abs3;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art140 Abs7;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §32 Abs1;
VwGVG 2014 §33 Abs1;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber steht als Beamter in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Land Kärnten.
2 Mit Einleitungs- und Verhandlungsbeschlüssen vom 5. Februar 2014 und 25. März 2014 leitete die Disziplinarkommission für Landesbeamte beim Amt der Kärntner Landesregierung und im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde gegen den Revisionswerber wegen des Verdachts näher bezeichneter Dienstpflichtverletzungen ein Disziplinarverfahren ein. Diese Bescheide erwuchsen unangefochten in Rechtskraft.
3 Gegen das in dieser Sache ergangene Disziplinarerkenntnis vom 24. Juni 2014 erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Kärnten, das mit Erkenntnis vom 9. Jänner 2015 den Revisionswerber wegen eines wider ihn erhobenen disziplinären Vorwurfs schuldig sprach und über ihn eine Geldbuße verhängte.
4 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Erkenntnis vom 18. September 2015, V 97/2015-10, feststellte, dass die (inzwischen von der Landesregierung am 21. April 2015 neuerlich beschlossene und am 7. Mai 2015 kundgemachte) Verordnung "Verzeichnis der Disziplinarsenate der Disziplinarkommission für Landesbeamte beim Amt der Kärntner Landesregierung" für die Funktionsperiode vom 1. Jänner 2013 bis 31. Dezember 2017, Beschluss der Kärntner Landesregierung vom 23. April 2013, gesetzwidrig gewesen war, und mit Erkenntnis vom selben Tag, E 387/2015-17, das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 9. Jänner 2015 aufhob, weil dieses den Revisionswerber wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzte. In der Folge behob das Landesverwaltungsgericht Kärnten mit Beschluss vom 3. November 2015 das Disziplinarerkenntnis vom 24. Juni 2014.
5 Mit Schriftsatz vom 1. März 2016 beantragte der Revisionswerber bei der belangten Behörde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung von Beschwerden gegen die Einleitungs- und Verhandlungsbeschlüsse vom 5. Februar 2014 und 25. März 2014 sowie hilfsweise die Wiederaufnahme des Verfahrens vor Erlassung der genannten Einleitungs- und Verhandlungsbeschlüsse. Dies begründete der Revisionswerber im Wesentlichen damit, dass er davon ausgegangen sei, dass die Rechtswirkungen des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 18. September 2015, E 387/2015-17, auch hinsichtlich der Einleitungs- und Verhandlungsbeschlüsse eigetreten wären. Erst anlässlich einer informellen Besprechung mit der Vertreterin der belangten Behörde am 17. Februar 2016 sei ihm bekannt geworden, dass die belangte Behörde von deren "Bestandfestigkeit" ausgehe.
6 Mit Bescheid vom 3. Mai 2016 wies die belangte Behörde die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und auf Wiederaufnahme als verspätet zurück. Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs bereits am 25. bzw. 28. September 2015 dem Revisionswerber zugestellt worden seien. In Kenntnis dieser Entscheidungen habe er am 7. Oktober 2015 zu einem anderen, bereits abgeschlossenen Disziplinarverfahren einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt. Die rechtliche Situation sei dem rechtsfreundlich vertretenen Revisionswerber daher bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen. Die erst Monate nach Zustellung der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs eingebrachten Anträge erwiesen sich daher als verspätet.
7 Mit Erkenntnis vom 19. Dezember 2016 wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
8 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Der Revisionswerber bringt unter diesem Gesichtspunkt zur Zulässigkeit seiner Revision zunächst vor, dass sich seiner Ansicht nach die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs infolge der Anlassfallwirkung auf die Einleitungs- und Verhandlungsbeschlüsse dahingehend ausgewirkt hätten, dass diese aus dem Rechtsbestand ausgeschieden worden seien oder mangels einer solchen Wirkung der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs zum Zwecke ihrer Umsetzung aufzuheben seien. Es gebe keine höchstgerichtliche Entscheidung zur Frage der Anlassfallwirkung im Spezifikum des Disziplinarrechts. Das gelte auch unter dem Gesichtspunkt des § 68 Abs. 4 Z 1 AVG. Zwar sei die Beseitigung von Bescheiden in das Ermessen der Behörde gestellt. Wegen der Anlassfallwirkung des Verfassungsgerichtshoferkenntnisses sei jedoch eine dahingehende Verpflichtung anzunehmen. Auch dazu gebe es keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs.
11 Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, von deren Lösung die Entscheidung über die Revision abhängen würde, nicht dargestellt. So zeigt der Revisionswerber nicht auf und ist dies auch nicht zu erkennen, aus welchem Grund die hier zu beurteilende (Bestätigung der) Zurückweisung der Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Wiederaufnahme des Verfahrens (wegen Versäumung der Frist von zwei Wochen nach § 71 Abs. 3 AVG bzw. § 69 Abs. 2 AVG) rechtswidrig sein sollte, wenn die Einleitungs- und Verhandlungsbeschlüsse infolge einer Anlassfallwirkung weggefallen sein sollten (siehe in diesem Zusammenhang überdies das in einem Disziplinarverfahren ergangene Erkenntnis vom 19. Mai 2014, 2013/09/0186, und zum Begriff des Anlassfalles ausführlich das Erkenntnis vom 24. März 2009, 2008/09/0321) oder nach § 68 Abs. 4 Z 1 AVG von Amts wegen aufzuheben wären (siehe zum fehlenden Anspruch auf ein solches Vorgehen jedoch den klaren Wortlaut des § 68 Abs. 7 AVG; das Erkenntnis vom 18. Juni 2014, 2013/09/0162, den Beschluss vom 25. März 2015, Ra 2015/13/0007, und dazu, dass ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs keine Grundlage für Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend rechtskräftige Bescheide bietet, selbst wenn diese auf dasselbe aufgehobene Gesetz gestützt waren das Erkenntnis vom 27. Jänner 1970, 1626/69, VwSlg 4016 F/1970; vgl. auch den, den Revisionswerber betreffenden Beschluss vom 13. Dezember 2016, Ra 2016/09/0107, sowie zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags mit Unkenntnis der Rechtslage oder einem Rechtsirrtum eines berufsmäßigen Parteienvertreters den Beschluss vom 29. Juni 2016, Ra 2016/05/0001, mwN).
12 Die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen nach einem Wegfall der Beschlüsse infolge einer Anlassfallwirkung oder einer Verpflichtung zur Aufhebung der Beschlüsse nach § 68 AVG stellen sich im vorliegenden Fall daher nicht. Dass die im Einzelfall zu beurteilende Frage nach dem Beginn der zweiwöchigen Wiedereinsetzungs- und Wiederaufnahmefrist vom Verwaltungsgericht unrichtig beurteilt worden wäre, wird in diesem Zusammenhang nicht geltend gemacht.
13 Wenn der Revisionswerber im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringens schließlich unsubstanziert Verfahrensmängel ins Treffen führt, unterlässt er es, deren Relevanz für den Ausgang des Verfahrens darzulegen.
14 Die Revision war somit wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 24. Mai 2017
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