VwGH Ra 2017/04/0141

VwGHRa 2017/04/014117.12.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie Hofrätin Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der A F in K, vertreten durch Ing. Dr. Stefan Krall und Dr. Oliver Kühnl, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Anton-Melzer-Straße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. April 2017, Zl. W214 2134106- 1/10E, betreffend Anträge nach dem Datenschutzgesetz 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Datenschutzbehörde), den Beschluss gefasst:

Normen

VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §28

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017040141.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1.1. Der Gemeindeverband B K ist Betreiber eines näher bezeichneten Krankenhauses und verwendet ein elektronisches Patientendokumentationssystem ("Patidok") zur Führung der Krankengeschichten der in seiner Anstalt behandelten Patienten. Die Revisionswerberin war in diesem Krankenhaus bis Juli 2016 angestellt. Sie unterzog sich im Jahr 2012 dort einem operativen Eingriff, in dessen Zusammenhang Gesundheitsdaten der Revisionswerberin im elektronischen Patientendokumentationssystem gespeichert wurden.

2 Die Revisionswerberin brachte in ihrer Beschwerde vom 7. Juni 2016 bei Datenschutzbehörde vor, durch den Gemeindeverband B K in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt worden zu sein, weil der Verwaltungsdirektor des Krankenhauses, der gleichzeitig ihr dienstlicher Vorgesetzter sei, auf ihre Gesundheitsdaten zugegriffen habe. Ein weisungsbefugter Verwaltungsdirektor könne niemals befugt sein, auf ihre höchst sensiblen Daten zuzugreifen.

3 Mit Schreiben der Datenschutzbehörde vom 10. Juni 2016 wurde die Revisionswerberin unter Hinweis auf § 13 Abs. 3 AVG aufgefordert anzugeben, wann die unberechtigten Zugriffe durch den Verwaltungsdirektor erfolgt sein sollten und weshalb diese unrechtmäßig wären.

4 Die Revisionswerberin führte dazu aus, dass der Verwaltungsdirektor überhaupt nicht auf Patientendaten zugreifen dürfe. Er habe unzulässigerweise auf einen zytologischen Befund sowie einen rechtswidrig erhobenen HIV-Test zugegriffen und die Revisionswerberin zur Stellungnahme aufgefordert, wo der zytologische Befund abgespeichert werden solle. Zu ihrem ebenfalls gestellten Auskunftsbegehren gemäß § 26 DSG 2000 habe der Verwaltungsdirektor darauf hingewiesen, dass gewisse Informationen der Revisionswerberin nur übermittelt werden könnten, wenn er Einsicht in ihre Krankenakte nehme. Sollte er keine Mitteilung erhalten, gehe er davon aus, dass der Wunsch der Revisionswerberin, ihre sensiblen Daten vor einer Einsichtnahme durch den Verwaltungsdirektor zu schützen, einen höheren Stellenwert für sie habe als der Wunsch nach Auskunft. Außerdem habe der Verwaltungsdirektor mitgeteilt, dass der zytologische Befund nunmehr dem Patientenbereich zugeordnet werde. Es sei ihr vom Verwaltungsdirekter verboten worden, "Screenshots" von ihren Daten vorzunehmen und vorzulegen. Obwohl sie den Widerruf der Datenverwendung ausgesprochen habe, erfolge noch immer eine rege, völlig rechtswidrige Datenverwendung.

5 Die Datenschutzbehörde teilte der Revisionswerberin mit Schreiben vom 4. Juli 2016 mit näherer Begründung mit, dass sie auf Grund bereits von ihr geprüfter Sachverhalte sowie eines näher bezeichneten, vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahrens ein Rechtsschutzinteresse der Revisionswerberin am vorliegenden Verfahren nicht erblicken könne.

6 1.2. Mit Bescheid vom 18. Juli 2016 wies die Datenschutzbehörde die Beschwerde der Revisionswerberin zurück. Dies wurde damit begründet, dass die Sache bereits von der Datenschutzbehörde entschieden worden und beim Bundesverwaltungsgericht anhängig sei. Weitere Rechtsverletzungen seien nicht konkretisiert worden. Die Frage, ob der Verwaltungsdirektor auf Grund der ihm konkret übertragenen Aufgaben überhaupt auf Gesundheitsdaten (der Revisionswerberin) zugreifen dürfe, sei nicht geeignet, im Rahmen eines Verfahrens nach § 31 Abs. 1 DSG 2000 behandelt zu werden.

7 2.1. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 20. April 2017 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt A.2). Den Antrag der Revisionswerberin, das Bundesverwaltungsgericht möge "wegen Gefahr in Verzug die unverzügliche Unterlassung der Zugriffe auf ihre sensiblen Daten und auf ihre geheimhaltungspflichtigen Verfahrenskorrespondenzen durch den unzuständigen Verwaltungsdirektor Dr. (...) aussprechen", wies das Bundesverwaltungsgericht zurück (Spruchpunkt A.1). Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt B).

8 2.2. In der Begründung stellte das Bundesverwaltungsgericht unter anderem fest, dass die Zugriffe des Verwaltungsdirektors und von drei Ärzten zu näher definierten Zeiten im Jahr 2013 sowie die damals vorgenommene Speicherung des zytologischen Befundes und des HIV-Befundes bzw. die damals erfolgte Einsichtnahme in diese Dokumente Gegenstand des von ihm mit Erkenntnis vom 20. April 2017, Zl. W214 2007810-1, entschiedenen Verfahrens gewesen sei.

9 Soweit sich die Revisionswerberin auf Datenverwendungen berufen habe, die Gegenstand des Verfahrens Zl. W214 2007810-1 gewesen seien, könnten diese Verstöße nicht in einem neuerlichen Verfahren bei der Datenschutzbehörde geltend gemacht werden. Im Rahmen dieses Verfahrens sei es auch darum gegangen, ob die Krankengeschichte der Revisionswerberin überhaupt automationsunterstützt verarbeitet worden sei. In diesem Zusammenhang habe man sich mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit eine grundsätzliche Verarbeitung des zytologischen Befundes und des HIV-Befundes zu den Bereichen des Betriebsarztes bzw. der Krankengeschichte der Revisionswerberin rechtmäßig gewesen sei.

10 Die von der Revisionswerberin bei der Datenschutzbehörde vorgebrachte Rüge, wonach der Verwaltungsdirektor des Krankenhauses die Zugriffsmöglichkeit auf Patientendaten, insbesondere auch auf jene seiner Mitarbeiter habe, betreffe jedoch eine Frage der Datensicherheit, die bereits im Verfahren nach § 30 DSG 2000 bei der Datenschutzbehörde behandelt worden sei. Die in diesem Verfahren ergangene Empfehlung vom 23. Mai 2016 könne nicht im Zuge eines Verfahrens nach § 31 DSG 2000 angefochten werden. Auch komme die behauptete Nichteinhaltung von Datensicherheitsmaßnahmen per se als Gegenstand eines Verfahrens nach § 31 DSG 2000 nicht in Betracht. Soweit sich die Revisionswerberin darauf berufe, dass der Verwaltungsdirektor "ihre Befunde verwalte", so sei aus den von ihr vorgelegten Beilagen kein konkreter Zugriff auf die Daten der Revisionswerberin ersichtlich. Ebenso sei keine Verwendung erkennbar, die die von der Revisionswerberin behauptete Grundrechtsverletzung stütze. Aus der Frage, wohin die Revisionswerberin ihren zytologischen Befund abgespeichert haben wolle, könne nicht auf einen weiteren Zugriff des Verwaltungsdirektors geschlossen werden, zumal dieser durch eine Stellungnahme der Revisionswerberin im erwähnten Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht Kenntnis davon erhalten habe, dass der zytologische Befund nicht der Abteilung "Betriebsarzt" zuzuordnen wäre.

11 Die Datenschutzbehörde habe die Revisionswerberin zur Behebung der Mängel ihrer Beschwerde aufgefordert und ausgeführt, dass bei Nichtbehebung der Mängel die Beschwerde zurückgewiesen würde. Da von der Revisionswerberin keine hinreichende Konkretisierung ihres Vorbringens vorgenommen worden sei, habe die Datenschutzbehörde die Beschwerde zu Recht zurückgewiesen. 12 Auch die dagegen erhobene Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht enthalte im Wesentlichen Ausführungen zum Verfahren nach § 30 DSG 2000 bzw. der Zugriffsmöglichkeit des Verwaltungsdirektors auf Gesundheitsdaten, was aber nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht sein könne. Das Bundesverwaltungsgericht sei im Übrigen auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung der Beschwerde durch die Datenschutzbehörde beschränkt, weshalb ihm selbst dann, wenn in der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht Datenschutzverletzungen konkretisiert worden wären, eine inhaltliche Prüfzuständigkeit dieser Verletzungen nicht zukäme. Auch fehle dem Bundesverwaltungsgericht eine Anordnungsbefugnis, dem Verwaltungsdirektor den Zugriff auf sensible Daten und Verfahrenskorrespondenzen zu untersagen. Der diesbezügliche Antrag der Revisionswerberin sei daher mangels Zuständigkeit zurückzuweisen gewesen.

13 3. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 14 4. In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, dass keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur "inhaltlichen Determinierung von Beschwerden nach § 31 DSG 2000" bestehe. Die angefochtene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beruhe lediglich auf einer nicht durch höchstgerichtliche Rechtsprechung gedeckten, (zu) "engherzigen" Auslegung des § 31 DSG 2000 durch die Datenschutzbehörde. Das Bundesverwaltungsgericht stütze damit seine Rechtsprechung auf die Praxis der von ihm kontrollierten belangten Behörde und kehre auf diese Weise das Revisionsmodell ins Gegenteil um. Die angefochtene Entscheidung hänge von der Lösung einer grundsätzlichen Rechtsfrage ab, nämlich der Frage der inhaltlichen Determinierung von Beschwerden an die Datenschutzbehörde. Diese Rechtsfrage sei nicht bloß für den Einzelfall relevant, sondern von grundsätzlicher Bedeutung für alle Beschwerden an die Datenschutzbehörde. Hätte das Bundesverwaltungsgericht die gegenständliche Frage korrekt gelöst, wäre eine inhaltliche Entscheidung zu treffen gewesen. 15 Darüber hinaus sei die Revision zulässig und berechtigt, weil die angefochtene Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verpflichtung, in der Sache (vorliegend somit: über die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung) selbst zu entscheiden, abweiche.

16 5.1. Die Revision legt mit dem allgemeinen Vorbringen, es fehle Rechtsprechung zur "inhaltlichen Determinierung von Beschwerden nach § 31 DSG 2000" nicht dar, inwieweit die in Abs. 3 Z 1 bis 6 der genannten Bestimmung - ohnehin detailliert - aufgezählten Vorgaben für die Einbringung einer Beschwerde an die Datenschutzbehörde Fragen aufwerfen, die vom Verwaltungsgerichtshof zu lösen wären.

Das bloße Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer Rechtsfrage führt nicht automatisch zur Zulässigkeit einer Revision (vgl. zB die Nachweise bei Thienel, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, ZVG 2018, 180 (189)). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt dann nicht vor, wenn es trotz fehlender Rechtsprechung auf Grund der eindeutigen Rechtslage keiner Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf (vgl. zB VwGH 8.8.2019, Ra 2018/04/0110, mwN).

17 Gleiches gilt für die nicht näher konkretisierte Rüge, § 131 DSG 2000 sei im vorliegenden Fall zu "engherzig" ausgelegt worden, zumal auch damit eine unzutreffende Anwendung der genannten gesetzlichen Bestimmung nicht näher aufgezeigt wird. 18 5.2. Soweit die Revision vorbringt, das Bundesverwaltungsgericht sei seiner Verpflichtung, in der Sache selbst zu entscheiden, nicht nachgekommen, ist ihr entgegenzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall, indem es die Zurückweisung der Beschwerde durch die Datenschutzbehörde als rechtmäßig erachtete und damit die dagegen erhobene (verwaltungsgerichtliche) Beschwerde als unbegründet abwies, "in der Sache" entschieden hat. 19 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, ist in jenen Fällen, in denen die Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, "Sache" eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (vgl. die Nachweis bei Hengstschläger/Leeb, AVG ErgBd (2017) § 28 VwGVG Rz. 39). Dem Verwaltungsgericht ist es demnach verwehrt, über diesen Rahmen hinaus in einer Entscheidung über die "Hauptsache" vorzugehen, weil dadurch der sachlichen Prüfung des gestellten Antrages und damit den Parteien eine Instanz genommen würde (vgl. VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002). 20 6. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 17. Dezember 2019

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